Schwabmünchner Allgemeine

Und jetzt sieben fette Jahre

Ägypten Das Land hat schwer unter dem Einbruch des Tourismus gelitten. Nun sind die deutschen Urlauber zurück. Auch in El Gouna, der Lagunensta­dt am Roten Meer, wo der Ostfriese Ägyptens und ein Bayer gemeinsam träumen

- VON STEFANIE WIRSCHING

Manchmal wird Robert Fellermeie­r gefragt, ob er nicht das Grün vermisst. Also Wälder und Wiesen. Weil irgendetwa­s vermisst der Mensch ja eigentlich immer. Und geht es ihm noch so gut. Irgendetwa­s, das er nicht kaufen, bauen oder auf andere Weise herbeischa­ffen kann. Wie soll man zum Beispiel einen schönen deutschen Mischwald mit Buchen, Eichen und Ahornbäume­n nach Ägypten bringen?

Zur Antwort von Robert Fellermeie­r später. Wenn man übers Vermissen spricht, muss man erst einmal wissen, was einer eigentlich alles hat. Bestandsau­fnahme sozusagen. Fellermeie­r, 53 Jahre alt, hörbarer Bayer, ist Generalman­ager von El Gouna, eine Stadt am Roten Meer, gegründet vom ägyptische­n Milliardär Samih Sawiris, gebaut fürs Erholen. Als Sawiris vor knapp 30 Jahren hier mit dem ersten Projekt begann, gab es auf dem ehemaligen Militärgel­ände der Schweizer Armee fast nichts. Außer Meer, Steinen und Sand. Ein Ort also, an dem man entweder gar nichts vermisst, weil man sich genau nach so einem Nichts am Meer sehnt, oder gleich so viel, dass man gar nicht weiß, wo man mit dem Vermissen beziehungs­weise mit dem Träumen beginnen soll.

Samih Sawiris träumte von einem Hafen. Für sein Boot. Und für sich und seine Freunde von einem Klub, in dem man nach dem Bootsfahre­n zusammensi­tzen konnte. Und dann von ein paar schönen Strandhäus­ern, in denen man übernachte­n konnte. Und so ging es weiter … „Hätte man mir prophezeit, wie groß El Gouna eines Tages sein würde, ich hätte mich vor Angst gar nicht an das Projekt herangewag­t,“sagt Sawiris heute.

Wenn man jetzt in El Gouna etwas vermisst, muss man mit Fellermeie­r sprechen. Und sei es auch eine Nebensächl­ichkeit. Sauerteigb­rot zum Beispiel, wie es die Deutschen nun einfach mal so wahnsinnig gerne mögen. Gibt es jetzt. Das Wichtigste, was der Mensch zum Erholen gerne hat, wovon er beim Durchblätt­ern von Ferienkata­logen träumt, ist auch ziemlich sicher schon da. Das Meer – zum Schwimmen, Planschen, Tauchen oder auch zum Kitesurfen, Lieblingss­port des Managers. Die Strände zum Rumliegen. Mehr als hundert Klubs, Bars und Restaurant­s, Ferienvill­en, Lebensmitt­elgeschäft­e, Sport-, Schmuck und Modeboutiq­uen, eine Tankstelle, zwei Golfplätze, eines der besten Krankenhäu­ser des Landes, einen Flughafen, zwei Schulen, davon eine internatio­nal … und nicht nur eine Marina, sondern drei. 20 000 Menschen leben in der Lagunensta­dt mittlerwei­le dauerhaft, die Urlauber kommen noch dazu…verteilt auf 17 Hotels mit insgesamt fast 2700 Gästezimme­rn. Und die Stu- Die TU Berlin, an der Sawiris einst studierte, hat hier einen Campus. Etwa 180 Studenten aus 25 Ländern lernen und forschen – zum Beispiel zum Thema Wasserwirt­schaft oder Energiever­sorgung. Master am Meer …

Sogar ein Weingut steht am Rande der Stadt, weil Sawiris davon träumte, geführt von der Libanesin Rania Kallas, die die Arbeit mit ihrem Ehemann Labib Kallas, dem Kellermeis­ter, unter der Vorgabe begann, „einen trinkbaren ägyptische­n Wein“herzustell­en. Die jun- gen Rebstöcke aus Europa haben sie erst einmal ins Treibhaus gepflanzt – zum Schutz vor zu viel Sonne! Nun produziere­n sie 30 000 Hektoliter pro Jahr. Verrückt, sagt sie. Genauso verrückt wie die Tatsache, dass sie als Frau in einem vorwiegend muslimisch­en Land Alkohol herstelle. Werbung für die Weine von „Kouroum of the Nile“ist in Ägypten zwar untersagt, die braucht das Weingut aber auch nicht. Es trinken die Gäste in El Gouna und den anderen Ferienanla­gen von Sawiris genug. Den Beausodent­en. leil D’Egypte zum Beispiel. Weiß oder rot. „Unser Stolz“, sagt Rania Kallas.

Was also soll man da eigentlich vermissen? Regen? Tiefes Lachen an dieser Stelle von Robert Fellermeie­r. Weil, auch das sei ja kein Problem. Wenn es einem nach Regen zumute sei, müsse man nur die Vorhänge zuziehen und die Dusche prasseln lassen. „Schlechtwe­ttersimula­tion“nennt er das. Ein Scherz. Es regnet hier tatsächlic­h im Winter mal hin und wieder einen Tag.

All das aber zählte die letzten Jahre kaum. Weil die meisten Touristen vor allem eines auf gar keinen Fall missen wollen: ein sicheres Gefühl im Urlaub. 14,7 Millionen Touristen reisten 2010 nach Ägypten, das letzte Boomjahr, bevor die Zahlen dramatisch einbrachen. Der Arabische Frühling, Unruhen, Terroransc­hläge ließen die Urlauber über Jahre hinweg Abstand halten oder sie bestenfall­s durch Billigange­bote locken. Kaum Geld, aber dafür bitte all inclusive. Für ein Land, in dem der Tourismus die wichtigste Einnahmequ­elle darstellt, die nächste Katastroph­e.

In El Gouna, komplett eingezäunt, abgeschirm­t auch vom ägyptische­n Alltag, wurde zwar keines der Hotels geschlosse­n wie zum Beispiel im 25 Kilometer entfernten Hurghada, wo bis Ende des Jahres 2016 insgesamt 34 Häuser den Betrieb einstellte­n. Oder in Taba Heights auf dem Sinai, wo die von Sawiris kontrollie­rte Aktiengese­llschaft Orascom Developmen­t Holding weitere Ferienanla­gen betreibt, seine Angestellt­en, wie er sagt, sich die Zeit mit Backgammon vertreiben. Aber schmerzhaf­t gespürt haben sie das Fernbleibe­n der ausländisc­hen Gäste auch hier, dafür stieg der Anteil der zahlungskr­äftigen ägyptische­n Gäste, die dann aus Kairo auch gerne mal übers verlängert­e Wochenende kommen.

Nun aber kehren die Reiselusti­gen nach Ägypten zurück, vor allem die Strandurla­uber. 8,3 Millionen im letzten Jahr, davon 1,1 Millionen Deutsche. In diesem Jahr stieg die Zahl der deutschen Touristen auf 1,3 Millionen, so viele wie im Boomjahr 2010. Und im nächsten Jahr rechnet Ahmed Abdullah, der Gouverneur für die Region am Roten Meer, mit 1,5 Millionen – das wäre ein neuer deutscher UrlauberRe­kord. Allein der Anbieter FTI, an dem Sawiris mit einem guten Drittel beteiligt ist und der in den Krisenjahr­en auch trotz Sicherheit­shinweisen des Auswärtige­n Amtes die Touristen ans Rote Meer flog, hat im vergangene­n Geschäftsj­ahr etwa 825000 deutsche Urlauber nach Ägypten gebracht. „Die sieben mageren Jahre sind vorbei, jetzt beginnen die sieben fetten Jahre“, sagt Sawiris: „Wir sind bereit dafür.“

Er hat in den Krisenjahr­en einfach weitergetr­äumt. Trotz sinkender Aktienkurs­e. Von seiner Stadt, und was ihr noch fehlt. Seine Familie sei stur, sagt Sawiris: „Wir sind die Ostfriesen von Ägypten.“Und mit ihm an seiner Seite träumt seit drei Jahren der Bayer Robert Fellermeie­r unter dem Motto „Life as it should be“. Manches, was Fellermeie­r erzählt, könnte auch von einem deutschen Bürgermeis­ter stammen, der sich über die Entwicklun­g seiner Stadt Gedanken macht. Müllvermei­dung zum Beispiel. Getrennt wird in El Gouna ohnehin. Die Stadt ist mit dem Green City Award ausgezeich­net. Überall stehen Mülleimer in vier verschiede­nen Farben, hübsch anzusehen in Amphorenfo­rm. Das eingeschmo­lzene Plastik wird für Kleiderbüg­el, Tüten aber auch Pflasterst­eine wiederverw­endet. Aber: „Wir verbrauche­n viel zu viel Plastiktüt­en, um die Wäsche zu transporti­eren“, sagt Fellermeie­r. Nun habe man bei zwei Hotels schon mal angefangen Jutesäcke zu verwenden. „Wenn das läuft, führen wir es überall ein.“Fellermeie­r ist im übrigen einer, der sich sein Sushi in El Gouna mit der Tupperbox abholt. Und der einem Koch auch mal ein Video von der Gänsemast vorführt, wenn der fürs edle Menü Stopfleber bestellen will.

Anderes Beispiel, Einkaufsmö­glichkeite­n.

„So eine Stadt entwickelt sich organisch, die ist nie fertig“

Bislang gibt es neben kleinen Geschäften einen Supermarkt mitten im Ferienreso­rt. Gerne staut es sich da vor den Kassen, wenn der Großeinkau­f fürs Wochenende oder den Feiertag ansteht. Nun plant man einen weiteren größeren Markt – nicht auf der grünen Wiese, sondern den Gegebenhei­ten entspreche­nd in der braunen Wüste. „So eine Stadt entwickelt sich organisch, wie jede andere, die ist nie fertig“, sagt der Manager. Irgendetwa­s ist immer. Gerade ist man vor allem auch mit „Faceliftin­g“beschäftig­t – El Gouna soll zum Jubiläum 2019 strahlen – fünf Hotels werden für 2,75 Millionen Euro renoviert. Und dann wäre da ja auch noch der Umbau des Flughafens. Künftig will man die Urlauber direkt von El Gouna zum Beispiel schnell mal nach Luxor bringen, zum berühmten Hatschepsu­t-Tempel, oder zum Kurztrip auf dem Nil. Dorthin, wo vor drei- viertausen­d Jahre andere ihre Visionen bauten.

Einfach also immer weiterträu­men. Weiterplan­en. Weitertrom­meln. Im vergangene­n Jahr feierte das El Gouna Film Festival Premiere. Noch so eine Sawiris-Idee. In diesem Jahr kamen unter anderem Silvester Stallone und Patrick Dempsey… Was also antwortet Robert Fellermeie­r, wenn er gefragt wird, ob ihm, dem Bayern, nicht das Grün abgeht? „Dann sage ich, dafür haben wir das schöne Blau“. Alles gibt es nirgendwo auf der Welt.

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Foto: Stefanie Wirsching Sonne, Sand und Meer – viel mehr gab es dort, wo heute El Gouna steht, noch vor 30 Jahren nicht. Dann ankerte dort Samih Sawiris…
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Foto: dpa „So eine Stadt ist nie fertig.“Robert Fellermeie­r managt El Gouna und die dortigen Hotels.
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Foto: The Chedi Andermatt Stadtgründ­er und Vorträumer Samih Sawiris.
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Foto: Wirsching Trinkbarer ägyptische­r Wein - das war das Ziel von Rania Kallas.

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