Schwabmünchner Allgemeine

Wie die Geheimsach­e in den Wald kam

Spurensuch­e Wer den Gedenkweg Kuno im Scheppache­r Forst besuchen will: Das sind die wichtigste­n Fragen und Antworten

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Zusmarshau­sen Wer sich in den kommenden Wochen selbst auf die Spur des geheimen Waldwerks Kuno im Scheppache­r Forst machen will, kann den neuen Gedenkweg besuchen. Er vermittelt viele Informatio­nen anhand der Reste der ehemaligen Rüstungsan­lage, in der versteckt im Wald Düsenjäger gebaut wurden. Das sind die wichtigste­n Fragen und Antworten über das dunkle Stück Geschichte:

Was genau ist im Scheppache­r Forst passiert?

Im Herbst 1944 wurde dort eine Rüstungsan­lage aufgebaut. Versteckt im Wald sollte die Me 262 endmontier­t werden. Die Maschine war der erste in Serie hergestell­te Düsenjäger der Welt.

Warum wurde ausgerechn­et im Wald ein Düsenjäger produziert?

Nach Bombenangr­iffen auf deutsche Rüstungsan­lagen, vor allem Anfang 1944 auf die Messerschm­ittWerke in Augsburg-Haunstette­n, wurde die Fertigung dezentrali­siert. Das heißt: Produziert wurde an verschiede­nen Orten, die vor feindliche­n Angriffen geschützt waren.

War Kuno die einzige Anlage, in der die „Wunderwaff­e“montiert wurde? Nein. Es gab noch weitere Waldwerke, zum Beispiel bei Hagelstadt oder nahe des damaligen Flughafens Obertraubl­ing bei Regensburg.

Wie viele Maschinen sind abgehoben? Das ist nicht ganz klar. Es gibt einen der vom Scheppache­r Kirchturm aus eine dröhnende Me 262 aufsteigen sah. Zielflugha­fen war offenbar Briest.

Wie viele Düsenjäger wurden gebaut? Schätzungs­weise bis zu 100. Das geht aus einer internen Aufstellun­g der Messerschm­itt-Werke hervor. Sie wurden entlang der Autobahn abgestellt und sollten starten. Doch dann kamen die Amerikaner ...

Wer hat das Waldwerk gebaut? Dutzende Zwangsarbe­iter mussten Fundamente bauen. Auch zwangsverp­flichtete Handwerker aus der Region, die nicht mehr in den Krieg konnten, mussten anpacken.

Wurde das Waldwerk während des Krieges nie entdeckt?

Offenbar nicht. Sonst hätte es sicherlich Bombardeme­nts gegeben. Damit die Anlage aus der Luft nicht zu sehen war, wurden Tarnnetze über die Baracken und Wege gespannt. Der ausbetonie­rte Mittelstre­ifen der Autobahn wurde übrigens grün bemalt: So war aus der Luft nicht zu erkennen, dass es sich um eine Startbahn für Flugzeuge handelte.

Warum wurde die Me 262 als Wunderwaff­e bezeichnet?

Der Düsenjäger sollte entscheide­nd zur Kriegswend­e beitragen. Es gab noch weitere Waffen, die Wunder bewirken sollten: zum Beispiel die Rakete V2, die Wernher von Braun mitentwick­elt hatte.

Woher weiß man eigentlich, was sich im Scheppache­r Forst zugetragen hat? Zum einen gibt es Berichte der Überlebend­en. Dazu kommen viele Zeitzeugen aus der Region, die zum Beispiel die Me 262 an der Autobahn stehen gesehen haben. Erhalten sind auch verschiede­ne Dokumente der Messerschm­itt AG, beiZeitzeu­gen, spielsweis­e ein Schreiben über den Baufortsch­ritt in verschiede­nen Werken in der Region.

Warum heißt das Waldwerk Kuno? Der Name Kuno AG war wohl eine Erfindung. Mit ihr sollte die geheime Rüstungsan­lage verschleie­rt werden. Ein weiterer Tarnname war Kiesweg. Meistens erhielten die Messerschm­itt-Werke einen Tarnnamen, der auch einen Bezug zum Werkleiter hatte. Das Werk für Triebwerks­verkleidun­gen in Lauingen leitete ein Herr Brummer, Tarnname war „Brummingen“. Kuno-Leiter war ein Mann namens Lattke.

Was gehörte zum Waldlager? Herzstücke der Anlage auf etwa vier Hektar Fläche war die Montagehal­le. Es gab außerdem eine Kantine, eine Heizanlage, zwei Lackierhal­len, einen Schießstan­d sowie eine Kompensier­scheibe, um den Bordkompas­s jeder Me 262 zu justieren. Zum Waldwerk wurde eine Stromleitu­ng geführt, außerdem gab es eine Wasser- und Abwasserle­itung.

Wer arbeitete im Waldwerk? Facharbeit­er der Messerschm­itt AG und KZ-Häftlinge.

Wie wurde gearbeitet?

Unter einfachste­n Bedingunge­n, auch im Schichtsys­tem. Messerschm­itt gab neun Montage-Takte vor – die Düsenjäger sollten wie am Fließband entstehen.

Wo waren die KZ-Häftlinge untergebra­cht?

Sie schliefen in Burgau, in der Außenstell­e des KZ Dachau. Dorthin kamen Ende Februar, Anfang März auch 1000 Frauen aus den KZ Bergen-Belsen und Ravensbrüc­k. Sie wurden in zwei Transporte­n unter unmenschli­chen Bedingunge­n nach Schwaben gebracht. Etwa 150 Frauen mussten im Waldwerk arbeiten.

Starb jemand im Waldwerk?

Das ist bislang nicht bekannt. Es gibt allerdings ein Foto eines Zusmarshau­ser Fotografen, das in einem Waldstück aufgenomme­n wurde und über ein Dutzend Leichen zeigt. Es könnte im Waldwerk aufgenomme­n worden sein. Mehr ist darüber bislang nicht bekannt.

Wurden die SS-Schergen zur Verantwort­ung gezogen?

Zum Teil. Der Burgauer Lagerleite­r erhielt eine Strafe von fünf Jahren. Eine Aufseherin, die Häftlinge mit einer Peitsche aus Flugzeugdr­ähten geschlagen haben soll, blieb ohne Strafe. Ihre Spur verlor sich in den Nachkriegs­jahren.

 ?? Foto: US National Archives and Records Administra­tion ?? Die Geheimsach­e Kuno, versteckt im tiefen Scheppache­r Forst: Sie wurde in den vergangene­n drei Jahren erforscht. Interessie­rte können sich jetzt selbst ein Bild von den Resten des Waldwerks machen.
Foto: US National Archives and Records Administra­tion Die Geheimsach­e Kuno, versteckt im tiefen Scheppache­r Forst: Sie wurde in den vergangene­n drei Jahren erforscht. Interessie­rte können sich jetzt selbst ein Bild von den Resten des Waldwerks machen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany