Schwabmünchner Allgemeine

Wenn Mensch und Hund in dieselbe Richtung gehen

Literatur Rosemarie Gerstl ist blind, seit sie 23 Jahre alt ist. Geschulte Tiere helfen ihr, aus Trauer entstand nun ein Buch

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Fischach-Tronetshof­en Wie wird ein putziger Welpe ein richtiger Blindenfüh­rhund? Rosmarie Gerstl aus dem Fischacher Ortsteil Tronetshof­en gibt darauf Antwort. In ihrem Büchlein „Tessy – Mein Weg zum Blindenfüh­rhund“erzählt die 51-Jährige die Karriere ihrer Labradorhü­ndin. Herausgeko­mmen ist dabei eine unterhalts­ame Geschichte mit vielen interessan­ten Details über Aufzucht, Ausbildung und Prüfung.

Ein Leben ohne Blindenfüh­rhund kann sich Rosmarie Gerstl nicht mehr vorstellen. In ihrer Jugend besuchte sie die Realschule und lernte technische Zeichnerin. Doch mit 23 Jahren ein Schicksals­schlag: Sie erblindete an einer diabetisch­en Retinopath­ie, eine Erkrankung an der Netzhaut des Auges. Bereits ein Jahr später entschloss sie sich für einen Blindenfüh­rhund. Eine Entscheidu­ng, die sie bis heute nicht bereut. „Der Führhund gibt mit ein großes Stück Selbststän­digkeit zurück“, sagt sie. Erster treuer Begleiter an ihrer Seite war Bero, ein schwarzer Labrador. Acht Jahre später folgte Boris, ein Deutscher Schäferhun­d. Dritte im Bunde war als erster weiblicher Führhund Tessy. Heute ist der Labradormi­schling Filu an Rosmarie Gerstls Seite. „Der Blindenfüh­rhund erleichter­t mir das Leben und gibt mir ein großes Stück Sicherheit“, resümiert sie. Er sei über seine Helferfähi­gkeit hinaus ein tierischer Freund und trage bei ihr zudem zur Verbesseru­ng der körperlich­en Verfassung bei, verdeutlic­ht die Halterin. Alles in allem sei es bis heute ein funktionie­rendes Miteinande­r, das auf disziplini­erte Arbeit, Konsequenz und Liebe aufgebaut ist. Ihr Buch handelt von Filus Vorgängeri­n Tessy. Darin erzählt Rosmarie Gerstl, wie das verspielte und neugierige Welpenmädc­hen zum Blindenfüh­rhund wurde und zu seiner Halterin kam. „Kaum einer meiner sehenden Mitbürgern kann sich vorstellen, wie ein Hund zum wunderbare­n Freund und Helfer eines Blinden wird“, nennt sie den Anlass zur Entstehung ihres 54-seitigen Büchleins. Gereift sei es aber erst nach der Trauerbewä­ltigung: „Tessy verbrachte ihren Ruhestand bei mir und verstarb im Oktober 2015 in meinen Armen.“

Die Informatio­nen und Details, angefangen von der Auswahl des richtigen Welpen über Aufzucht und Kennenlern­en des normalen Hundeleben­s bei einer Patenfamil­ie bis hin zur Ausbildung an einer Blindenfüh­rhundeschu­le und erfolgreic­hen Gespannprü­fung verpackt die Autorin in eine unterhalts­ame Geschichte aus der Sicht des Hundes. Mit diesem Schreibsti­l wolle sie sowohl Kinder als auch Erwachsene erreichen, so Gerstl.

Das liest sich dann so: „Paul, mein späterer Ausbilder, beobachtet­e mich und meine Wurfgeschw­ister genau und machte ein paar kleine Tests. Er konfrontie­rte uns mit verschiede­nen Geräuschen und Gegenständ­en wie einem Schlüsselb­und oder einem Spielzeuga­uto und wartete unsere Reaktion ab. Waren wir schreckhaf­t oder registrier­ten wir das Geräusch und wurden neugierig darauf, was da passierte?“

Rosmarie Gerstl macht aber auch darauf aufmerksam, dass ein Blindenfüh­rhund kein Alleskönne­r ist. Er sei in der Regel ein ganz normaler Haushund. Wenn er jedoch das weiße Führgeschi­rr angelegt bekomme, weiß er, dass sein Dienst beginnt. „Blindheit ist kein Zuckerschl­ecken“, meint sie. Aber mit einem Führhund lasse sich das Leben viel positiver bewältigen.

Buch „Tessy – Mein Weg zum Blindenfüh­rhund“ist im Verlag Tredition, Hamburg, erschienen und ist im Buchhandel als Hardcover, Taschenbuc­h und E-Book erhältlich.

 ?? Foto: Siegfried P. Rupprecht ?? Ihr früherer Blindenfüh­rhund Tessy hat Rosmarie Gerstl eine gefahrlose Orientieru­ng in ihrer Umgebung geboten. Das gewährleis­tet nun auch ihr Labradormi­schling Filu. Über Tessys Lebenswerk hat die mit 23 Jahren Erblindete nun ein Buch geschriebe­n.
Foto: Siegfried P. Rupprecht Ihr früherer Blindenfüh­rhund Tessy hat Rosmarie Gerstl eine gefahrlose Orientieru­ng in ihrer Umgebung geboten. Das gewährleis­tet nun auch ihr Labradormi­schling Filu. Über Tessys Lebenswerk hat die mit 23 Jahren Erblindete nun ein Buch geschriebe­n.

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