Bremsen erlaubt, Turbo-Kinder!
Der erste Blick in die Wiege. Alles drum und dran am Säugling? Zehn Finger, zwei Beine, eine Nasenspitze? So schön, so süß – doch bald schon stellt sich die Frage: Was wird wohl aus dem Menschenkind? Für manche Eltern besteht kein Zweifel: Ohne Abitur endet der Knirps in der Gosse. Kaum dem Strampler entwachsen, folgt unweigerlich der Gang zur Uni. Zum Bachelortitel schenkt Mutti einen Extrapack Pampers, und die Zahnfee bringt die Masterurkunde. Spätestens mit den ersten Pickeln ist dann das Ziel erreicht: Husch, husch auf den Arbeitsmarkt. Die Bilanz vor dem ersten Bewerbungsgespräch imponiert: Drölfzig Praktika (unbezahlt), drei Auslandsjahre (in vier Semestern). Fremdsprachkenntnisse in Urdu und Chinesisch (verhandlungssicher). Internationales Start-up sucht codendes Krippenkind mit Berufserfahrung.
So weit das Klischee der modernen Turbo-Kinder. Doch die Eile basiert auf einem Irrtum: Es ist die Illusion, schnellstmöglich anzukommen in jenem Ernst des Lebens, der schnurstracks zum Erfolg führt. Es ist der Glaube, dass irgendwo auf halber Strecke die Menschwerdung vollendet ist und die Lehrzeit beendet. Misstraut dem Klischee. Auch krumme Wege führen weit, und manch ein Umweg bietet Aussicht und Einblick. Wer bremst, hat Angst – besagt eine ziemlich plumpe Floskel. Doch wer bremst, hat tatsächlich nicht weniger vom Leben.