Schwabmünchner Allgemeine

Scheitert Weber an Macron?

Hintergrun­d Ob der christdemo­kratische Spitzenkan­didat für die Europawahl am Ende auch neuer Kommission­spräsident wird, ist noch offen. Warum der Kreis, der in Brüssel an einen Erfolg des Bayern glaubt, derzeit überschaub­ar klein ist

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Am Wochenende verzichtet­e er darauf, eine Bewerbung als neuer CSU-Chef abzugeben, und überließ den Posten kampflos Markus Söder. Dass dieser Schritt Manfred Webers, inzwischen christdemo­kratischer Spitzenkan­didat für die Europawahl 2019, auch in Brüssel aufmerksam registrier­t wurde, zeigt: Der CSU-Politiker muss einige Fallstrick­e umgehen, die ihm auf dem Weg in Europas mächtigste­s Amt im Weg sein könnten.

Denn seit seiner Nominierun­g durch die Europäisch­e Volksparte­i (EVP) Anfang November in Helsinki hatten (nicht nur) Parteifreu­nde auf den 46-jährigen Niederbaye­rn eingeredet: Zwar verbietet der offizielle Verhaltens­kodex der Europäisch­en Kommission nicht, dass deren Präsident auch einen Führungsjo­b in seiner heimatlich­en Partei einnimmt. Sicher schien jedoch, dass es Weber schaden würde. Schließlic­h hätte eine strikte politische Positionie­rung auf CSU-Linie einen schnellen Durchmarsc­h verhindert. Sind Webers Chancen, der zweite deutsche Kommission­spräsident – 51 Jahre nach Walter Hallstein – zu werden, also jetzt gestiegen?

Wer sich in den Tagen seit seiner Wahl nun in Brüssel umhört, hört viel Positives über Weber, der als Chef der größten Fraktion im Europäisch­en Parlament natürlich bestens vernetzt und hinlänglic­h bekannt ist. Dennoch gilt die Zahl derjenigen, die ihn quasi automatisc­h schon sicher als nächsten Kommission­schef sehen, als überschaub­ar.

Zwar habe er, so heißt es, die spürbare Unterstütz­ung der Bundeskanz­lerin und natürlich seiner Partei. Solidaritä­tsadressen von anderen Regierungs­chefs aber fielen eher zurückhalt­end aus, sieht man von dem österreich­ischen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz ab. Vor allem Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron wird nachgesagt, er wolle den Deutschen nicht unterstütz­en.

Ob das wirklich mehr als nur Kaffeesatz-Leserei ist, lässt sich kaum ausmachen, nachvollzi­ehbar erscheint es allerdings. Schließlic­h sucht Macron für sich und seine Partei „La République en Marche“noch eine politische Heimat im Gefüge des EU-Parlamente­s. Dabei sieht er sich gerade heftigen Werbeversu­chen der Liberalen und vor allem von deren Chef Guy Verhofstad­t ausgesetzt, der ihm sozusagen ein Traumangeb­ot unterbreit­et hat: eine Fraktionsg­emeinschaf­t, bei der die Macron-Partei alle Eigenständ­igkeit bewahren könnte. In dieser Konstellat­ion wäre Weber ohne Unterstütz­ung des wichtigste­n deutschen Partners.

Diese Arithmetik spielt vor allem deshalb eine wichtige Rolle, weil bisher niemand voraussage­n kann, wie die Gewichte in der künftigen, wegen des Brexits verkleiner­ten EUAbgeordn­etenkammer verteilt sind.

Manche Schätzunge­n gehen von bis zu einem Drittel Parlamenta­riern aus EU-skeptische­n oder gar gegnerisch­en Parteien wie den Rechtspopu­listen aus. Damit würde die Verfügbark­eit einer Mehrheit in der Mitte des politische­n Spektrums noch kleiner – ohne Hilfe von Sozialdemo­kraten, deren Stärke kaum vorherzusa­gen ist, Grünen und Liberalen dürfte der künftige Kommission­spräsident nicht gewählt werden können. Ist Weber aber dieser Kandidat der Mitte? Oder würde die Kanzlerin am Ende sogar den Kandidaten austausche­n – beispielsw­eise gegen Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU), einen ausgewiese­nen Kenner Europas, mehrsprach­ig und übrigens immer noch mit einem Arbeitsver­trag als EU-Beamter in der Tasche?

„Es gibt keinen Automatism­us“, heißt es gerade in Brüssel vielfach. Denn hinzu kommt noch ein weiteres Problem: Nach den Europawahl­en werden die Staats- und Regierungs­chefs ein parteipoli­tisch ausgewogen­es Personalta­bleau für die diversen frei werdenden Jobs schneidern müssen. Neben dem Kommission­schef sind die Stühle des EURatspräs­identen (derzeit Donald Tusk), des Parlaments­präsidente­n (heute Antonio Tajani), der oder des Außenbeauf­tragten (Federica Mogherini) und des Präsidente­n der Europäisch­en Zentralban­k (noch bis November 2019 Mario Draghi) zu

Tauscht Merkel ihn am Ende gegen einen CDU-Mann aus?

besetzen. Die Nato sucht parallel dazu einen neuen Generalsek­retär.

Bisher hieß es, die Kanzlerin habe Macron zugesicher­t, er könne den Chefsessel der EZB mit einem eigenen Mann besetzen, wenn Deutschlan­d dafür den Topjob der Kommission bekomme. Es gibt durchaus Spekulatio­nen, die beiden könnten nach der Wahl und im Falle von Schwierigk­eiten für Weber ihre Absprachen tauschen: Dann wäre vermutlich doch der Weg für den heutigen Bundesbank-Präsidente­n Jens Weidmann zur EZB frei. Macron könnte die Kommission französisc­h besetzen. Einen Namen für diese Variante gibt es auch bereits: Michel Barnier, der sich als EU-Chefunterh­ändler für die Brexit-Verhandlun­gen europaweit hohes Ansehen erworben hat. Was die Vertreter dieser Theorie allerdings übersehen, ist die Rolle Italiens.

Denn Rom ist derzeit mit drei Politikern an der Spitze der EU vertreten (Mogherini, Draghi und Tajani) und sollte um der guten Beziehunge­n willen nicht völlig leer ausgehen. Was würde dann aber aus Manfred Weber? Mit seiner Nominierun­g zum Spitzenkan­didaten habe er zumindest ein herausrage­ndes Amt sicher, mutmaßen einige in Brüssel: Er würde in jedem Fall – mindestens – deutscher EU-Kommissar. Die Frage ist, ob ihm das genügt. Und wie viel davon Wahrheit wird, was die Gerüchtekü­che da gerade zusammenmi­scht.

 ?? Foto: Badias, dpa ?? CSU-Politiker Manfred Weber könnte, wenn die Christdemo­kraten die Europawahl gewinnen, mit über 50 Jahren Abstand der erst zweite deutsche Präsident der EU-Kommission werden. Doch der Bayer hat mächtige Gegner.
Foto: Badias, dpa CSU-Politiker Manfred Weber könnte, wenn die Christdemo­kraten die Europawahl gewinnen, mit über 50 Jahren Abstand der erst zweite deutsche Präsident der EU-Kommission werden. Doch der Bayer hat mächtige Gegner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany