Wenn der Investor die Zahnarztpraxis kauft
Anleger steigen in Versorgungszentren ein. Das ärgert niedergelassene Ärzte, die einen Preiskampf fürchten
Frankfurt/Main „Spekulanten“, „Heuschrecken“, „Finanzjongleure“– Zahnärzte-Vertreter sparen nicht mit starken Worten, wenn es um neue Wettbewerber geht, der sich in ihr Geschäft einmischt: Finanzinvestoren. Die Investoren, die schon Pflegeheime betreiben, haben das Milliarden-Geschäft der rund 63000 Zahnärzte in Deutschland entdeckt. Das treibt die Branche um.
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) fürchtet schon einen Ärztemangel auf dem Land, weil Investoren für Versorgungszentren lukrative Städte bevorzugen würden. „Der Ausverkauf der Versorgung an Spekulanten ist die größte Bedrohung, die es im zahnärztlichen Bereich je gab“, warnt KZBVVorstandschef Wolfgang Eßer. Der Verband verhandelt mit den Kassen die Vergütungssätze für Zahnärzte. Versorgungszentren können ihre Preise freier setzen und niedergelassene Ärzte unterbieten.
Die KZBV zählt in einer Analyse sieben aktive Investoren – darunter den Fonds Nordic Capital, der die Kölner Praxis-Gruppe „Zahnstation“ gekauft hat, oder die Frankfurter Quadriga Capital, Besitzer der „Zahnärztliche Tageskliniken Dr. Eichenseer“mit 19 Standorten. Auch die Kaffee-Dynastie Jacobs mischt über ihre Investment-Holding mit, unter der Marke „Colosseum Dental Group“.
Die Investoren haben die Zahngesundheit nach einer Gesetzesänderung 2015 für sich entdeckt. Seither sind medizinische Versorgungszentren mit Ärzten aus einer Fachrichtung erlaubt, etwa um zahnärztliche Behandlungen anzubieten. Das sollte die ländliche Versorgung verbessern. Manche Finanzinvestoren nutzen nun einen Kniff: Sie kaufen Kliniken in Geldnot und verwenden sie, um Versorgungszentren zu gründen und Zahnärzte anzuschließen – auch in anderen Gegenden. Sie zentralisieren die Verwaltung und Abrechnung mit den Krankenkassen. Sie haben klare Renditeziele, wollen die Zentren mittelfristig verkaufen. „Es gibt einen klaren Trend zu Finanzinvestoren in der Zahnarztbranche“, sagt Thilo Kaltenbach, Gesundheitsexperte bei der Beratungsfirma Roland Berger. Ihr Marktanteil sei bisher klein, wachse aber. Die Investoren profitierten davon, dass eigene Praxen für junge Zahnärzte zunehmend unattraktiv werden. „Viele scheuen die hohen Investitionen eines Kaufs und das Risiko der Selbstständigkeit.“
Eine große Zahnarzt-Kette ist „Zahneins“mit Hauptsitz in Hamburg und 19 Standorten bundesweit. 2017 stieg dort der US-Fonds Summit Partners ein. Geschäftsführer Daniel Wichels hält private Investoren in der Branche für unerlässlich, um die flächendeckende Versorgung zu sichern. „Anders lässt sich das Nachfolgeproblem der niedergelassenen Zahnärzte auf dem Land nicht lösen“, meint Wichels.
Den Vorwurf der KZBV, die Versorgungszentren konzentrierten sich auf Ballungsräume, weist er zurück: „Viele unserer Standorte befinden sich in ländlichen Regionen.“Dass bundesweit die große Mehrheit der Versorgungszentren in Städten und deren Umland säßen, liege schlicht daran, dass dort die meisten Patienten wohnten. Auch würden mit Versorgungszentren in der Regel nur bestehende Praxen übernommen und lediglich rechtlich anders aufgestellt.
Die KZBV sieht ein grundsätzliches medizinisches Problem. Sie wirft privaten Anbietern vor, dass sie sich auf besonders renditestarke Bereiche konzentrieren, wie den Zahnersatz – zulasten eines ganzheitlichen Angebots. Wichels betont dagegen, dass die medizinische Leitung jedes Versorgungszentrums in den Händen der Zahnärzte liege: „Unsere Ärzte legen äußersten Wert auf eine hohe Behandlungsqualität.“
Alexander Sturm, dpa