Wie die Geheimsache in den Wald kam
Spurensuche Wer den Gedenkweg Kuno im Scheppacher Forst besuchen will: Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten
Zusmarshausen Wer sich in den kommenden Wochen selbst auf die Spur des geheimen Waldwerks Kuno im Scheppacher Forst machen will, kann den neuen Gedenkweg besuchen. Er vermittelt viele Informationen anhand der Reste der ehemaligen Rüstungsanlage, in der versteckt im Wald Düsenjäger gebaut wurden. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten über das dunkle Stück Geschichte:
Was genau ist im Scheppacher Forst passiert?
Im Herbst 1944 wurde dort eine Rüstungsanlage aufgebaut. Versteckt im Wald sollte die Me 262 endmontiert werden. Die Maschine war der erste in Serie hergestellte Düsenjäger der Welt.
Warum wurde ausgerechnet im Wald ein Düsenjäger produziert?
Nach Bombenangriffen auf deutsche Rüstungsanlagen, vor allem Anfang 1944 auf die MesserschmittWerke in Augsburg-Haunstetten, wurde die Fertigung dezentralisiert. Das heißt: Produziert wurde an verschiedenen Orten, die vor feindlichen Angriffen geschützt waren.
War Kuno die einzige Anlage, in der die „Wunderwaffe“montiert wurde? Nein. Es gab noch weitere Waldwerke, zum Beispiel bei Hagelstadt oder nahe des damaligen Flughafens Obertraubling bei Regensburg.
Wie viele Maschinen sind abgehoben? Das ist nicht ganz klar. Es gibt einen der vom Scheppacher Kirchturm aus eine dröhnende Me 262 aufsteigen sah. Zielflughafen war offenbar Briest.
Wie viele Düsenjäger wurden gebaut? Schätzungsweise bis zu 100. Das geht aus einer internen Aufstellung der Messerschmitt-Werke hervor. Sie wurden entlang der Autobahn abgestellt und sollten starten. Doch dann kamen die Amerikaner ...
Wer hat das Waldwerk gebaut? Dutzende Zwangsarbeiter mussten Fundamente bauen. Auch zwangsverpflichtete Handwerker aus der Region, die nicht mehr in den Krieg konnten, mussten anpacken.
Wurde das Waldwerk während des Krieges nie entdeckt?
Offenbar nicht. Sonst hätte es sicherlich Bombardements gegeben. Damit die Anlage aus der Luft nicht zu sehen war, wurden Tarnnetze über die Baracken und Wege gespannt. Der ausbetonierte Mittelstreifen der Autobahn wurde übrigens grün bemalt: So war aus der Luft nicht zu erkennen, dass es sich um eine Startbahn für Flugzeuge handelte.
Warum wurde die Me 262 als Wunderwaffe bezeichnet?
Der Düsenjäger sollte entscheidend zur Kriegswende beitragen. Es gab noch weitere Waffen, die Wunder bewirken sollten: zum Beispiel die Rakete V2, die Wernher von Braun mitentwickelt hatte.
Woher weiß man eigentlich, was sich im Scheppacher Forst zugetragen hat? Zum einen gibt es Berichte der Überlebenden. Dazu kommen viele Zeitzeugen aus der Region, die zum Beispiel die Me 262 an der Autobahn stehen gesehen haben. Erhalten sind auch verschiedene Dokumente der Messerschmitt AG, beiZeitzeugen, spielsweise ein Schreiben über den Baufortschritt in verschiedenen Werken in der Region.
Warum heißt das Waldwerk Kuno? Der Name Kuno AG war wohl eine Erfindung. Mit ihr sollte die geheime Rüstungsanlage verschleiert werden. Ein weiterer Tarnname war Kiesweg. Meistens erhielten die Messerschmitt-Werke einen Tarnnamen, der auch einen Bezug zum Werkleiter hatte. Das Werk für Triebwerksverkleidungen in Lauingen leitete ein Herr Brummer, Tarnname war „Brummingen“. Kuno-Leiter war ein Mann namens Lattke.
Was gehörte zum Waldlager? Herzstücke der Anlage auf etwa vier Hektar Fläche war die Montagehalle. Es gab außerdem eine Kantine, eine Heizanlage, zwei Lackierhallen, einen Schießstand sowie eine Kompensierscheibe, um den Bordkompass jeder Me 262 zu justieren. Zum Waldwerk wurde eine Stromleitung geführt, außerdem gab es eine Wasser- und Abwasserleitung.
Wer arbeitete im Waldwerk? Facharbeiter der Messerschmitt AG und KZ-Häftlinge.
Wie wurde gearbeitet?
Unter einfachsten Bedingungen, auch im Schichtsystem. Messerschmitt gab neun Montage-Takte vor – die Düsenjäger sollten wie am Fließband entstehen.
Wo waren die KZ-Häftlinge untergebracht?
Sie schliefen in Burgau, in der Außenstelle des KZ Dachau. Dorthin kamen Ende Februar, Anfang März auch 1000 Frauen aus den KZ Bergen-Belsen und Ravensbrück. Sie wurden in zwei Transporten unter unmenschlichen Bedingungen nach Schwaben gebracht. Etwa 150 Frauen mussten im Waldwerk arbeiten.
Starb jemand im Waldwerk?
Das ist bislang nicht bekannt. Es gibt allerdings ein Foto eines Zusmarshauser Fotografen, das in einem Waldstück aufgenommen wurde und über ein Dutzend Leichen zeigt. Es könnte im Waldwerk aufgenommen worden sein. Mehr ist darüber bislang nicht bekannt.
Wurden die SS-Schergen zur Verantwortung gezogen?
Zum Teil. Der Burgauer Lagerleiter erhielt eine Strafe von fünf Jahren. Eine Aufseherin, die Häftlinge mit einer Peitsche aus Flugzeugdrähten geschlagen haben soll, blieb ohne Strafe. Ihre Spur verlor sich in den Nachkriegsjahren.