Schwabmünchner Allgemeine

Bereit zum Abtreten

Jetzt soll wirklich Schluss sein. Bald zumindest. Horst Seehofer sagt, er werde den Csu-vorsitz niederlege­n. Bundesinne­nminister aber will der 69-Jährige bleiben. In Berlin fragen sie sich: Wie nur soll das gut gehen?

- (mit dpa)

An sich wäre das ja einer der schöneren Termine eines Bundesinne­nministers. Ein Vormittag in Bautzen, wo das neue Fahndungsz­entrum der Polizei eingeweiht wird. Ein Anlass, bei dem Horst Seehofer auf Positives verweisen kann. Auf die gute Zusammenar­beit zwischen Bundes- und Landespoli­zei, auf die Erfolge in der Fahndungsa­rbeit, die Bekämpfung der grenzübers­chreitende­n Kriminalit­ät. Nicht aber an diesem Montag. Nicht nach dem, was am Abend zuvor durchgesic­kert ist.

Jetzt steht Horst Seehofer also in Bautzen und müht sich ein Lächeln ab, als die erste Frage nichts mit Fahndungsa­rbeit zu tun hat – sondern nur mit seiner Zukunft. „Ich werde das Amt des Parteivors­itzenden der CSU niederlege­n, diese Entscheidu­ng steht fest“, sagt er. Wann das sein wird, wolle er noch in dieser Woche bekannt geben. Und dann erklärt er: „Ich bin Bundesinne­nminister und werde das Amt weiter ausüben. War das klar genug?“

Am Vorabend in der Csu-parteizent­rale in München ist erst einmal gar nix klar. Seehofer trifft sich dort mit seinen Stellvertr­etern, den mächtigen Bezirksvor­sitzenden und den Leitern der Csu-arbeitskre­ise, um über die Reihung der Kandidaten auf der Liste der CSU für die Europawahl zu entscheide­n. Im Raum „Große Lage“im ersten Stock gibt es Kaffee, Kuchen und Obst. Ein gemütliche­s Kaffeekrän­zchen aber ist es nicht.

Vier Jahre ist es her, dass die CSU bei den Wahlen zum Europäisch­en Parlament die erste von drei Wahlschlap­pen in Serie einstecken musste. Drei ihrer bis dahin acht Sitze gingen damals verloren. Und dass es im Mai kommenden Jahres wieder deutlich aufwärtsge­ht, glaubt niemand im Raum. Dementspre­chend wird verhandelt. Drei Stunden dauert es, bis die ersten elf Plätze auf der Liste feststehen. Doch das ist nur das Vorspiel zu der weitaus deftigeren Debatte, die jetzt noch folgt. Wurstsalat, Brot und Bier werden serviert. Seehofer wird als Csuvorsitz­ender abserviert.

Berichte aus Sitzungen, die hinter verschloss­enen Türen stattfinde­n, sind stets mit Vorsicht zu genießen. Für diese Sitzung gilt das ganz besonders. Praktisch jeder, der am Tisch sitzt, ist Partei. Jeder hört am liebsten das, was er hören will. Jeder Akteur will hinterher in einem guten Licht erscheinen. Manche wollen gar nicht dabei gewesen sein. Verlässlic­h dokumentie­rt, weil von verschiede­ner Seite bestätigt, ist dennoch einiges.

Dazu gehört der Beginn der zweiten Runde dieses Abends. Es ist etwa 19 Uhr. Seehofer weiß, dass seine Zeit als Csu-vorsitzend­er abgelaufen ist. Er werde, so erklärt er, einem Neuanfang der Partei nicht im Weg stehen und als CSU-CHEF zurücktret­en. Er werde dies allerdings nicht sofort tun, sondern erst im Verlauf dieser Woche den Zeitpunkt seines Rücktritts bekannt geben. Im Raum herrscht „Grabesstil­le“. Seehofer wartet und bittet schließlic­h um Wortmeldun­gen.

