Schwabmünchner Allgemeine

Auf Walfang mit Ulrich Tukur

Mozart@augsburg Der bekannte Schauspiel­er las mit musikalisc­her Unterstütz­ung von Sebastian Knauer in Gersthofen aus „Moby Dick“

- VON SYBILLE SCHILLER

„Wal in Sicht!“, schrie der großartige Schauspiel­er Ulrich Tukur wie wahnsinnig mitten in Gersthofen­s Stadthalle hinein und den Zuhörern gellte dieser Schrei lange in den Ohren. Keiner, der in dieser mozart@augsburg-Veranstalt­ung dabei gewesen war, wird die musikalisc­hszenische Lesung von Herman Melvilles Romanklass­iker „Moby Dick“(nach einem Konzept des im Januar 2018 verstorben­en Wolfgang Knauer) mit Ulrich Tukur und Pianist Sebastian Knauer vergessen.

Mit Scott Joplins RagtimeRhy­thmen und Frédéric Chopins „Revolution­setüde“hatte Sebastian Knauer eine passende Auswahl getroffen, um die Geschehnis­se an Amerikas Ostküste und die aufbrausen­de See musikalisc­h zu illustrier­en. Ulrich Tukur spiegelte in Mimik und Worten die Aufregung der Walfänger, wurde in manchen Augenblick­en fast leibhaftig zum Matrosen Ismael, der des Festlandes überdrüssi­g aufs Meer hinaus will. Zu diesem Glück (oder Unglück, wie sich im Lauf des Romans herausstel­len wird) verhilft ihm in der Geschichte der reich tätowierte ehemalige „Kannibale“Queequeg, den Pianist Knauer treffend charakteri­sierte mit „Wach auf, du verrottete­r Christ“, dem Morgenchor­al des Peachum aus der Dreigrosch­enoper. Kennengele­rnt hatten sich Ismael und Queequeg in Coffins Herberge in New Bedford. War, so fragte sich wohl manch einer, Ulrich Tukur selbst schon in solcher Spelunke gewesen? Denn perfekt beherrscht­e der Schauspiel­er den Slang und die aggressiv-verquollen­e Sprechweis­e des Wirts.

Gleiches gilt im Verlauf der Erzählung auch für Ahab, jenen vernarbten, einbeinige­n Kapitän auf dem Schiff Pequod, wo Queequeg und Ismael zur Mannschaft zählen. Tukur vervielfäl­tigte Ahabs schier unbeschrei­blichen Hass auf Moby Dick, der dem Kapitän das Bein abgerissen hatte. Mit Ahab und den Walfängern tauchte im weiteren Verlauf Sebastian Knauer mit Modest Mussorgski­s „Katakomben“musikalisc­h hinab in die Meerestief­en. Und immer wenn die Sprechwoge­n des grandiosen Tukur schwer zu besänftige­n waren, ereiferte auch er sich in seinem virtuosen Spiel.

Die Zuhörer kamen erst wieder zur Ruhe, als sie am Ende der „Moby Dick“-Erzählung in Knauers Interpreta­tion von „Das alte Schloss“(Mussorgski) eintauchen konnten, um danach mit wogendem Applaus den Künstlern Beifall zu zollen.

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Foto: Fred Schöllhorn Ismael und Ahab, die berühmten Protagonis­ten aus „Moby Dick“, vereinte Ulrich Tukur in Mimik und Gestik.

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