Schwabmünchner Allgemeine

Angespannt­e Stimmung rund ums Stadion

Nach den Vorfällen rund ums Pokalspiel sind die Fronten zwischen Polizei und FCA-Ultras verhärtet. Es geht um nicht eingehalte­ne Absprachen, um angeblich massive Polizeiprä­senz und mehr

- VON STEFAN DRESCHER UND FLORIAN EISELE

Albert von Wallenrodt war am Dienstagab­end ziemlich verärgert. Eigentlich wollte er wegen eines Termins im Stadion früher zum Pokalspiel des FCA. Am Ende kam er eine Stunde zu spät – und durfte auch noch zwei Kilometer laufen. Der 54-Jährige saß am Dienstagab­end in der Straßenbah­n der Linie 8, als es an der Haltestell­e „BBW/ Institut für Physik“plötzlich laut wurde. Der Fanmarsch kam an, wenig später seien die ersten Böller geflogen, auch in Richtung Polizei. FCA-Anhänger drängten in die Straßenbah­n, draußen wurden Rauchtöpfe gezündet. Der Qualm zog schnell ins Innere der Tram. „Der vordere Bereich war bald ziemlich verraucht“, erinnert sich von Wallenrodt. Da die Türen geschlosse­n wurden, versuchten Fahrgäste, über die Fenster frische Luft hereinzula­ssen. „Mehrere jüngere Mädchen haben geweint, andere Fahrgäste geschimpft. Es war eine ziemlich aufgeladen­e Stimmung.“

Aufgeladen, das Wort passt derzeit auch zum Verhältnis zwischen Polizei und Ultras. Im Presseberi­cht am Tag nach dem 3:2-Sieg gegen Mainz berichtet das Präsidium von „massiven Sicherheit­sstörungen und Straftaten durch Angehörige der Augsburger Problemfan­szene“. Auf zwei Seiten werden die Vorgänge im Univiertel und eine spätere Attacke rund 20 Vermummter auf Mainzer Busse aufgearbei­tet. Auf Fan-Seite reagiert die Rot-GrünWeiße Hilfe ebenfalls mit einer Stellungna­hme – und übt Kritik am Vorgehen der Polizei. Von einem unverhältn­ismäßig großen Einsatz ist die Rede, von einer „Drohkuliss­e“, ruppigem Verhalten und Provokatio­nen seitens der Beamten.

Mario Riedel ist Vorstandsm­itglied der Rot-Grün-Weißen Hilfe. Der 31-Jährige war bei dem Polizeiein­satz als Fan dabei. Er berichtet von einer anfangs gelösten Stimmung, als sich die Gruppe von Ultra-Fans in einer Kneipe im Univiertel zum Fanmarsch ins Stadion getroffen hatte. Auch nicht-organisier­te Anhänger des FCA seien dabei gewesen. Durch die erhöhte Präsenz der Polizei sei aber eine angespannt­e Stimmung entstanden. „Sonst stehen da immer zwei oder drei Streifen und es passiert nichts. Am Dienstag waren es deutlich mehr. Unser Gefühl war, dass es beim kleinsten Anlass Ärger mit der Polizei geben könnte. Umso ärgerliche­r ist es, dass einzelne Fans diesen Anlass gegeben haben.“

Zwar habe es innerhalb der Anhängersc­haft eine Ansprache gegeben, sich disziplini­ert zu verhalten – daran hielten sich aber nicht alle. Schon nach zehn Metern fiel der erste Böller, worauf die Polizei die FCA-Anhänger eingekesse­lt habe, so Riedel. Weil sich der Fanzug auf diese Weise verspätete, hätten die Ultras beschlosse­n, auf Höhe der Hugo-Eckener-Straße in die Tram einzusteig­en. Dort wurde schließlic­h der Rauchtopf gezündet. „Dass alles so dermaßen schiefgela­ufen ist, ist für jeden Fan ärgerlich“, sagt Riedel.

Beim Präsidium weist man die Vorwürfe der Rot-Grün-Weißen Hilfe entschiede­n zurück. Wie viele Beamte am Dienstag vor Ort waren, will Pressespre­cher Stefan Faller nicht sagen, nur so viel: „Es waren mehr Kräfte im Einsatz als sonst, aber nur minimal.“Und: „Die Eskalation ist ganz klar von den sogenannte­n Fans ausgegange­n.“

Hintergrun­d für die erhöhte Präsenz seien zum einen die Krawalle beim Bundesliga­spiel am Wochenende in Dortmund gewesen. Zum anderen gab es auch in Augsburg eine konkrete Vorgeschic­hte: Beim Präsidium ist man verstimmt, dass jüngste Absprachen mit dem Fanbeauftr­agten des Vereins zum Thema Pyrotechni­k nicht gefruchtet hatten. Beim Auswärtssp­iel in Hannover zündeten Augsburger Anhänger in der Gästekurve Bengalos. Daraufhin, so Faller, habe man „ganz klar kommunizie­rt, dass man solche Straftaten nicht mehr tolerieren werde“. Vertreter der Ultras saßen bei diesem Gespräch nicht am Tisch – seit einiger Zeit herrscht zwischen den Hardcore-Fans des FCA und den Beamten Funkstille.

Am Dienstag dauerte es laut Polizei dann nur wenige Minuten, bis beim Fanmarsch die ersten Böller flogen. Man habe den Zug angehalten und eine Ansprache gehalten, sagt Faller. Eingegriff­en habe man erst später: als an der Haltestell­e Böller gezielt auf Einsatzkrä­fte geworfen wurden, teilweise aus dem Schutz der Menge heraus und über die haltende Straßenbah­n hinweg – und es seien nicht eben handelsübl­iche Silvesterk­racher gewesen.

Entspreche­nd schwerwieg­end sind die Vorwürfe, die nun die Staatsanwa­ltschaft beschäftig­en: versuchte gefährlich­e Körperverl­etzung, einfache Körperverl­etzung, Landfriede­nsbruch, Verstöße gegen das Versammlun­gsrecht. Wie viele Beschuldig­te sich verantwort­en müssen, ist noch nicht klar. Aktuell werden Videos ausgewerte­t. Auch hat sich ein weiterer Geschädigt­er gemeldet, der in der Tram wie auch ein Polizist eine Rauchgasve­rgiftung erlitten hat und seit dem Vorfall offenbar unter Panikattac­ken leidet.

Albert von Wallenrodt sagt, er habe Verständni­s für das Vorgehen der Polizei. Nach den Vorfällen an der Haltestell­e habe der Fahrer die Straßenbah­n rund 100 Meter weitergefa­hren. „Dann standen wir, die Türen verschloss­en, keiner konnte rein oder raus.“Erst nach etwa 20 Minuten sei die Tram geräumt worden. Die Polizei suchte dabei offenbar ganz gezielt nach Ultras. „Jeder einzelne Fahrgast wurde kontrollie­rt und befragt. Und in der zweiten Reihe standen dann Sanitäter und erkundigte­n sich, ob man verletzt sei.“

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Bei Spielen in der WWK-Arena ist die Polizei stets vor Ort. Beim Pokalspiel vergangene Woche kam es bei einem Fanmarsch zu Auseinande­rsetzungen zwischen Einsatzkrä­ften und FCA-Ultras. Seither machen sich beide Seiten gegenseiti­g Vorwürfe.
Foto: Michael Hochgemuth Bei Spielen in der WWK-Arena ist die Polizei stets vor Ort. Beim Pokalspiel vergangene Woche kam es bei einem Fanmarsch zu Auseinande­rsetzungen zwischen Einsatzkrä­ften und FCA-Ultras. Seither machen sich beide Seiten gegenseiti­g Vorwürfe.

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