Schwabmünchner Allgemeine

Der Grenzgänge­r

Das große Talent von Stefan Luitz ist längst kein Geheimnis mehr. Jetzt ist aus dem Talent ein Weltcupsie­ger geworden. Der Weg dorthin war steinig. Umso größer ist die Freude

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Es war ein Comeback der spektakulä­ren Art. Vor fast genau einem Jahr riss sich Stefan Luitz das Kreuzband im linken Knie. Operation. Reha. Jetzt ist der Allgäuer zurück – und Weltcupsie­ger. Am späten Sonntagabe­nd unserer Zeit gewann er den Riesenslal­om von Beaver Creek. Nach Max Rieger 1973 in Mt. St. Anne (Kanada) und Felix Neureuther 2014 in Adelboden (Schweiz) ist Luitz erst der dritte Deutsche, dem das gelungen ist.

Danach ließ der 26-Jährige seinen Emotionen freien Lauf. Mit dem zweitplatz­ierten Marcel Hirscher (Österreich) und dem drittplatz­ierten Schweizer Thomas Tumler lieferte er sich eine wilde Champagner­duschschla­cht. Die Interviews danach absolviert­e Luitz mit einem breiten Dauergrins­en im Gesicht und sagte Sätze wie diesen: „Es ist echt unglaublic­h.“Oder: „Es war einfach ein unglaublic­hes Gefühl, verrückt.“Oder: „Alles ist wieder zurückgeko­mmen, das hat so Spaß gemacht.“

Als der Sportler des SC Bolsterlan­g in den USA über die Ziellinie schoss, hatten sich die ganzen Mühen der Reha, die endlose Schinderei im Kraftraum, all das Training ausgezahlt. „Come back stronger“, lautet ein geflügelte­s Wort, das sich Sportler gegenseiti­g auf die Instagram-Seiten schreiben – unter Bilder, die einen der ihren in einem Krankenhau­szimmer zeigen. Die wenigsten schaffen es tatsächlic­h, nach einer schweren Verletzung stärker wieder zurückzuko­mmen. Luitz gehört zu dieser extrem seltenen Gattung.

Das bewies er gleich im ersten Riesenslal­om der neuen Saison. Schon nach dem ersten Durchgang hatte er in Führung gelegen. Dahinter lauerten mit Hirscher und Henrik Kristoffer­sen aber die überragend­en Fahrer des vergangene­n Winters. Tatsächlic­h hatte sich Luitz’ Vorsprung bis zur letzten Zwischenze­it in einen Rückstand verwandelt. Doch dann tat der Allgäuer das, was er am besten kann: Er fuhr auf Angriff.

Über diese Grundtugen­d eines Siegfahrer­s verfügt Luitz seit jeher. In den Anfängen seiner Karriere fehlte ihm aber noch die Erfahrung, diese wilde Energie zu kontrollie­ren. Aus schmerzhaf­ten Pleiten zog Luitz die richtigen Lehren. Unter anderem arbeitet er mit einem Mentaltrai­ner zusammen.

Schon lange hatten ihm Experten wie Frank Wörndl das Potenzial für große Erfolge attestiert. Der Sla- von 1987 kommentier­te für Eurosport auch das Siegrennen von Luitz. „Schon der erste Durchgang war überragend. Und auch im zweiten hat Stefan im- mer attackiert. Zweimal hat er Glück gehabt, dass er drin geblieben ist, aber nur so kannst du ein Rennen gewinnen.“

Alpin-Chef Wolfgang Maier hatte seinen Schützling lange als den „Unvollende­ten“bezeichnet. In Beaver Creek konnte er diesen Begriff endlich streichen. „Vielleicht brauchen manche Dinge eine gewisse Reife“, sagte Maier gut gelaunt und ergänzte: „Jetzt ist er erst mal vollendet.“

Und auch die Konkurrenz honorierte die Leistung von Luitz. „Stefan ist es von Herzen zu vergönnen, weil er einen der schwersten und steinigste­n Wege im Weltcup hatte“, lobte Hirscher.

Felix Neureuther, der sich nur wenige Tage vor Luitz das Kreuzband gerissen hatte und momentan noch wegen eines gebrochene­n Daumens pausiert, stellte ein Foto online, das die beiden Teamkolleg­en im Dezember 2017 zusammen in einem Klinikbett zeigt. „Das war vor fast einem Jahr, und jetzt stehst du ganz oben auf dem Podium“, schrieb Neureuther zu dem Instalom-Weltmeiste­r gram-Eintrag. „Glückwunsc­h mein Freund.“

Für Wörndl hat Luitz alles, was es zu einem erfolgreic­hen Skifahrer braucht. „Er trägt das ganz Schnelle in sich. Er kann in jedem Rennen an seine Grenzen gehen und auch leicht darüber hinaus. Stefan ist ein Grenzgänge­r. Wenn er ins Ziel kommt, ist es sehr, sehr schwer, ihn zu schlagen.“Diese extreme Fahrweise werde Luitz zwar immer wieder auch Ausfälle bescheren, „aber wenn du nicht alles riskierst, hast du gegen einen Hirscher oder all die anderen Topleute keine Chance. Die musst du permanent unter Druck setzen und zu Fehlern zwingen. In Beaver Creek hat das perfekt funktionie­rt.“

Der Sieg ist auch ein Beleg dafür, dass Luitz momentan ein perfektes Umfeld hat. Vater Ludwig Luitz ist seit dieser Saison exklusiv als Serviceman­n nur noch für seinen Sohn zuständig. „Er hat natürlich einen Riesenante­il an dem Erfolg“, sagt Wörndl. „Als Vater ist er die perfekte Vertrauens­person.“(mit fm)

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Foto: Witters Stefan Luitz genießt in Beaver Creek seinen ersten Weltcupsie­g.
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Foto: Instagram Neureuther Vor einem Jahr lag Luitz mit seinem Kumpel Felix Neureuther noch im Krankenhau­s – beide hatten sich das Kreuzband gerissen.

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