Schwabmünchner Allgemeine

Gekonnte Sprünge über Asphalt und Beton

Sport Hinter Parkour stehen körperlich­e Fähigkeite­n und eine eigene Philosophi­e

- VON MARIA HEINRICH

Welden Bei vielen Parkour-Videos im Internet bleibt dem Betrachter vor Erstaunen erst mal der Mund offen stehen. Denn in den Clips zeigen die Sportler waghalsige Manöver, wie sie über Mauern springen, über Geländer balanciere­n oder sich an Stangen entlanghan­geln. „Dabei geht es eigentlich nur darum, von Punkt A zu Punkt B zu kommen und dabei Hinderniss­e zu überqueren“, erklärt Florian Bach aus Emersacker. Seit sieben Jahren ist der 23-Jährige Traceur. So heißen die Parkourläu­fer.

Florian Bach ist Mitglied bei Parkour-One, einer Augsburger Community, die den Sport gemeinsam ausübt. „Unsere Gruppe hält sich an drei wichtige Regeln.“Erstens: Immer effektiv sein und das Ziel erreichen. Zweitens: Sich immer effizient über die Hinderniss­e bewegen, dabei Kraft sparen und flüssige Bewegungen ausführen. Und drittens: Sich immer die Geschichte von Parkour bewusst machen. „Es gibt in der Szene viele unterschie­dliche Definition­en von Parkour. Unsere Art heißt TruSt. Das bedeutet, dass wir Parkour in Bereichen wie Geschichte und Sportwisse­nschaft erforschen und das an unsere Schüler weitergebe­n.“

Zum historisch­en Hintergrun­d: In den Achtzigerj­ahren gründete der Franzose David Belle in den Vororten von Paris die erste ParkourGru­ppe. „Man kann sich das gut vorstellen, dort gibt es schließlic­h viele Hochhäuser, Mauern und Beton“, sagt Florian Bach. Der Vater von David Belle, Raymond Belle, war ein ehemaliger Vietnamsol­dat, der seinem Sohn beibrachte, wie man sich in der Natur effizient bewegt und auf der Flucht vor dem Feind flüssig Hinderniss­e überquert. David Belle hat diese Bewegungen und den Fluchtgeda­nken in die urbane Umgebung übertragen.

Die Augsburger Community lebt diese Historie und will ihre Philoso- phie auch an den Nachwuchs weitergebe­n. Florian Bach ist bei Parkour-One Headcoach und betreut die Anfänger. „Das Allererste, was man lernt, ist sicher zu landen. Man baut bei den Hinderniss­en viel Schwung auf. Deshalb müssen Anfänger wissen, wie sie die Geschwindi­gkeit abfangen, ohne sich die Gelenke und Knochen kaputtzuma­chen.“

Neben den Grundlagen vermitteln Bach und seine Teamkolleg­en den jungen Traceuren außerdem ihr Sechs-Werte-System: die FünfFinger-und-Faust-Philosophi­e. Er erklärt: Der Daumen steht für die Konkurrenz­freiheit. „Das gefällt mir am besten. Wir trainieren immer miteinande­r, nie gegeneinan­der. Bei uns gibt es keine Wettkämpfe.“Der Zeigefinge­r ist die Sicherheit. Der Mittelfing­er steht für den Respekt. „Das ist mit Absicht so.“Der Ringfinger symbolisie­rt das Vertrauen, der kleine Finger die Bescheiden­heit. „Und die Faust sind alle Werte zusammen. Das ist der Mut.“

Und er betont: „Das ist nur unsere Philosophi­e. Es gibt auch ganz andere Vorstellun­gen und Diskussion­en, was die Sportart auszeichne­t.“

Alle Definition­en verbindet aber, dass die Sportler bei Parkour ein breites Repertoire an Übungen haben. Sie haben meistens einen englischen oder französisc­hen Namen und sind alle sehr natürlich. „Über Hinderniss­e zu rennen ist ja aus evolutionä­rer Sicht eine natürlich Bewegung, die im Menschen drinsteckt“, erklärt Bach. Kinder tun sich seiner Erfahrung nach oft leichter mit den Übungen. „Das steckt noch in ihnen drin. Den Älteren muss ich das oft mühsam erklären.“

Sein Tipp für alle Anfänger ist außerdem: „Sich nicht von den Videos im Internet beeinfluss­en lassen, sondern immer auf die Sicherheit achten. Das ist das Wichtigste.“Wenn es am Anfang auch mal länger dauert, bis die Bewegungen sitzen, sollten sich Anfänger nicht frustriere­n lassen. „Jeder hat außerdem seinen eigenen Stil, den er erst mal finden muss.“

Was allerdings alle können müssen, ist der Katzenspru­ng, eine Grundlagen­technik im Parkour. Der ist ähnlich wie ein Bocksprung, bei dem man nach vorne hechtet und sich mit den Händen über das Hindernis zieht. „Trotzdem ist meiner Meinung nach immer das Wichtigste, dass sich die Bewegung natürlich und gut im Körper anfühlt.“

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Florian Bach aus Emersacker betreibt seit sieben Jahren Parkour. Der Traceur – so nennen sich die Parkourläu­fer – weiß genau, wie er Hinderniss­e vor dem Weldener Rathaus überqueren muss, ohne sich dabei zu verletzen. Die wichtigste Lektion dabei ist immer das Landen.
Fotos: Marcus Merk Florian Bach aus Emersacker betreibt seit sieben Jahren Parkour. Der Traceur – so nennen sich die Parkourläu­fer – weiß genau, wie er Hinderniss­e vor dem Weldener Rathaus überqueren muss, ohne sich dabei zu verletzen. Die wichtigste Lektion dabei ist immer das Landen.
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