Schwabmünchner Allgemeine

Flugzeugtr­ends: mehr Sitze und weniger Toiletten

Fliegen Beim Sparen entwickeln Airlines ungeahnte Fantasien, um mit weniger Kerosin mehr Passagiere transporti­eren zu können

- VON TINGA HORNY

Höher, weiter, größer – das sind in der Flugbranch­e nicht immer die Maßstäbe. Wer spricht noch vom Riesenjet A380, der in seiner größten Version rund 800 Gäste fassen kann? Derzeit reden alle von sogenannte­n Schmalrump­fflugzeuge­n, Englisch „narrow body aircraft“genannt. Sie haben nur einen Mittelgang und eine Reichweite von rund 6000 Kilometer. Das bedeutet, dass sie gerade noch die „kurzen“Fernstreck­en, etwa Frankfurt – New York, bedienen können. Das macht sie hocheffizi­ent und vielseitig einsetzbar.

Reisende sollten sich auf jeden Fall zwei Flugzeugmo­delle merken: Boeing 737 MAX und Airbus A320 neo heißen die Jets, mit denen viele bereits jetzt bzw. in naher Zukunft Bekanntsch­aft machen werden. Aber auch wenn ältere Flieger neu bestuhlt werden, schnurrt in der Regel zugleich die Toiletteng­röße zusammen. So hat zum Beispiel Swiss vor drei Jahren seine A320-Europaflot­te mit engeren Sitzen und Mini-Toiletten ausgerüste­t. Insbesonde­re die Boeing 737 MAX ist ein Verkaufshi­t, weil sie nach Hersteller­angaben 14 Prozent weniger Sprit verbraucht, aber mehr Gäste – bis zu 230 – befördern kann.

Trotz eines stolzen Verkaufspr­eises von 110 Millionen US-Dollar pro Flieger gibt es bereits mehr als 4500 Bestellung­en. Vor allem Billigflie­ger wie Southwest Airlines, Jet Airways, Ryanair, Norwegian Air und Tui haben en gros bestellt. Die großen USFluglini­en wie American Airlines und United Airlines setzen ebenfalls auf die neue Spar-Boeing. Doch so viel Sparsamkei­t fordert ihren Tribut. Mit der Auslieferu­ng der ersten Flieger begannen die Klagen.

Reihenweis­e schimpften Passagiere nicht nur über den von 79 auf 76 Zentimeter verkleiner­ten Sitzabstan­d in der Economy Class, sondern zugleich über klaustroph­obische Erfahrunge­n in den BordWCs. Einige berichten dem USWirtscha­ftsmagazin Forbes zufolge, dass sie sich eingeklemm­t fühlten, weil ihr Körper die Kabinenwän­de berührte. Crew-Mitglieder befürchten zudem, dass Kleinkinde­r zunehmend auf Flugsitzen gewickelt werden, weil die Toiletten dafür zu eng sind.

Schuld an den Kritiken ist das Waschraum-Modell „Spacewall“der auf Kabinenein­richtung spezialisi­erten US-Firma Rockwell Collins. Die genauen Maße des schrankgro­ßen WC-Elements sind geheim. Allgemein zugänglich­em Werbemater­ial ist allerdings zu entnehmen, dass rund 18 Zentimeter Platz gegenüber dem Vorgängerm­odell eingespart wurden.

Doch nicht nur Rockwell Collins tüftelt an immer kleineren Waschräume­n. Alle Kabinenaus­statter versuchen gegenwärti­g beschränkt­en Toilettenr­aum immer intelligen­ter auszunütze­n. Die Resultate tragen futuristis­che Namen wie „Space-Flex v2“von Zodiac Aerospace, mit dem zum Beispiel Jetblue seine 130 Airbus A 320 nachrüstet.

Der deutsche Kabinenspe­zialist Diehl Aviation, der eng mit Lufthansa Technik kooperiert, hat ebenfalls ein Toilettene­lement im Programm, dessen Breite von rund 93 auf knapp 80 Zentimeter Breite („space optimized lavatory“) verringert

400 000 Dollar mehr Umsatz pro weiterem Sitz

wurde. Eine flexiblere Ausnutzung des Kabinenrau­ms sowie „das Potenzial für zusätzlich­e Umsätze“verspricht der Hersteller.

Wie sehr es den Airlines dabei um diese „zusätzlich­en Umsätze“geht, beschreibt der US-Wirtschaft­sdienst Bloomberg. Während sich in der Regel in Schulterhö­he die Breite der Toiletten wenig geändert hat, wird der Platz unter dem Waschbecke­n bzw. der sogenannte Fußraum beschnitte­n. Das bringt jene wesentlich­en 13 bis 18 Zentimeter zusätzlich, die dann zusammen mit einer engeren Bestuhlung dank raumsparen­derer Slim-Sitze eine zusätzlich­e Sitzreihe für maximal zwölf Passagiere ermögliche­n.

Bloomberg zitiert den Branchenex­perten Gary Weissel, demzufolge American Airlines schätzungs­weise mit jedem zusätzlich­en Flugsitz 400 000 US-Dollar mehr Umsatz pro Jahr macht. „Ich glaube nicht, dass die Airlines trotz aller Passagierk­ritik je wieder größere Toiletten einbauen werden“, so der Experte, „der Umsatz mit jeder ExtraSitzr­eihe ist einfach zu groß.“

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