Ganz normale Superhelden
Stan Lee erschuf „Spider-man“, „Hulk“und „X-men“. Jetzt ist er im Alter von 95 Jahren gestorben
New York/los Angeles Vielleicht kam der Moment, als Comics endgültig im Mainstream angekommen waren, im November 2008. Stan Lee trat im East Room des Weißen Hauses auf das Podium, um sich vom damaligen Us-präsidenten George W. Bush die National Medal of Arts umhängen zu lassen, die höchste Kunstauszeichnung der Usregierung. Der Schöpfer von „Spider-man“, „Hulk“und den „X-men“stach aus den eher im Hintergrund aktiven Comicautoren heraus und prägte das Genre. Nun ist Lee mit 95 Jahren gestorben, wie
und am Montag unter Berufung auf Lees Tochter und deren Anwalt berichteten.
Der 1922 in New York geborene Stanley Martin Lieber, Sohn rumänischer Einwanderer, war noch ein Teenager, als er 1939 als Assistent beim Verlag Timely Comics begann,
TMZ
Variety
der später Marvel heißen sollte. Seine Lückenfüller-texte in Ausgabe 3 des „Captain America“-comics im Jahr 1941 werden als Debüt in einer Karriere voller „POW!“und „BANG!“gesehen. Kurz darauf schuf er mit „Destroyer“seine erste eigene Comicfigur und stand mit dem Künstlernamen Stan Lee im Heft, was später auch sein bürgerlicher Name wurde.
Die anderen zwei Mitarbeiter überwarfen sich mit dem Verleger, und so schmiss der Junge aus der Bronx den Laden kurzerhand allein. Seine 1961 mit Zeichner Jack Kirby entwickelten „Fantastic Four“wurden zum Konterentwurf der „Justice League“vom Rivalen DC Comics, zu der unter anderem „Superman“, „Batman“, „Wonder Woman“und „Green Lantern“zählten. Die vier Astronauten, die nach einem Vorfall im Weltall übernatürliche Kräfte haben, machten Marvel zu einer treibenden Kraft im wachsenden Comic-universum. Ein Jahr darauf folgte „Spider-man“.
Sogar eine eigene „Marvel-methode“wird Lee zugeschrieben, mit der die Hefte noch schneller produziert werden konnten: Statt dem im Voraus üblichen Drehbuch gab er nur grobe Angaben zum Verlauf einer Geschichte und den Zeichnern damit sehr freie Hand. Insgesamt schuf Lee mit Kirby, Steve Ditko und anderen Kollegen rund 350 Comicfiguren. Mit seinem Konterfei – weiße Haare, Schnurrbart, Fliegersonnenbrille – wurde er selbst eine Art Meta-superheld.
Lee setzte anders als die Konkurrenz auf menschliche, natürliche Seiten der übernatürlichen Helden: „Daredevil“ist blind, „Hulk“hat unkontrollierte Wutausbrüche. Auch die „X-men“-figuren haben körperliche, geistige oder Verhaltensschwächen. Und Streber Peter Parker, der als „Spider-man“, ein Ungeziefer, die Wände von Hochhäusern erklimmt, sollte als „durchschnittlicher, schludriger Junge“erscheinen, sagte Lee. „Batman“lebt dagegen privat als Millionär Bruce Wayne, „Superman“kommt als allmächtiger Adonis vom Himmel geflogen. „Ich wusste nie, wer diese Charaktere sind“, sagte Lee 2013 mit Blick auf Helden anderer Verlage. „Übernatürliche Kräfte heißen denke ich nicht, dass es keine Charakterschwächen gibt, Familienprobleme oder sogar Geldsorgen. Ich habe versucht, Figuren als menschliche Wesen zu schreiben, die auch übernatürliche Kräfte haben.“
Lees eigene Schwäche war ihm zufolge, dass er mit seinen Erfindungen nicht viel Geld verdiente, auch nicht als Marvel-verleger und Chefredakteur. „Ich war geschäftlich gesehen dumm. Ich hätte gieriger sein sollen“, sagte er 2017 – sein Vermögen wurde allerdings auf rund 50 Millionen Dollar geschätzt. Dem zufolge lieferte sich Lees Tochter J.C. mit dem Vater bittere Kämpfe über die Zukunft des Vermögens. Lees Ehefrau Joan starb 2017 im Alter von 93 Jahren.
Hollywood Reporter