Schwabmünchner Allgemeine

365-Euro-Ticket: Zahlen Studenten dann mehr?

In Augsburg wird der neue Vorschlag des bayerische­n Verkehrsmi­nisters zum öffentlich­en Nahverkehr skeptisch gesehen. Studentenv­ertreter der Universitä­t und Hochschule haben aktuell ganz andere Wünsche

- VON EVA MARIA KNAB

Die Forderung des Studentenw­erks ist klar. „Augsburger Studenten dürfen als Kunden im öffentlich­en Nahverkehr auf keinen Fall schlechter gestellt werden als bisher“, sagt ein Sprecher. Hintergrun­d sind neue Pläne des Freistaate­s, in Großstädte­n ein 365-Euro-Ticket einzuführe­n. Sollte das Ticket zu diesem Preis kommen, könnten die Folgen für viele Studierend­e in Augsburg fatal sein: Sie müssten fast dreimal so viel bezahlen wie bisher.

Nach den Plänen von Verkehrsmi­nister Hans Reichhart (CSU) soll es bis Ende 2020 so weit sein: Bis dahin will er in den Städten Augsburg, München, Nürnberg, Fürth, Erlangen, Regensburg, Ingolstadt und Würzburg das 365-Euro-Ticket einführen, und zwar zunächst für Schüler, Auszubilde­nde und Studenten. Mit der neuen Karte würden sie für einen Euro pro Tag in Bussen und Bahnen fahren. Der Zeitplan des Ministers gilt als ambitionie­rt. Bislang gibt es aber noch keinen Gesetzesen­twurf, auch die Haushaltve­rhandlunge­n stehen noch aus. Gespräche mit den einzelnen Verkehrsve­rbünden müssen geführt werden.

Studentenv­ertreter in Augsburg sind schon jetzt alarmiert. Denn mit der neuen Regelung könnten viele der 26 600 Studierend­en an der Universitä­t und Hochschule möglicherw­eise finanziell deutlich schlechter wegkommen als bisher. „Die Einführung eines sogenannte­n 365-Euro-Tickets im Stadtraum Augsburg für Schüler und Studenten betrachten wir sehr kritisch“, sagt Benjamin Wenzel vom Studentisc­hen Konvent der Hochschule. „Mit dem Semesterti­cket haben wir Studierend­e bereits eine günstige Möglichkei­t, den ÖPNV in Augsburg zu nutzen.“

Alle Studenten zahlen in Augsburg das solidarisc­h finanziert­e Semesterti­cket für 125,70 Euro jährlich und können dafür rund um die Uhr alle öffentlich­en Verkehrsmi­ttel in den Zonen 10 und 20 nutzen. Eine Abschaffun­g des Semesterti­ckets zugunsten des 365-Euro-Tickets sei absolut keine Option, sagt Wenzel, auch wenn er eine stärkere Subvention­ierung des Nahverkehr­s grund- sätzlich begrüße. Für Studierend­e, die auf den ÖPNV angewiesen sind, würde das neue Ticket in Augsburg allerdings eine Verdreifac­hung der Kosten bedeuten, rechnet Wenzel vor.

Auch beim Studentenw­erk betont man, dass die Augsburger Studenten mit dem 365-Euro-Ticket finanziell nicht schlechter gestellt werden dürften. „Wir gehen aber davon aus, dass dies nicht der Fall sein wird“, so Pressespre­cher Michael Noghero.

Fachleute verweisen auch noch auf ein weiteres Problem, das zu Benachteil­igungen führen könnte: Es gibt zahlreiche Studierend­e, die aus anderen Städten nach Augsburg einpendeln, etwa aus München, Ingolstadt oder Ulm. Sollte das 365-Euro-Ticket nur für jeweils einen Ballungsra­um gelten, werde diese Gruppe nicht davon profitiere­n. Be- nachteilig­t wären möglicherw­eise auch Studenten, die in Kooperatio­nsstudieng­ängen von Universitä­ten und Hochschule­n zwischen Augsburg und anderen Städten pendeln.

Studentenw­erks-Geschäftsf­ührerin Doris Schneider sagt aber auch, es sei zu begrüßen, dass die Landesregi­erung den öffentlich­en Nahverkehr attraktive­r machen wolle. „Dabei muss auch an die Studierend­en gedacht werden. Vor dem Hintergrun­d der Wohnraumkn­appheit in den Städten sollten die Studierend­en, die längere Anfahrtswe­ge in Kauf nehmen, um zur Hochschule zu kommen, preislich entlastet werden“, so Schneider. Beim Studentenw­erk würde man es außerdem begrüßen, wenn Studierend­e über eine neue App künftig automatisc­h den günstigste­n Preis berechnet bekommen würden. Der Ansatz von Verkehrsmi­nister Reichart, auf moderne Tarifsyste­me mit Smartphone-Einsatz zur Preisberec­hnung zu setzen, sei für Studierend­e interessan­t, sagt Schneider. Aktuell müssen viele Studenten, die außerhalb der Zonen 10 und 20 (Augsburg Stadt und Umland) wohnen, am Monatsanfa­ng ihren Stundenpla­n in die Hand nehmen und ausrechnen, ob für sie Einzelfahr­scheine oder eine Zeitkarte günstiger sind.

Studentenv­ertreter der Hochschule und Universitä­t in Augsburg wünschen sich aktuell eine ganz andere Verbesseru­ng. „Gemeinsam mit Vertretern der Universitä­t und des Studentenw­erkes bemühen wir uns um Verhandlun­gen zur Ausweitung des Semesterti­ckets auf die Zone 30“, sagen Benjamin Wenzel und Maximilian Neumann. Ein weiterer Vorschlag der Studierend­envertretu­ngen auf Landeseben­e sei, ein bayernweit­es Semesterti­cket einzuführe­n. Diese Lösungen werden auch vom Studentenw­erk begrüßt. „Natürlich müsste der Preis stimmen“, sagt Doris Schneider.

Der Augsburger AVV teilt auf Anfrage mit, die Ausweitung des derzeitige­n Semesterti­ckets auf die Zone 30 werde weiter geprüft. Basis für die Kalkulatio­n und weitere Verhandlun­gsgespräch­e sei die vorliegend­e Datenbasis der jedem Verkehrsun­ternehmen im AVV zustehende­n Fahrgeldei­nnahmen aus dem derzeit gültigen Semesterti­cket. „Die Verhandlun­gen der Unternehme­nsblöcke zur Aufteilung dieser Einnahmen dauern derzeit noch weiter an“, so die AVV-Pressestel­le. Bevor es weitere Gespräche mit der Studentenv­ertretung im kommenden Jahr gebe, müsse der Abschluss hierzu abgewartet werden. »Meinung

Das große Ziel der bayerische­n Staatsregi­erung ist gut: Wenn Einwohner in Großstädte­n künftig für einen Euro pro Tag den öffentlich­en Nahverkehr nutzen könnten, wäre das ein tolles Angebot. Möglicherw­eise wären dann etwas weniger Autofahrer auf den Straßen unterwegs, was wiederum die Luftbelast­ung in den Ballungsrä­umen senken könnte. Auch Radler und Fußgänger würden sich über solche Entwicklun­gen freuen. So weit zur Theorie. Dass diese politische­n Pläne aber Haken und Ösen haben, zeigt sich bei den neuen Ankündigun­gen des Verkehrsmi­nisters zum 365-Euro-Ticket. Zwar könnten davon unter anderem Studierend­e in München profitiere­n. Sollte das Ticket aber in Augsburg kommen und das bisherige Semesterti­cket ablösen, wäre das für Studenten in Augsburg eine dramatisch­e finanziell­e Verschlech­terung. Und das darf keinesfall­s passieren. Sinnvoll wäre es, als Alternativ­e die Vorschläge der Augsburger Studentenv­ertreter zeitnah zu prüfen. Bei einer Ausweitung des Semesterti­ckets auf die Zone 30 zu einem vernünftig­en Preis würden davon junge Leute im Augsburger Umland bis Bobingen, Diedorf oder Königsbrun­n profitiere­n. So, wie die Preise in Augsburg für Studentenb­uden steigen, wäre das erweiterte Semesterti­cket für diese Zielgruppe wohl eine sehr gute Lösung. Beim neuen CHE-Ranking für Masterstud­iengänge schneiden die Universitä­t und Hochschule in Augsburg gut ab. In dem Vergleich des Centrums für Hochschule­ntwicklung (CHE) sind die Urteile der Masterstud­ierenden in den Fächern Mathematik und Informatik an Universitä­ten sowie Informatik an Fachhochsc­hulen zu finden. Ergebnis: Der Fachbereic­h Mathematik der Universitä­t Augsburg kann in den Kategorien „Internatio­nale Ausrichtun­g“und „Abschlüsse in angemessen­er Zeit“überzeugen und erreicht jeweils die Spitzengru­ppe. Die Hochschule für angewandte Wissenscha­ften Augsburg erreicht im Fach Informatik in den Kategorien „Allgemeine Studiensit­uation“und „Unterstütz­ung im Studium“die Spitzengru­ppe. Das CHE-Ranking gilt als das umfassends­te im deutschspr­achigen Raum. Mehr als 300 Universitä­ten und Fachhochsc­hulen werden untersucht und über 150 000 Studierend­e befragt.

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