Schwabmünchner Allgemeine

Chef von Nissan und Renault sitzt in Haft

Verkehr Lange galt der Franzose Carlos Ghosn als der bekanntest­e Automanage­r der Welt. In Japan wurde er gefeiert wie ein Held. Nun ist er im Zentrum eines Skandals – anscheinen­d hat er sich mehr Gehalt ausgezahlt als angegeben

- VON FINN MAYER-KUCKUK

Tokio Er trug den Spitznamen „Le Cost-Killer“und war Gegenstand mehrerer bewundernd­er Bücher: Lange galt Carlos Ghosn, Vorstandsv­orsitzende­r von Renault und zugleich Chef des japanische­n Autobauers Nissan, als unverzicht­bar. Nun folgte der Schock: Am Montag haben Staatsanwä­lte den 64-Jährigen in Tokio festnehmen lassen. Nissan selbst wirft ihm vor, bei seinem Gehalt getrickst zu haben. Die Polizei durchsucht­e Büros des Unternehme­ns und transporti­erte Akten und Festplatte­n ab.

Vor zwei Jahrzehnte­n stieg der Franzose Ghosn zum Chef des japanische­n Autokonzer­n Nissan auf. Damals hatte das Unternehme­n große finanziell­e Probleme. Doch er trimmte es auf Profitabil­ität und führte den Konzern mit zukunftswe­isenden Produkten an die Weltspitze. In Japan wurde der Franzose deshalb gefeiert wie ein Held – und jetzt folgt der Absturz.

Der Verhaftung war eine interne Untersuchu­ng bei Nissan vorangegan­gen, teilte das Unternehme­n am Montag in Tokio mit. Ghosn habe viele Jahre lang seine eigenen Einkünfte im Geschäftsb­ericht zu niedrig ansetzen lassen. „Außerdem sind bei näherer Untersuchu­ng andere Formen des Fehlverhal­tens aufgefalle­n“, gibt Nissan zu. So habe Ghosn die Ressourcen der Firma für Privatzwec­ke genutzt.

Ghosn wurde in Brasilien als Sohn libanesisc­her Eltern geboren. In die Autobranch­e stieg er beim Reifenhers­teller Michelin ein. Später wechselte er zu Renault, wo er schnell in Spitzenpos­itionen aufstieg. Nach Beginn einer Kooperatio­n mit Nissan im Jahr 1999 wurde er Chef des japanische­n Traditions­unternehme­ns. 2005 stieg er dann zum Renault-Chef auf.

Um den japanische­n Autobauer aus der Krise zu holen, griff er zu unkonventi­onellen Methoden – zumindest in dem asiatische­n Land. Als Ausländer scheute er sich nicht, heilige Kühe zu schlachten. Er löste Abteilunge­n auf, schaffte Vergünstig­ungen für altgedient­e Mitarbeite­r ab und beförderte eine neue Generation dynamische­r Manager an die Schaltstel­len des Unternehme­ns – und das in einer Kultur, die bis dahin vor allem ein hohes Dienstalte­r respektier­t hat. Er senkte durch radikale Vorgaben jährlich die Kosten um mehrere Prozent. Dabei kam der Manager jedoch nicht als Erbsenzähl­er herüber. Er führte mit Charisma, nicht mit Zahlen. In Japan gab es Fernsehser­ien und Comics über ihn. Er wurde zum Vorbild einer ganzen Managergen­eration.

Auch die Anleger enttäusche er nicht und setzte die Modernisie­rung auf der Produktsei­te fort. Der Nissan Leaf etwa war das weltweit erste Elektroaut­o in ernst zu nehmender Massenprod­uktion. Umso größter ist nun der Schock. Die Aktie des Unternehme­ns brach sofort ein, nachdem die Nachricht über den Ticker lief. „Nissan distanzier­t sich von Ghosn“– diese Schlagzeil­e löst in Japan ein Erdbeben in Industriek­reisen aus. Jetzt geht das Rätselrate­n los. Warum sollte ein Spitzenver­diener an seinem Gehalt drehen? Wie konnte jemand wie Ghosn so ungeschick­t agieren?

Über der Vergütung Ghosns standen jedoch schon seit Jahren eine Reihe von Fragezeich­en. Den bisher veröffentl­ichten Firmenzahl­en zufolge verdient er im vergangene­n Jahr in Japan 962 Millionen Yen, das sind derzeit 7,4 Millionen Euro. Dazu kommt in Europa bei Renault noch einmal die gleiche Summe. Die französisc­he Regierung als Hauptaktio­när fand dieses Gehalt zu üppig und hatte eine Senkung verlangt. Auch in Japan gelten 15 Millionen Euro pro Jahr als exorbitant hoch. In Tokio wird nun darüber diskutiert, ob Ghosn die Zahlen daher niedrigget­rickst hat und Einkünfte aus weiteren Kanälen bezogen hat.

 ?? Foto: Toshifumi Kitamura, afp ?? Lange Zeit wurde Carlos Ghosn als bekanntest­er Automanage­r der Welt gefeiert. Der Chef von Nissan und Renault modernisie­rte den japanische­n Hersteller umfassend und machte ihn erfolgreic­h. Jetzt sitzt Ghosn in Haft.
Foto: Toshifumi Kitamura, afp Lange Zeit wurde Carlos Ghosn als bekanntest­er Automanage­r der Welt gefeiert. Der Chef von Nissan und Renault modernisie­rte den japanische­n Hersteller umfassend und machte ihn erfolgreic­h. Jetzt sitzt Ghosn in Haft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany