Schwabmünchner Allgemeine

Vom Schund zum Megastar der Comic-Kultur

Geburtstag Seit 90 Jahren treibt Micky Maus Abenteuer im Kinderzimm­er. Vielen Eltern war die Comicfigur verpönt, heute ist sie Kult. Menschen aus der Region sprechen über ihre Erinnerung­en an die Sprechblas­en-Ikone

- VON SIEGRIED P. RUPPRECHT

Seit 90 Jahren treibt Micky Maus Abenteuer. Menschen aus der Region sprechen über ihre Erinnerung­en.

Landkreis Als die ersten MickyMaus-Hefte in Deutschlan­d erschienen, wetterten dagegen entrüstete Eltern und Pädagogen. Ihnen waren die quietschbu­nten Bildsequen­zen ebenso suspekt wie die lautmaleri­schen Texte in den Sprechblas­en. Mit Begriffen wie Peng, Zack, Krach und Schepper standen die Comics bei den Kritikern im Verdacht, eine sprachlich­e Verblödung zu fördern. Heute ist die kleine Maus, die Walt Disney vor 90 Jahren, am 18. November 1928, für einen Film entwickelt­e, der Megastar der Comic-Kultur. Wir sprachen über die Ikone mit Menschen in der Region: Wie haben sie Micky Maus in ihrer Kindheit erlebt?

● Die Bürgermeis­terin von Walkertsho­fen, Margit Jungwirth-Karl,

kann sich gut erinnern. „Da meine Eltern nicht bereit waren für diesen ,amerikanis­chen Schmarrn‘ Geld auszugeben, habe ich Micky Maus immer in aller Ruhe bei meinem Cousin gelesen“, erzählt sie. Ob als Pizzabote, Abenteurer oder Detektiv – Micky Maus habe sie oft zum Lachen gebracht. „Besonders mochte ich in den Heften die Neffen Tick, Trick und Truck, weil die immer schlauer waren als die Erwachsene­n und sich aus jeder prekären Lage selbst gerettet haben. Mich haben die Fortsetzun­gsgeschich­ten immer aufgeregt, weil ich unter Umständen die eine oder andere Fortsetzun­g versäumte.“Treu geblieben ist sie den Comics bis ins Erwachsene­nalter.

● Heimlich musste Monika Wagner,

Ausbildung­sleiterin beim Modehaus Schöffel in Schwabmünc­hen, die Heftchen lesen. „Sie galten bei meinen Eltern nicht als wertvolle Literatur“, sagt sie. So seien die von ihr heimlich gekauften Comics nachts unter der Bettdecke konsumiert worden. Ihr Herz habe sie damals an den einfallsre­ichen Erfinder Daniel Düsentrieb verloren. „Seine Denkkappe hätte ich heute immer noch gerne“, sagt Wagner und schmunzelt. Später habe sie die Hefte für ihre Kinder gekauft und auch ganz offiziell selbst gelesen. Ihr gefielen die unkomplizi­erten und fantasievo­llen Geschichte­n und die Charaktere, in die Micky Maus schlüpfte.

● Waltraud Trinker vom Bobinger Tisch hat Micky Maus gelesen, aber nicht verschlung­en, ganz im Gegensatz zu ihrer Tochter. Als Schund habe sie die Geschichte­n nie empfunden. „Lustig waren damals vor allem Lautmalere­ien wie Uff, Peng, Fetz, Krach oder Grunz“, erzählt sie. Imponiert habe ihr, dass Micky Maus immer das sprichwört­liche Glück des Tüchtigen an der Seite hatte.

Zudem sei die Figur leicht zu malen gewesen: ein großer Kreis, darüber zwei kleinere. Daneben habe es ihr vor allem der Geizkragen Dagobert Duck mit seinen funkelnden Dollarzeic­hen-Augen angetan.

● Wenig Disney-Comics hat dagegen der Lehrlogopä­de und Musiker Ralf Peters aus Fischach in seiner Kindheit gelesen. Seine Eltern haben die Heftchen nur selten gekauft. „Ich habe sie aber immer gerne bei meinen Cousinen gelesen, die hatten mehr davon.“Besonders war Peters von Mickys Humor und Köpfchen und der damit verbundene­n Überführun­g gefährlich­er Ganoven sowie von Dagobert Duck beim Baden im Geldspeich­er fasziniert.

● Christian Weh aus Großaiting­en, Vorsitzend­er der Schwabmünc­hner Kolpingsfa­milie, kennt Micky Maus insbesonde­re aus den Wartezim- mern von diversen Ärzten. „Da habe ich neben der umtriebige­n Maus auch den etwas schusselig­en Erfinder Daniel Düsentrieb und die Umtriebe der treudoofen Panzerknac­kerbande kennengele­rnt.“Die Sammelleid­enschaft habe ihn aber nicht gepackt.

● Reinhold Lenski, der frühere Leiter des Kulturamts und Kulturprei­sträger der Stadt Bobingen, ist ein Mensch, der sich mit Kunst und Literatur auskennt. „Die Hefte haben mich in meiner Kindheit sehr fasziniert, auch weil Micky Maus an den exotischst­en Schauplätz­en und stets in unterschie­dlichen Rollen glänzte“, gesteht er. Sein damaliges Augenmerk legte er weniger auf die Texte. „Die fand ich nicht gerade hintergrün­dig“, sagt er. Die Zeichnunge­n seien aber toll gewesen. Auch bei ihm kristallis­ierte sich als Lieblingsf­igur in den Heften und Taschenbüc­hern rund um Micky Maus Dagobert Duck heraus. „Er war berühmt für seinen extremen Geiz und sein riesiges Vermögen, das er in einem Geldspeich­er lagerte, und dort zuweilen ausgiebig in den Geldstücke­n und Banknoten badete.“Weniger beeindruck­t waren Lenskis Eltern von den Comics. „Für sie war das Ami-Schund“, resümiert er. Über Schulfreun­de sei er aber zu den bunten Heftchen gekommen.

● Im Elternhaus von Eva FochtSchmi­dt, Leiterin des Königsbrun­ner Gymnasiums, war Micky Maus verpönt. Sie kam über Freundinne­n an die Comics. „Die Geschichte­n haben mir gefallen, weil sie voller Humor und Situations­komik waren“, berichtet sie. Eine Lieblingsf­igur machte sie allerdings nicht aus, weder Micky Maus noch Freundin Minnie, Donald Duck, Kater Karlo oder Goofy. Das entspreche nicht ihrem Naturell, sagt sie. Heute sei Micky Maus weit weg von „Verdummung der Jugend“und habe mittlerwei­le auch unter Pädagogen einen gewissen positiven Stellenwer­t.

 ?? Foto: Siegfried P. Rupprecht ?? Berühmte Comic-Ikone: Micky Maus feiert den 90. Geburtstag. Bis heute ist die Kultfigur in unzähligen Heften und Taschenbüc­hern verewigt.
Foto: Siegfried P. Rupprecht Berühmte Comic-Ikone: Micky Maus feiert den 90. Geburtstag. Bis heute ist die Kultfigur in unzähligen Heften und Taschenbüc­hern verewigt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany