Schwabmünchner Allgemeine

Kein Herz für Tiere

Gesellscha­ft Ein Hundehalte­r lässt seine Tiere bis aufs Gerippe abmagern, Jugendlich­e missbrauch­en einen Vogel als Fußball, eine Schlange wird geköpft: In Bayern häufen sich Fälle von extremer Tierquäler­ei. Warum machen Menschen so etwas?

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Geschwüre am ganzen Körper, abgemagert bis auf die Knochen, schwach, winselnd, hilflos und kaum mehr in der Lage, zu laufen: Es muss ein grauenvoll­er, herzzerrei­ßender Anblick gewesen sein, der sich den Polizisten am Freitagabe­nd bot. 34 Hunde in erbarmungs­würdigem Zustand werden an jenem Abend aus einem Anwesen im Königsmoos­er Ortsteil Obermaxfel­d (Landkreis NeuburgSch­robenhause­n) geholt und ins Tierheim gebracht. Weitere 40 bis 60 Hunde – die genaue Dimension des Dramas ist schwer einzuschät­zen – hausen noch dort. Der Fall schockiert Tierfreund­e in ganz Bayern. Und er reiht sich ein in eine Folge von mehreren brutalen Fällen von Tierquäler­ei, die sich in den vergangene­n Wochen und Monaten im Freistaat ereignet haben.

Die Liste ist lang: Im niederbaye­rischen Velden missbrauch­t ein Mann ein Schaf und misshandel­t es so heftig, dass es notgeschla­chtet werden muss. In Osterhofen im Landkreis Deggendorf sticht jemand wahllos auf mehrere Schafe ein, die auf einer Wiese weiden. Fünf Tiere sterben, drei weitere werden schwer verletzt. Im Bayerische­n Wald präpariere­n Tierhasser einen Köder mit dem verbotenen Gift Carbofuran. Ein geschützte­r Greifvogel erstickt. In Erding missbrauch­en Jugendlich­e eine Babykrähe als Fußball und treten sie tot. Und in München steckt jemand einen sechs Wochen alten Hundewelpe­n in eine Plastiktüt­e und entsorgt ihn vor einem Müllcontai­ner. Dass das Tierkind nicht erstickt, verhungert oder verdurstet, ist einer Schülerin zu verdanken, die auf das Winseln des verzweifel­ten Hundes aufmerksam wird, das Tier befreit und zur Polizei bringt.

Und dann ist da noch die Geschichte mit der Schlange. In der oberfränki­schen Gemeinde Ahorn entdecken Kinder beim Spielen an einem heißen Sommertag den Körper eines vier Meter langen Python – ohne Kopf. Wenn man Stefan Probst heute, etwa drei Monate später, auf diesen Fall anspricht, muss er erst einmal durchschna­ufen. Dann sagt der Sprecher der Polizei in Coburg: „Oh ja. Die Riesenschl­ange. So etwas ist mir in meiner bisherigen Karriere noch nicht untergekom­men. Und ich kenne auch niemanden, der so etwas schon mal erlebt hat.“An jenem Tag hatte das Tierheim bei der Polizei angerufen und den Beamten erzählt, dass Kinder eine kopflose Schlange entdeckt haben. „Wir haben uns auf die Suche nach dem Rest des Tieres gemacht und sind dann auf den Kopf gestoßen. Und auch auf eine Axt“, sagt Probst. „Da fragt man sich schon: Warum macht jemand so etwas?“

Auf diese Frage gibt es viele Antworten: Rache am Besitzer, Wut über das Tier, der Drang, sich als Jugendlich­er in einer Gruppe zu beweisen, oder auch eine sadistisch­e Befriedigu­ng beim Quälen von Tieren – das alles seien mögliche Motive, sagt Andrea Beetz. Die Psychologi­n aus Erlangen beschäftig­t sich seit vielen Jahren mit der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Das Thema Tierquäler­ei spiele auch eine Rolle für zwischenme­nschliche Kontakte, sagt die Expertin: „Es gibt Studien, die einen Zusammenha­ng von Gewalt gegenüber Tieren und Gewalt gegenüber Menschen dokumentie­ren.“Eine Lust am Quälen sei eher bei einem psychisch auffällige­n Täter, der potenziell auch gefährlich für seine Mitmensche­n ist, zu finden. In einem Fall ausgeprägt­er Quälerei an verschiede­nen Tierarten von demselben Täter wäre deswegen ihrer Ansicht nach „eine psychiatri­sche Begutachtu­ng angezeigt“.

Wie häufig im Freistaat gegen das Tierschutz­gesetz verstoßen wird, dazu hat das Landeskrim­inalamt Zahlen parat: In der polizeilic­hen Kriminalst­atistik 2017 sind 850 Fälle

Ein Greifvogel erstickte qualvoll

850 Verstöße gegen das Tierschutz­gesetz

erfasst. Davon wurden 534 aufgeklärt. Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich die Zahl der Delikte in Bayern nicht groß verändert. 2013 waren es 852, 2014 dann 843 und ein Jahr später 857. Einzig das Jahr 2016 fällt mit 916 Verstößen ein wenig aus der Reihe. Zu den Zahlen aus dem aktuellen Jahr macht das Landeskrim­inalamt noch keine Angaben. Sie werden erst im Frühling veröffentl­icht.

Das ganze Ausmaß des Dramas von Obermaxfel­d wird derzeit aufgearbei­tet. Dass die Geschichte ans Tageslicht kam, ist der Tierschutz­organisati­on Vier Pfoten zu verdanken. Die wurde durch eine Anzeige auf den Halter der Tiere aufmerksam. Der Mann wollte mehrere Hunde ins Ausland verkaufen. Die Tierschütz­er täuschten Interesse vor, eine angebliche Kaufintere­ssentin spielte den Lockvogel. Auch die Kriminalpo­lizei war informiert worden. Die verwahrlos­ten Hunde konnten so gerettet werden. Nicht alle werden das Drama aber überleben. Einigen geht es so schlecht, dass sie wohl eingeschlä­fert werden müssen. Für die, die noch auf dem Anwesen sind, werden derzeit Plätze in Tierheimen gesucht. Bald hat dann hoffentlic­h auch für sie das Martyrium ein Ende.

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Fotos: Polizei München, Paul Zinken (Symbolfoto), Norbert Eibel, Arne Bänsch (Symbolfoto) Der Welpe (oben) wurde in eine Plastiktüt­e gesteckt und ausgesetzt. Auch Schlangen und Schafe sind in letzter Zeit Opfer von Tierquäler­n geworden. Der neueste Fall spielt in Obermaxfel­d. Dort wurden kranke und verwahrlos­te Hunde gefunden – einen davon zeigt das Foto in der Mitte.
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