Nachsorge-Zentrum: Mitarbeiter widersprechen Chef
Hausleitung hält Gehälter für überdurchschnittlich. Der Betriebsrat ist da anderer Meinung
Der Ton wird schärfer: Im Kampf um einen Tarifvertrag für rund 100 Mitarbeiter des Nachsorge-Zentrums Augsburg für schwer hirngeschädigte Menschen kritisiert der Betriebsrat nun, die öffentlichen Angaben der Geschäftsführung zu den Gehältern der Beschäftigten seien nicht nachvollziehbar.
Beschäftigte und die Gewerkschaft Verdi hatten vergangenen Dienstag vor dem Zentrum in der Frischstraße mit einer Aktion und zwei lebenden Eseln protestiert. Sie seien mit ihrer „Eselsgeduld“am Ende, was die Gehälter und auch die Wertschätzung ihrer Arbeit in der Einrichtung angehe. Gefordert wird ein verbindlicher Tarifvertrag.
Geschäftsführer Christoph Kalchgruber sagte auf Anfrage unserer Zeitung, die Gehälter der Therapeuten lägen derzeit zwischen 23 und 43 Prozent über dem, was in diesen Berufsgruppen im bundesweiten Vergleich bezahlt werde. Auch bei den anderen Berufsgruppen aus dem pädagogischen oder pflegerischen Bereich seien die Gehälter im Nachsorge-Zentrum über oder vergleichbar mit dem Bundesdurchschnitt.
Szymon Pytel vom Betriebsrat teilt mit, man „wundere“sich über die genannten Zahlen. Diese seien nicht nachvollziehbar. Mitglieder des Betriebsrats seien über die Gehaltssituation des Hauses informiert. Die Geschäftsleitung gebe an, die Mitarbeiter würden über Branchenniveau bezahlt. Bei dieser Berechnung seien aber weder alle Berufsgruppen des Hauses, noch die grundsätzlich höhere Bezahlung bei Tätigkeiten in der Neurologie berücksichtigt worden. „Zudem ist es nicht aussagekräftig, einen Durchschnittswert einer Branche heranzuziehen, in der oftmals nur Mindestlohn bezahlt wird“, so Pytel. Tatsächlich sei es so, dass die Mehrheit der Beschäftigten des NachsorgeZentrums unter dem Tarifniveau des öffentlichen Dienstes bezahlt werde. „Die schwere und belastende Arbeit mit massiv betroffenen Patienten wird somit in keinster Weise finanziell gewürdigt“, betont Pytel.
Verärgert äußern sich auch andere Mitarbeiter des Hauses. Beate Riedel schreibt, die Haltung der Geschäftsführung, wonach Gehaltssteigerungen nicht automatisch erfolgen sollen, sondern bei einem Mehr an Leistung, der Übernahme von Zusatzaufgaben oder einem überdurchschnittlichem Engagement, sei vor allem für langjährige Mitarbeiter „diffamierend und geringschätzend“. Im Nachsorge-Zetrum sei die Situation so, dass Mitarbeiter über Wochen und Monate Schichten und Aufgaben von erkrankten Kollegen übernehmen und viele Überstunden zu Lasten ihrer eigenen Familien machen. Mitarbeiter würden oft auch in ihrer Freizeit Therapieinhalte und Aktionen planen, um Rehabilitanden und Bewohnern aufzuzeigen, dass sie auch nach ihrer Erkrankung wieder am Leben teilhaben können. Teilweise würden sie auf eigene Kosten und in ihrer Freizeit Fortbildungen besuchen. Die tägliche Arbeit „mit viel Herzblut, Kollegialität, Fachkompetenz und Menschlichkeit“zu verrichten, sei anscheinend nicht genug, ärgert sich Riedel.
AZ-Leser Horst Koristka verweist auf zwei Mitarbeiter des Nachsorge-Zentrums in seinem Bekanntenkreis. „Beide erzählten in der Vergangenheit immer wieder von den zusätzlichen Stunden, die sie leisten, und von den Weiterbildungen, die sie absolvieren.“Auch diese Mitarbeiter hätten ihm versichert, dass sie trotz der hohen Anforderungen ihre Arbeit lieben und gerne machen. Beide hätten aber seit 16 Jahren keine Gehaltserhöhung bekommen.
Im Nachsorge-Zentrum arbeiten rund 100 Beschäftigte, darunter viele Pflegekräfte, Erzieherinnen und Therapeuten. Sie kümmern sich um die neurologische Rehabilitation, um ambulante Therapien und um ein Wohnangebot für schwer hirngeschädigte Menschen. Träger der Einrichtung sind die Max SchusterStiftung und der Bezirk Schwaben.