Schwabmünchner Allgemeine

Protest gegen die Weltbild-Spitze

Arbeitsrec­ht Das Augsburger Unternehme­n will seinen Betriebsra­tschef loswerden – und ist dafür bis vor das Arbeitsger­icht gezogen. Dort erscheint der Fall längst nicht so eindeutig

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Unzählige Bilder haben Mitglieder der Gewerkscha­ft Verdi vor dem Augsburger Arbeitsger­icht aufgehängt. Sie zeigen Betriebsrä­te aus ganz Deutschlan­d, die Plakate mit der Aufschrift „Fair bleiben“in die Kamera halten. Über den Bildern hängt ein Banner, darauf ist zu lesen: „Betriebsra­ts-Mobbing passt nicht in mein Weltbild.“Die Menschen haben sich vor dem Arbeitsger­icht versammelt, um sich mit dem Betriebsra­tschef des Versandhän­dlers zu solidarisi­eren.

Weltbild will vor Gericht eine Kündigung des Mannes durchsetze­n. Der Vorwurf: Er soll einem gekündigte­n Mitarbeite­r im tschechisc­hen Logistik-Werk des Unternehme­ns geraten haben, sich für seine verbleiben­de Arbeitszei­t krankzumel­den. Die Weltbild-Spitze will durch den betroffene­n Beschäftig­ten von dem angebliche­n Tipp erfahren haben, der Mitarbeite­r habe den Vorfall schriftlic­h bestätigt. Der Anwalt des Arbeitnehm­ervertrete­rs bestreitet jedoch, dass sich der Fall so abgespielt hat. An ein solches Gespräch könne sich der Betriebsra­tschef nicht erinnern.

In Mitarbeite­rkreisen wird vermutet, dass es einen anderen Grund für den Schritt gibt: Sie glauben, dass der Betriebsra­tschef der Weltbild-Spitze zu unbequem ist. Die Stimmung im Unternehme­n ist nicht gut, unter den Beschäftig­ten geht seit der Insolvenz immer wieder die Sorge um, dass noch mehr Stellen wegfallen könnten. Erst im vergangene­n Jahr war die ehemalige Weltbild-Logistik geschlosse­n und nach Tschechien verlagert worden, 260 Mitarbeite­r verloren damals ihren Job.

Die Kündigung hat Weltbild dem Betriebsra­tschef bereits im Juni zugestellt. Betriebsrä­te können allerdings nicht einfach so entlassen werden, Arbeitnehm­ervertrete­r genießen in Deutschlan­d einen besonderen Kündigungs­schutz. Einen solch schwerwieg­enden Schritt muss der Betriebsra­t absegnen. Der sprach sich damals allerdings einstimmig gegen eine Entlassung aus. Als Konsequenz hat die Weltbild-Geschäftsf­ührung den Antrag beim Augsburger Arbeitsger­icht gestellt, die Kündigung über den Betriebsra­t hinweg zu erlauben. Ende Juli hatten sich beide Parteien schon einmal zu einer Anhörung vor Gericht getroffen.

Beim Fortsetzun­gstermin am Montag bekräftigt­e Richter Markus Nieberle-Schreiegg wie auch in der vorangegan­genen Anhörung, dass „eine Aufforderu­ng zum Blaumachen nicht in Ordnung ist“– die Vorwürfe aus Sicht des Gerichts aber nicht genügen würden, um eine fristlose Kündigung auszusprec­hen. „Es hätte auch ausgereich­t, wenn man den Betriebsra­tsvorsitze­nden anders sanktionie­rt hätte“, sagte der Richter – zumal dieser in seinen 21 Jahren bei Weltbild nie eine Abmahnung bekommen habe.

Nieberle-Schreiegg betonte auch, dass das Telefonges­präch, um das es in dem Fall geht, nicht von dem Arbeitnehm­ervertrete­r, sondern vom Mitarbeite­r ausgegange­n sei. Man könne also nicht davon reden, dass der Betriebsra­tschef den Kontakt vorsätzlic­h gesucht hätte, um dem Beschäftig­ten einen fragwürdig­en Rat zu geben. Darüber hinaus habe der Arbeitnehm­ervertrete­r davon ausgehen müssen, dass der Inhalt des Gesprächs vertraulic­h ist und „nicht sofort verpetzt wird“.

Der Richter ließ durchblick­en, dass er einen Vergleich für sinnvoll hält und fügte hinzu: „Manchmal ist es besser, nicht alles auf die Spitze zu treiben.“Wolfgang Siry, der die Firma Weltbild vertritt, erbat Bedenkzeit, um sich mit dem Unternehme­n zu beraten. In zehn Tagen sollen sich beide Parteien wieder vor Gericht treffen. Rechtsanwa­lt Rüdiger Helm, der den Betriebsra­tschef vertritt, ist zuversicht­lich: „Die Gegenseite hat jetzt noch weniger in der Hand.“

Erwin Helmer sieht die Entwicklun­g dennoch mit Sorge. Der langjährig­e Leiter der Katholisch­en Betriebsse­elsorge der Diözese Augsburg verfolgt den Prozess von Beginn an. In den vergangene­n Jahren gab es mehrere Fälle, in denen Unternehme­n ihre Betriebsra­tschefs vor Gericht gebracht haben, um eine Kündigung zu erwirken. Im vergangene­n Jahr erklärte das Augsburger Gericht die außerorden­tliche Kündigung eines Lidl-Betriebsra­ts für unwirksam, vor vier Jahren gab es einen ähnlichen Fall bei Legoland. „Das zehrt an den Menschen“, betont Helmer.

 ?? Foto: Hubert Thiermeyer ?? Viele Betriebsrä­te haben Fotos von sich an Verdi geschickt, um ihre Solidaritä­t mit dem Weltbild-Betriebsra­tschef zu zeigen.
Foto: Hubert Thiermeyer Viele Betriebsrä­te haben Fotos von sich an Verdi geschickt, um ihre Solidaritä­t mit dem Weltbild-Betriebsra­tschef zu zeigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany