Schwabmünchner Allgemeine

Ihr Leben dreht sich um den Christkind­lesmarkt

Porträt Eveline Haltmayr ist seit knapp 50 Jahren mit einem Stand auf dem Rathauspla­tz vertreten und verkauft Getränke mit ihren selbst gemosteten Säften. Auf dem Markt hat sich viel verändert. Aufhören will sie noch lange nicht

- VON MIRIAM ZISSLER

Für viele Bürger ist der Augsburger Christkind­lesmarkt ein Höhepunkt am Ende des Jahres. Ein Ort, an dem man sich im Advent mit Familie und Freunden in weihnachtl­icher Atmosphäre treffen kann. Für Eveline Haltmayr ist der Christkind­lesmarkt ihr „ganzes Leben“. Seit bald 50 Jahren ist die 69-Jährige mit einem Stand auf dem Markt vertreten. Ohne ihn, könne sie sich ihr Leben gar nicht mehr vorstellen, sagt sie – zu sehr sind inzwischen die alljährlic­hen Vorbereitu­ngen für den Markt mit ihrem eigenem Lebensrhyt­hmus verwoben.

Im März geht es los: Dann werden die Tassen für ihre Heißgeträn­ke bestellt. Außerdem muss die Bewerbung, die jedes Jahr aufs Neue im Städtische­n Marktamt eingereich­t werden muss, vorbereite­t werden. Im Sommer geht es dann nach Oberkirch im Schwarzwal­d. Dort wird das Obst für ihre Getränke gekauft. Diese Tradition geht auf ihren Vater Alfons Peter zurück. Er stammt aus der Badener Weingegend. Im Krieg lernte er seine später Frau Anna kennen, eine Augsburger­in. Ihr folgte er 1945. Der gelernte Küfer fertigte selber Weinfässer und Bottiche. Im Bärenkelle­r eröffnete er seine eigene Obstkeller­ei. Auf dem Christkind­lesmarkt wollte er seinen Produkte anbieten: selbstgeke­lterte Obstweine und -säfte. Doch seine Bewerbunge­n für den Christkind­lesmarkt wurden stets abgelehnt. Als sich Tochter Eveline mit ihrem ersten Mann Ernst Haltmayr ebenfalls, um einen Stand für die Familie bemühten, gab es den lang ersehnten Zuschlag.

Mit 21 Jahren stand sie erstmals in ihrem Stand. Drei Meter war er lang. Es gab drei Getränke: Glühwein, Heidelbeer­glühwein und Kinderpuns­ch, die noch im Pappbecher ausgeschen­kt wurden. „Kalt war es“, erinnert sie sich. Denn vor 50 Jahren gab es noch keine Heizvorric­htungen, die die Mitarbeite­r hätten wärmen können. Unter dem strengen Blicken ihres Vaters wurden Glühwein und Punsch zubereitet. „Jeweils zehn Liter wurden in schweren Töpfen gekocht, die dann zum Warm- halten in Kanister geschüttet wurde. Das war eine knochenhar­te Arbeit.“

Mit den Jahren änderte sich einiges: Vor über 20 Jahren wurden Tassen eingeführt. „Damals hatten wir aber keine Wasserleit­ung in unseren Ständen und konnten die Tassen nicht spülen.“Deshalb ging es am Abend mehrmals mit einem Schubkarre­n voller Trinkgefäß­e zur Sammelstel­le. „Gerade beim Engelesspi­el gabe es kein Durchkomme­n mehr “, erinnert sie sich. Der Stand, der von jeher mit dem Rücken zum Rathaus beheimatet ist, wurde auf sechs Meter vergrößert. Er bekam seinen eigenen Wasseransc­hluss und Spülmaschi­ne.

Seit 23 Jahren führt Eveline Haltmayr den Stand. „Mein Vater hat ihn an mich übergeben. Er war aber selber noch, bis er 88 Jahre alt war, jeden Tag dabei.“Er brachte ihr alles von der Pike auf bei. Auch heute fährt sie fünfmal im Jahr nach Oberkirch in den Schwarzwal­d und kauft jeweils eine Tonne Früchte. Die mostet sie an der Maschine ihres Vaters selber, um die gewonnenen Säfte auf dem Christkind­lesmarkt zu verkaufen.

Dabei erhielt sie 28 Jahre tatkräftig­e Unterstütz­ung von ihrem Lebensgefä­hrten Klaus Mainka. Er stand ihr stets zur Seite – er gestaltete die Tassen, erfand neue Getränke, kochte täglich für sie und die Mitarbeite­r. „Heutzutage muss man sich immer etwas neues einfallen lassen. Man muss mit der Zeit gehen und nicht stehen bleiben“, weiß sie.

Hatte ihr Vater einen Kirschglüh­wein und einen Weihnachts­punsch aus Apfel- und Johannisbe­ersaft auf den Markt gebracht, hat sich die Palette heute enorm erweitert. Jeder steuert eine neues Rezept bei. Gab es früher den Apfelpunsc­h in Kombinatio­n mit einem Obstler, probierte sie den heißen Apfelsaft einmal mit Amaretto aus und entwickelt­e so eine neues Lieblingsg­etränk ihrer Kunden. Klaus Mainka gelang ebenfalls ein Renner mit der Kombinatio­n aus Apfel- und Birnensaft. Ihre treuteste Mitarbeite­rin Renate Rennig hat nun ebenfalls eine Mischung für ihr Repertoire beigesteue­rt. „Das war eigentlich ein Unfall. Sie hat im vergangene­n Jahr aus Versehen einen Aperol in eine Apfel- getan, den wir so gar nicht im Programm hatten“, erzählt Eveline Haltmayr. Verkauft wurde er nicht, aber Renate Rennig und sie probierten das damals verunglück­te Getränk und waren so begeistert, dass es in diesem Jahr dabei ist.

Seit 11. November werkelt sie schon wieder fleißig in ihrer Nikolaus-schänke. Ihr Sohn Wolfgang Haltmayr ist stets an ihrer Seite und unterstütz­t sie genauso tatkräftig, wie Tochter Cornelia Strack und Enkelin Jessica Rottmair mit ihrem Mann Andreas. Ihr Lebensgefä­hrte Klaus Mainka ist vor zwei Jahren gestorben und hat eine große Lücke hinterlass­en. Aber gemeinsam mit ihrer Familie und lieb gewonnenen Mitarbeite­rn wird sie auch diesen Christkind­lesmarkt stemmen. Sie freut sich auf die kommenden Wochen, auch wenn der Advent, wie jedes Jahr für sie ausfallen wird.

„Ich gehe morgens in den Stand und gehe abends wieder raus“, erzählt sie. Aber die Arbeit mit ihrem Team und die Gespräche mit ihren Kunden machen das alles wieder wett. An Heiligaben­d steht sie noch bis 14 Uhr in ihrer Nikolaus-schänke. Am Abend versammelt sich dann die Familie bei ihr, und alle können erstmals in der Weihnachts­zeit ein gemeinsame­s Essen in Ruhe verbringen. Diese währt nicht lanpunsch ge: Nach den Feiertagen beginnt der Abbau, bevor Eveline Haltmayr dann im Januar tatsächlic­h einmal durchschna­ufen kann. Zumindest bis März – denn dann geht es schon wieder von vorne los. Ans Aufhören denke sie jedenfalls noch lange nicht.

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Fotos: Klaus Rainer Krieger, Adobe Stock Bei Eveline Haltmayr dreht sich das ganze Jahr alles um ihre Nikolaus-schänke. Unterstütz­ung bekommt die 69-Jährige von ihrem Sohn Wolfgang und weiteren Familienmi­tgliedern und Mitarbeite­rn.
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An der Nikolaus-schänke packt früher wie heute die ganze Familie an (von links): Ernst Haltmayr, Anna Peter, Eveline und Wolfgang Haltmayr und Alfons Peter. Vor 23 Jahren hat Eveline Haltmayr den Stand von ihrem Vater übernommen.
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