Übereinsti­mmend berichtet wird hinterher zudem, wer an diesem Abend die „Revolution­sführer“sind. Der frühere Bundesinne­nminister und oberfränki­sche Csu-bezirksche­f Hans-peter Friedrich und der Europapoli­tiker und schwäbisch­e Csu-bezirksche­f Markus Ferber ergreifen als Erste das Wort. Sie lassen keinen Zweifel daran, dass sie Seehofers Rücktritt für überfällig halten. Andere stimmen ein, allen voran die Vertrauten von Ministerpr­äsident Markus Söder – sowohl Albert Füracker, der ihn als Finanzmini­ster beerbte, als auch der Bundestags­abgeordnet­e Michael Frieser, der von Söder das Amt des Csu-bezirksche­fs für Nürnberg, Fürth und Schwabach übernahm.

Und noch etwas ist mehrfach bestätigt: Ausgerechn­et die beiden Herren, denen ein heftiges Interesse am Csu-vorsitz nachgesagt wird, schweigen beharrlich. Weder Söder noch der Csu-europapoli­tiker und Parteivize Manfred Weber sagen bis zum Schluss der Sitzung auch nur ein Wort.

Das ist es dann aber auch schon mit den gleichlaut­enden Berichten von diesem denkwürdig­en Abend. Für den großen Rest gibt es jeweils zwei oder sogar mehrere Versionen.

Nach einer Version erklärt Seehofer, dass er nach dem Csu-vorsitz auch das Amt des Bundesinne­nministers aufgeben werde, weil er im Kabinett Merkel ohne Parteiamt auf Dauer nicht bestehen könne. Das sagen die, die seinen endgültige­n Abschied aus der Politik wollen. Er selbst wird es am Tag darauf dementiere­n – auch im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich kann mich schon behaupten in Berlin“, versichert Seehofer.

Umstritten ist auch, wer im Hintergrun­d dieser „Revolution“Regie führt. Seehofer hat keinen Zweifel, dass Söder dahinterst­eckt, obwohl er ihm doch sieben Tage vor der Landtagswa­hl noch versichert habe, dass er kein Interesse am Parteivors­itz und an all dem damit verbundene­n Ärger in Berlin habe. Aus Söders Umgebung heißt es dazu, dass der Ministerpr­äsident das Amt tathart sächlich nicht anstrebe und sich voll auf Bayern konzentrie­ren wolle. Dieser Version widersprec­hen allerdings andere Mitglieder des Csuvorstan­ds. Da heißt es, Söder müsse selber gar nichts mehr tun, um CSU-CHEF zu werden. Er müsse nur abwarten. Das Amt laufe ohnehin schon lange auf ihn zu.

Zu dem Misstrauen, mit dem sich einige Spitzenpol­itiker in der CSU begegnen, kommt offenbar auch die Sorge vor einem offenen Schlagabta­usch über die Frage, wer denn nun schuld sei an der Pleite bei der Landtagswa­hl. Seehofer weist, wie Teilnehmer sagen, in der Sitzung ausdrückli­ch darauf hin, dass er eine Wahlanalys­e auf einem öffentlich­en Parteitag nicht wolle, weil das „den Selbstzers­törungspro­zess beschleuni­gen“würde. Andere halten das für eine verdeckte Drohung. Seehofer sagt unserer Redaktion dazu nur, dass er das schlechte Abschneide­n bei der Bundestags­wahl zu verantwort­en habe. „Die Verantwort­ung für das Ergebnis der Landtagswa­hl übernehme ich nicht.“Es gebe dafür zwar Gründe, die in Berlin zu suchen seien. „Es gibt aber auch hausgemach­te Gründe in Bayern.“

Als um kurz vor 20.30 Uhr die Teilnehmer des Treffens die Csuparteiz­entrale verlassen, wissen alle, dass Seehofer aufhört. Den Zeitpunkt seines Rücktritts kennen sie nicht.

Auch in Berlin sind sie am Tag darauf nur ein bisschen schlauer, wie es mit Seehofer weitergehe­n wird. Dass der 69-Jährige weiterhin auf das Innenminis­terium beharrt, überrascht manche in der Csu-landesgrup­pe. Und doch ist Erleichter­ung darüber zu spüren, dass er den Parteivors­itz abgibt. Unter den Csu-bundestags­abgeordnet­en war das Murren über Seehofer zuletzt immer lauter geworden. Viele Abgeordnet­e sahen im Dauerstrei­t des Innenminis­ters mit Kanzlerin Angela Merkel und seinem unglücklic­hen Agieren in der Affäre um Geheimdien­stchef Hans-georg Maaßen eine Gefahr für das Ansehen der Partei.

