Charles Dickens auf Bairisch
Die Münchner Liesl Weapon und Andreas Bittl haben Charles Dickens berühmte Weihnachtsgeschichte ins Bairische übertragen und einen szenischen Abend mit Weihnachtsliedern, Gstanzln und Wirtshausmusik daraus gemacht. Am Mittwoch, 19. Dezember, 20 Uhr, kommen sie damit ins Stadttheater Kaufbeuren. Sie erzählen vom kaltherzigen Geschäftsmann Eberhard Gschaftl. Der Grantler wird von drei Geistern heimgesucht, die ihn mit seinem bisherigen Dasein konfrontieren und die Mauern um sein Herz zum Bröckeln bringen. Karten unter Tel. 083 41/966 83 966. Herr Lambertz, haben Sie heuer schon Stubenmusik zum Advent gespielt? Christoph Lambertz: Ja, natürlich, bei der Aichacher Saitenmusik als Aushilfe an Gitarre und Kontrabass.
Und was spielt man da so? Lambertz: Die Volksmusikgruppen haben ein vielseitiges Repertoire. Es sind eher die ruhigeren Sachen, die gut zum Advent passen: ruhigere Ländler und auch Menuette, Pastorellen und Hirtenmusiken.
Gibt es auch Neues in der Volksmusik? Lambertz: Es hat sich in der Stubenmusik eingebürgert, ein Stück auch mal in Moll zu spielen oder eine Passage ins Moll übergehen zu lassen. Es werden auch neue Weisen geschrieben. Oder Volksmusikgruppen übernehmen eine Weise aus einem anderen europäischen Land. Ganz beliebt sind derzeit skandinavische Melodien. Auch in der Volksmusik gibt es Moden und es ändern sich die Vorlieben.
Solche Konzerte scheinen nach wie vor sehr beliebt zu sein?
Lambertz: Durch die Bank sind die Adventssingen immer sehr gut besucht. Der Besucherstrom ist ungebrochen. Beim vom Bezirk Schwaben organisierten Adventssingen in Irsee ist die Klosterkirche jedes Jahr voll.
Sehen Sie auch jüngeres Publikum an diesen Volksmusikabenden? Lambertz: Das Publikum ist bunt gemischt, vom jungen Erwachsenen bis zum Senioren ist alles dabei. Und unter den Musikanten sitzen immer auch Jugendliche darunter.
Ist es der warme Klang der Saitenmusik und die Hirtenromantik von Flöten und Klarinetten, der die Leute im Advent im Innersten so anspricht? Lambertz: Es gibt eine gewisse Sehnsucht nach Innerlichkeit und nach dem Einfachen. Sie wird gern damit erklärt, dass solche ländliche Romantik ein Ausgleich sei im Gegensatz zu einer hochtechnisierten Zeit. Das ist ein vielleicht bisschen banaler Erklärungsversuch. Aber ich glaube, dass er trotzdem stimmt.
In den Texten adventlicher Weisen liegt viel Innerlichkeit. Passt das in einen Konzertsaal?
Lambertz: Die meisten Adventssingen finden im Kirchenraum statt – mit Ausnahme vom Goldenen Saal in Augsburg. Aber auch das ist ein sehr festlicher Rahmen. Viele der Texte sind relativ neu entstanden, die speziell für solche Adventskonzerte neu geschrieben wurden. Blickt man auf die ganz alten Texte, die überlieferten Advents- und Weihnachtslieder, so sind sie stark kirchlich geprägt. Da hat man eher das adventlich Herbe, wo die Propheten zitiert werden wie in der Adventsliturgie. Eher gefühlsbetontere Musik kommt aus der Dichtung. Das fängt an mit Ludwig Thomas „Heiliger Nacht“und noch heute entstehen Lieder, die hohen Anklang finden. Etwa von Lorenz Maierhofer, einem Tiroler Chorkomponisten, dessen Stücke viel nachgesungen werden, weil sie den heutigen Geschmack treffen.
Viele Adventssingen, etwa im Augsburger Rathaus oder im Kloster Irsee, haben über Jahrzehnte Tradition. Sicher freut Sie diese Kontinuität? Lambertz: Es mag überraschend und unglaublich klingen: Es handelt sich um keine uralte Tradition. Früher gab es Hirtenspiele in den Kirchen und Wirtshaussälen. Aber das Adventssingen ist erst in den fünfziger Jahren aufgekommen, zeitgleich in München und in Salzburg. Von Michael Bredl, dem ersten Volksmusikpfleger in Schwaben, haben wir den Hinweis auf das erste Adventssingen 1965 in Isny und ab 1966 in Sonthofen mit ungebrochener Tradition. 1972 gab es ein Adventssingen in der Kongresshalle Augsburg und vor 35 Jahren begann in Irsee das Schwäbische Adventssingen. Die relativ junge Entwicklung ist so gesehen schon wieder eine Tradition.
Aber die Stubenmusik ist urbayerisch? Lambertz: Was wir heute unter Stubenmusik verstehen, ist auch eine erste Entwicklung aus den 50er Jahren. Da wird das Hackbrett von einem lauten Begleiter der Tanzmusik zu einem zarten Melodieinstrument weiterentwickelt. Das setzt sich dann zusammen mit Zither, Gitarre, Kontrabass und Harfe. Diese Volksmusikmode verbreitete sich dann sehr schnell. Interview: Alois Knoller