SPD-Chefin Andrea Nahles: Viele Sozialdemokraten plagt die Furcht, dass die CDU ihren Abstand mit dem Schwung aus der Wahl Kramp-Karrenbauers weiter vergrößern könnte.
Vorstöße zur Entschärfung der Hartz-IV-Gesetze des letzten SPDKanzlers Gerhard Schröder brachten keine Trendwende in den Umfragen.
So plagt viele Sozialdemokraten die Furcht, dass die CDU ihren Abstand mit dem Schwung aus der Wahl Kramp-Karrenbauers noch weiter vergrößern könnte. Zwar steht die Saarländerin den allermeisten Sozialdemokraten in inhaltlichen Fragen deutlich näher als ihre nun unterlegenen Mitbewerber Friedrich Merz und Jens Spahn. Gerade Merz, der frühere Unionsfraktionsvorsitzende, der die vergangenen Jahre für große Finanzkonzerne gearbeitet hatte, galt vielen in der SPD als rotes Tuch. Auch über die Person Annegret Kramp-Karrenbauer verliert kaum ein Genosse ein kritisches Wort, sie gilt vielen als sympathisch und angenehm in der Zusammenarbeit.
Andererseits: In einem deutlicheren Rechtsruck beim Koalitionspartner CDU, wie er unter Spahn oder Merz, den bekennenden Konservativen, zu erwarten gewesen wäre, hätten manche in der SPD strategische Vorteile gesehen. Denn Angela Merkel hatte die CDU ja inhaltlich weit nach links gerückt und damit die Spielräume für die SPD eng gemacht. Mit der Linkspartei und den derzeit bärenstarken Grünen aber ist die Konkurrenz im linken Spektrum groß. Zwar hat auch Kramp-Karrenbauer angekündigt, sich von der Flüchtlingspolitik Angela Merkels abzugrenzen. Doch dass die CDU unter ihrer neuen Spitze nun deutlich konservativer wird und der SPD damit in ihrer schwierigen Identitätssuche neue Chancen bietet, wird nun kaum mehr erwartet. Auch dass die Chancen gestiegen sind, dass Merkel mit ihrer Vertrauten Annegret KrampKarrenbauer an der CDU-Spitze weitere drei Jahre Bundeskanzlerin bleibt, schmeckt nicht jedem in der SPD.
Viele finden, Merkel sei die Hauptverantwortliche für den Niedergang der SPD, weil sie schamlos sozialdemokratische Positionen „geklaut“habe. Dass sich dies nun ändert, ist nicht zu erwarten. Sich von der CDU abzugrenzen, sei jedenfalls nicht leichter geworden, sagen prominente SPD-Mitglieder hinter vorgehaltener Hand. In der Bewertung des Führungswechsels bei der CDU zeigt sich aber einmal mehr die gewaltige Kluft zwischen den Befürwortern und Gegnern der Großen Koalition.
Diejenigen, die wie Parteichefin Andrea Nahles oder die sechs sozialdemokratischen Bundesminister zumindest im Moment keine Alternative zum Regieren sehen, hoffen, nun erst einmal Zeit gewonnen zu haben. Im Moment, das wissen sie, wären Neuwahlen für die SPD verheerend. Jene Kreise in der Partei, die von Anfang an gegen den Gang in die Große Koalition waren und glauben, nur in der Opposition könne die SPD wieder stark werden, fühlen sich indes in ihrer Position bestätigt. Parteilinke Hilde Mattheis etwa sagte unserer Redaktion: „Die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur CDU-Vorsitzenden wird auch einen Kurswechsel nach rechts bedeuten und damit für die SPD den Druck erhöhen, möglichst rasch aus dieser Großen Koalition auszusteigen.“
Die Vorsitzende des Forums „Demokratische Linke 21“weiter: „Sonst droht die SPD völlig unkenntlich zu werden. Wir müssen endlich registrieren, dass eine Große Koalition immer einen Verlierer hat. Und der sind wir.“An der Parteibasis, sagt Mattheis, herrsche „ein Zustand zwischen Lethargie und Resignation“. Wenn die SPDSpitze „vor den Problemen weiter wegtaucht“, werde sich daran auch nichts ändern.