Schwabmünchner Allgemeine

Geld statt Liebe

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Es ist das Pech der späten Geburt: All jene Außergewöh­nlichkeite­n, die geleistet werden, hat früher schon mal ein anderer geschafft. Vielleicht sogar eleganter oder müheloser. Welch Geschrei wahrschein­lich, als sich der erste UrMensch in den aufrechten Gang begab. Heute verdrücken gerade noch Mama und Papa ein Tränchen, wenn Baby seine ersten Schritte geht. Wie immer: Was für das Leben im Allgemeine­n gilt, gilt für den Sport im Speziellen.

Alexander Zverev, über den Sie auf ein Porträt finden, hat gerade eines der wichtigste­n Tennisturn­iere gewonnen. Er darf sich Weltmeiste­r nennen. Sportinter­essierte nehmen das zur Kenntnis. Der 17-jährigste Leimener aller Zeiten hingegen wurde einst zum Nationalhe­iligen erklärt, weil er die Filzkugel erfolgreic­h über das Netz schlug. Einen wie Boris Becker wird es nicht mehr geben. Zverev aber ist trotzdem einer der besten Tennisspie­ler dieses Planeten. Er hat gerade innerhalb von zwei Tagen Roger Federer und Novak Djokovic bezwungen. Zverev ist erst 21 Jahre alt. Anders als beispielsw­eise im Fußball gilt man damit auf dem Court noch als Nachwuchss­pieler.

Der Deutsche wird nie mit der majestätis­chen Eleganz eines Federers die Plätze beherrsche­n. Ihm fehlt das Showtalent von Djokovic und der unbedingte Wille eines Rafael Nadal. Umso höher ist sein Erfolg einzuschät­zen. Um die Großen des Sports vom Thron zu stoßen, hat sich Zverev auf Ivan Lendl als Trainer eingelasse­n. Dereinst war der Beckers großer Rivale. Zum Vergnügen stand Lendl nie auf dem Platz. Das hat sich auch als Coach nicht geändert.

Zverev macht viel für den Erfolg. Die Herzen der Fans aber werden ihm in Deutschlan­d auch dann nicht zufliegen, wenn er erstmals ein Grand-Slam-Turnier gewinnt. Die Deutschen haben kein großes Interesse mehr am Tennis, was auch daran zu erkennen ist, dass meist Spartensen­der die Turniere übertragen. Hierzuland­e jubeln die Fans lieber der Biathletin Laura Dahlmeier zu. Oder den Skispringe­rn. Gemessen an den Aktiven: Randsporta­rten. Zverev ist – ebenso übrigens wie Angelique Kerber – einer der Besten in einer Massenspor­tart. Enthusiast­ische Fans gibt es deswegen nicht. Dafür Millionen-Preisgelde­r. Auch nicht schlecht.

 ?? Foto: dpa ?? Weltmeiste­r – und kaum einen interessie­rt es: Alexander Zverev.
Foto: dpa Weltmeiste­r – und kaum einen interessie­rt es: Alexander Zverev.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany