Schwabmünchner Allgemeine

Wie aus Oliver Hitler wurde

Literatur Manja Präkels schreibt in „Als ich mit Hitler Schnapskir­schen aß“über Neonazis in der Nachwendez­eit. Im Holbein-Gymnasium stellt sie Schülern ihren ersten Roman vor

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

„Vielleicht hat mir Hitler das Leben gerettet, damals“– ein Satz, der Aufmerksam­keit auf sich zieht, ein Buchanfang, der neugierig macht.

Und so ist es auch sofort still, als die Schriftste­llerin Manja Präkels mit der Lesung aus ihrem Buch „Als ich mit Hitler Schnapskir­schen aß“beginnt. Sie ist zu Gast im LeseGarten des Holbein-Gymnasiums, vor sich drei zehnte Klassen, 16- bis 18-Jährige, für die die DDR und der Mauerfall ein Kapitel deutscher Geschichte sind. Die Autorin dagegen, Jahrgang 1974, hat dieses Kapitel erlebt, in der brandenbur­gischen Kleinstadt Zehdenick, nord-östlich von Berlin. Sie berichtet von ihrer Kindheit und Jugend in der Vorund Nachwende-Zeit in ihrem ersten Roman so beeindruck­end, dass das Buch im Herbst mit dem Deutschen Jugendlite­raturpreis ausgezeich­net wurde.

Mimi, die Icherzähle­rin, erinnert sich darin an ihre Freundscha­ft mit dem Nachbarsju­ngen Oliver, der sich nach der Wende den Neo-Nazis anschließt und „Hitler“gerufen wird. Präkels schreibt vom erstarkend­en Rechtsradi­kalismus und Rassismus in Ost-Deutschlan­d, die das DDR-Regime für besiegt erklärt hatte, die aber latent immer vorhanden waren. Von „ScheißKohl­en, die beim nächsten mal einen in die Fresse bekommen“sprechen im Roman die Jugendlich­en, wenn es um dunkelhäut­ige Gastarbeit­er aus Afrika geht.

Das Buch ist aber auch eine atmosphäri­sch dichte Beschreibu­ng des Lebens in der DDR vor und nach der Wende. Ausdrücke wie „Fahnenappe­ll “und „Jugendweih­e“erklärt Manja Präkels ihren Zuhörern, weil sie damit nicht viel anfangen können. Sie stellt dar, wie schwierig es für die DDR-Bürger gewesen sei, mit dem Zusammenbr­uch eines Re- gimes klarzukomm­en, dass in alle Lebensbere­iche eingegriff­en habe. „Wir sprachen zwar alle dieselbe Sprache, aber die Jugendlich­en im Westen sind in diese Welt hineingebo­ren worden. Wir wurden hineingewo­rfen und mussten alles schnell erlernen.“

Erwachsene seien dadurch ebenso verwirrt gewesen wie die Jugendlich­en, erzählt sie. Dazu sei die soziale Katastroph­e gekommen, denn Arbeitsode­r Obdachlosi­gkeit habe es in der DDR nicht gegeben. „Viele Eltern wurden arbeitslos und hatten existenzie­lle Probleme“. Als Jugendlich­e in der DDR die Wende zu erleben, fasst Präkels zusammen, sei ein Umbruch in doppelter Hinsicht gewesen: „Die Orientieru­ngslosigke­it und Verwirrung durch die Pubertät traf hier zusammen mit dem Untergang des Systems. Daraus entstanden Verwirrung und Leere.“Auch dies, gab Manja Präkels den Schülern zu bedenken, habe zu der Rechtsradi­kalisierun­g ostdeutsch­er Jugendlich­er beigetrage­n.

Sie selbst ist, wie ihre Protagonis­tin Mimi, einen anderen Weg gegangen, hat als Lokaljourn­alistin gearbeitet und ist dabei mit vielen Menschen zusammenge­troffen, die ihr von ihren Erfahrunge­n mit der Wende erzählt haben. „Diese und meine eigenen Erlebnisse sind in das Buch eingegange­n“, antwortet Präkels auf die Frage, wie autobiogra­fisch ihr Roman ist. Der Junge, der in ihrem Buch schließlic­h von Rechten bei einem Disco-Besuch geprügelt und totgetrete­n wird, sei einer ihrer Freunde gewesen. Ihm hat sie ihren Roman gewidmet.

15 Jahre habe der Stoff sie beschäftig­t, erzählt Manja Präkels. Immer wieder habe sie geschriebe­n. „Ich habe den Abstand zu den Ereignisse­n gebraucht, um es selbst auszuhalte­n und in Worte zu fassen, die auch die Leser aushalten können“.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Ihre eigenen Erlebnisse hat Manja Präkels in ihrem ersten Roman „Als ich mit Hitler Schnapskir­schen aß“verarbeite­t. Schülern des Holbein-Gymnasiums erzählte sie von einer Jugend in der DDR und der Nachwendez­eit.
Foto: Ulrich Wagner Ihre eigenen Erlebnisse hat Manja Präkels in ihrem ersten Roman „Als ich mit Hitler Schnapskir­schen aß“verarbeite­t. Schülern des Holbein-Gymnasiums erzählte sie von einer Jugend in der DDR und der Nachwendez­eit.

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