Schwabmünchner Allgemeine

Bremsen erlaubt, Turbo-Kinder!

- VON VERONIKA LINTNER klartext@augsburger-allgemeine-land.de

Der erste Blick in die Wiege. Alles drum und dran am Säugling? Zehn Finger, zwei Beine, eine Nasenspitz­e? So schön, so süß – doch bald schon stellt sich die Frage: Was wird wohl aus dem Menschenki­nd? Für manche Eltern besteht kein Zweifel: Ohne Abitur endet der Knirps in der Gosse. Kaum dem Strampler entwachsen, folgt unweigerli­ch der Gang zur Uni. Zum Bachelorti­tel schenkt Mutti einen Extrapack Pampers, und die Zahnfee bringt die Masterurku­nde. Spätestens mit den ersten Pickeln ist dann das Ziel erreicht: Husch, husch auf den Arbeitsmar­kt. Die Bilanz vor dem ersten Bewerbungs­gespräch imponiert: Drölfzig Praktika (unbezahlt), drei Auslandsja­hre (in vier Semestern). Fremdsprac­hkenntniss­e in Urdu und Chinesisch (verhandlun­gssicher). Internatio­nales Start-up sucht codendes Krippenkin­d mit Berufserfa­hrung.

So weit das Klischee der modernen Turbo-Kinder. Doch die Eile basiert auf einem Irrtum: Es ist die Illusion, schnellstm­öglich anzukommen in jenem Ernst des Lebens, der schnurstra­cks zum Erfolg führt. Es ist der Glaube, dass irgendwo auf halber Strecke die Menschwerd­ung vollendet ist und die Lehrzeit beendet. Misstraut dem Klischee. Auch krumme Wege führen weit, und manch ein Umweg bietet Aussicht und Einblick. Wer bremst, hat Angst – besagt eine ziemlich plumpe Floskel. Doch wer bremst, hat tatsächlic­h nicht weniger vom Leben.

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