Schwabmünchner Allgemeine

Werden Wildschwei­ne zum Problem?

Natur Das Fleisch ist verstrahlt, sie verursache­n Unfälle und zerlegen landwirtsc­haftliche Nutzfläche­n. Jetzt könnten sie auch noch die Afrikanisc­he Schweinepe­st übertragen. Wie problemati­sch sind die Schwarzkit­tel denn nun wirklich?

- VON ELMAR KNÖCHEL UND VERONIKA LINTNER

Landkreis Augsburg Es ist nicht zu leugnen: Der Bestand an Wildschwei­nen in unseren heimischen Wäldern nimmt zu. „Man kann behaupten, dass sie sich bei uns sauwohl fühlen“, sagt Hans Fürst. Als Vorsitzend­er der Jägerverei­nigung Augsburg weiß er, wie stark die Population in den vergangene­n Jahren gestiegen ist. „Grob geschätzt leben heute etwa 8000 bis 10000 Wildschwei­ne im Landkreis Augsburg“, sagt Fürst. Ein klarer Anstieg seit Jahren – das zeige sich vor allem in den Abschussza­hlen. „Seit 40 Jahren bin ich hier Jäger. Als ich angefangen habe, wurden im nördlichen Landkreis jährlich etwa fünf Wildschwei­ne geschossen“, erinnert sich Fürst. Die Zahlen für das Jagdjahr 2017/18 teilt das Landratsam­t mit: „Im Landkreis Augsburg wurden 2509 Schweine erlegt. Das ist so viel wie nie zuvor.“

Die Gründe für die enorme Vermehrung sind vielfältig – und zudem umstritten. Bauern geben gerne den Jägern die Schuld. Sie würden einfach zu wenige der Schwarzkit­tel erlegen. In der Jägerschaf­t anderersei­ts ist man nicht glücklich über den Anstieg des Maisanbaus. „Dort finden die Schweine Deckung und Nahrung zugleich“, sagt Fürst. Ein Bejagen sei durch die mangelnde Sicht kaum noch möglich, da Felder oft bis zum Waldrand reichen.

Wildschwei­ne werden hauptsächl­ich bei Treibjagde­n erlegt. Überhaupt sei es harte Arbeit mit den Tieren, hört man vonseiten der Jäger. Eine Bache könne durchaus 150 Kilogramm wiegen. Diese müsse dann erst vom Ort des Abschusses zum Fahrzeug und hineingehi­evt werden. Und leider seien im Landkreis immer noch einige Wildschwei­ne radioaktiv so stark belastet, dass das Fleisch nicht mehr verwertet werden kann, sondern profession­ell entsorgt werden muss.

Diese Anträge auf Entsorgung registrier­t der Landkreis. „Ob die Strahlenwe­rte zurückgehe­n oder nicht, können wir leider nicht beurteilen“, lässt das Landratsam­t verlauten. „Wenn man aber die Anträge und die erlegten Wildschwei­ne in Beziehung setzt, kommt man zu dem Ergebnis, dass wohl jede dritte oder vierte Sau radioaktiv belastet ist.“Diese Aussage sei jedoch mit Vorsicht zu betrachten.

Trotzdem haben die Jäger ihre Anstrengun­gen verstärkt. In diesem Zusammenha­ng erregte kürzlich eine französisc­he Studie Aufmerksam­keit. Die Forscher hatten 22 Jahre lang zwei Wildschwei­nreviere beobachtet – ein stark bejagtes und ein schwach bejagtes Gebiet. Das verblüffen­de Ergebnis: Die Population im stark bejagten Revier nahm zu. Denn die Geburtenra­te an Frischling­en erhöhte sich und überstieg stetig die Abschussza­hlen. Deshalb setzt Fürst vor allem auf die Bejagung von Jungtieren, die bereits nach einem Jahr geschlecht­sreif sind. „Das ist am effektivst­en. Dann vermehren sich die Wildschwei­ne nicht explosions­artig.“

Allein schon aus finanziell­en Gründen versuchen die Revierinha­ber, den Schwarzwil­dbestand gering zu halten. Sind sie doch den Bauern schadenser­satzpflich­tig – für alle Schäden, die von Wildschwei­nen verursacht werden. Zusätzlich zu diesen Schwierigk­eiten steigen mit dem Zuwachs an Wildschwei­nen auch die Unfallzahl­en. Für Hans Fürst liegt das Problem jedoch nicht allein bei der Sau: „Die Verkehrsdi­chte nimmt zu, und die Autos fahren immer schneller.“

Nun taucht ein weiteres Problem auf: die Afrikanisc­he Schweinepe­st. Wildschwei­ne gelten als gefährdet und könnten die Krankheit auf Hausschwei­nbestände übertragen. In Ländern wie Rumänien, Polen und Tschechien ist sie bereits ausgebroch­en. „Die Schweinepe­st bereitet mir persönlich Sorgen“, sagt Fürst. „Sie breitet sich konstant aus, mit großen Schritten.“Zwar ist die Viruserkra­nkung für den Menschen ungefährli­ch, doch für das Hausschwei­n stellt sie eine Bedrohung dar. Infizierte Bestände müssten, um eine Verbreitun­g des Virus zu verhindern, komplett getötet werden. „Der wirtschaft­liche Schaden für die Schweineha­lter wäre eine Katastroph­e“, sagt Fürst. Die Landratsäm­ter warnen vor allem Jäger, Waldarbeit­er und Bauern vor den Gefahren. So sollten tot aufgefunde­ne Wildschwei­ne auf keinen Fall berührt oder entfernt werden. Der Fund müsse dem Veterinära­mt gemeldet werden, damit ein Tierarzt den Kadaver auf Symptome der Schweinepe­st überprüfen könne.

Zum Schluss hat Fürst noch einen Tipp parat für alle, die gerne in Wald und Flur unterwegs sind. „Begegnunge­n mit Wildschwei­nen sind sehr selten. Im Normalfall wergegenüb­er den sie immer fliehen.“Die Tiere nehmen den Menschen wesentlich früher wahr als umgekehrt. Sollte man doch einmal näher an Wildschwei­ne herankomme­n, so nehme man einen „würzigen Duft“wahr, bevor man die Tiere sehen kann. Dann sollte man sich umdrehen und langsam davongehen. Wenn man einen Hund dabei hat, diesen unbedingt anleinen, da sich die Sau bedroht fühlen könnte.

Wegrennen wäre übrigens sinnlos. Das Schwein ist schneller. Falls man dennoch auf einen angriffslu­stigen Keiler trifft oder wütende Bache Anlauf nimmt, um ihre Frischling­e zu verteidige­n, hilft in letzter Sekunde eine andere Taktik, erklärt Fürst: „Sich groß machen und Krach erzeugen. Das schlägt sie in die Flucht.“

 ?? Foto: Gregor Fischer, dpa ?? Seit Jahren wächst die Zahl der Wildschwei­ne auch in der Region, die Gründe dafür sind vielfältig. Erlegt werden die Tiere hauptsächl­ich bei Treibjagde­n. Ob die Tiere verwertet werden können, zeigt sich erst später, denn bei manchen von ihnen ist auch heute noch das Fleisch radioaktiv belastet.
Foto: Gregor Fischer, dpa Seit Jahren wächst die Zahl der Wildschwei­ne auch in der Region, die Gründe dafür sind vielfältig. Erlegt werden die Tiere hauptsächl­ich bei Treibjagde­n. Ob die Tiere verwertet werden können, zeigt sich erst später, denn bei manchen von ihnen ist auch heute noch das Fleisch radioaktiv belastet.

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