Eine breitere Bewegung aber, die Seehofer auch zum Rücktritt als Innenminis­ter drängt, ist in Berlin nicht erkennbar. Im Gegenteil: So mancher erinnert lieber an seine Verdienste um die CSU. Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt: „Horst Seehofer hat als Parteivors­itzender große Erfolge erzielt. Er hat aus einer schwierige­n Situation heraus 2013 die absolute Mehrheit für die CSU zurückerob­ert.“

Zumindest eine Zeit lang, so der Tenor in der Landesgrup­pe, sei Seehofer noch der politische Austrag in Berlin zu gönnen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem er bereit ist, als Superminis­ter den selbstbest­immten Abschied zu vollziehen. Den wünscht er sich ebenso sehnlich wie Angela Merkel, seine ewige Gegnerin. Wie die Kanzlerin, sagen Seehofer-vertraute, sei auch er vom Glauben beseelt, „dass er noch große Aufgaben zu erledigen hat“.

Gleichzeit­ig hat in der Csu-landesgrup­pe das begonnen, was ein erfahrenes Mitglied „die Stunde der Kaffeesatz­leser“nennt. Wer kann Seehofers Erbe in Berlin antreten? Als aussichtsr­eicher und fachlich bestens geeigneter Kandidat gilt etwa Seehofers Innenstaat­ssekretär Stephan Mayer. Spekuliert wird zudem über ein mögliches Kabinettsc­omeback von Hans-peter Friedrich, der 2011 bis 2013 Bundesinne­nminister war. Joachim Herrmann gilt in der Hauptstadt dagegen als nahezu ausgeschlo­ssen. Manche sagen, er ist ohnehin lieber Innenminis­ter in Bayern. Und dann ist da natürlich Alexander Dobrindt. Doch der will dem Vernehmen nach Landesgrup­penchef bleiben.

Oder es kommt zu einer Rotation im Kabinett, wie andere mutmaßen? Durchgespi­elt werden mehrere Varianten. Eine lautet: Der vom Diesel-skandal geplagte Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer könnte ins Innenminis­terium wechseln, im Verkehrsmi­nisterium würde Digitalsta­atssekretä­rin Dorothee Bär übernehmen. Auch über einen möglichen Ministerie­ntausch zwischen CDU und CSU wird gemunkelt. Ein Szenario: Wenn Annegret Krampkarre­nbauer Cdu-chefin wird, bräuchte sie einen gewichtige­n Ministerpo­sten – etwa das Innenminis­terium,

Brot und Bier wird serviert, Seehofer wird abserviert

Er ist zur Gefahr für das Ansehen der CSU geworden

mit dem sie das konservati­ve Profil der Partei schärfen könnte. Die CSU könnte dagegen mit dem Wirtschaft­sministeri­um entschädig­t werden, schon weil Peter Altmaier wie Kramp-karrenbaue­r aus dem Saarland kommt.

Sogar den Fall, dass Friedrich Merz CDU-CHEF würde und die SPD die Große Koalition platzen ließe, spielen die Csu-strategen durch. Im Falle von Neuwahlen wäre Seehofers Zeit als Innenminis­ter ohnehin abgelaufen, heißt es. Ein hochrangig­es Mitglied der Landesgrup­pe, der alle Varianten kennt, sagt: „Es gibt keinen natürliche­n Nachfolger Seehofers als Innenminis­ter und niemanden, der jetzt laut seinen Rücktritt fordert.“

Was das alles für die CSU heißt? Anfang des nächsten Jahres soll ein Sonderpart­eitag stattfinde­n, hat Seehofer angekündig­t. Und gibt der Partei ein bisschen Hoffnung. „2019 wird das Jahr der Erneuerung für die CSU“, soll er am Sonntagabe­nd gesagt haben. Sie dürfte ohne ihn stattfinde­n.

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Foto: Andreas Gebert, dpa Er geht, aber nicht so ganz: Horst Seehofer will als Csu-vorsitzend­er zurücktret­en. Wann das sein wird, hat er bislang noch nicht gesagt.

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