Der Blick aus dem All geht durch Mark und Bein
Der Astronaut Thomas Reiter war auf dem Lechfeld zu Gast
„Diese blaue Kugel ist die Heimat; aus dem Weltall kennt man keine Grenzen.“So beschrieb der deutsche Astronaut Thomas Reiter seine Gefühle während seiner zwei Raumaufenthalte auf der früheren Raumstation Mir und der heutigen ISS. Über 160 Zuhörer lauschten auf Einladung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) im Casino der Lechfeldkaserne gebannt seinen Schilderungen zur Raumfahrt. Unter ihnen war auch der emeritierte frühere Augsburger und Militärbischof Walter Mixa.
Thomas Reiter, der seine Ausbildung unter anderem auf dem Lechfeld gemacht hat, hat eine steile Karriere hingelegt: Abitur, Studium, Testpilot bei der Bundeswehr, Astronaut, Brigadegeneral der Luftwaffe. Beim Auswahlprozedere der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) ab 1989 setzte er sich gegen 22 000 europäische Wettbewerber durch und wurde 1992 eines der sechs neuen Mitglieder des europäischen Astronautenkorps.
Er hielt sich zweimal insgesamt 350 Tage im Weltall auf. Damit war er lange der deutsche Astronaut mit dem längsten Aufenthalt im All. Erst zwölf Jahre später wurde vor ein paar Tagen diese Marke geknackt. Alexander Gerst, bis voraussichtlich vor Weihnachten erster deutscher Kommandant der Raumstation ISS, hat ihn zeitlich überholt. „Rekorde sind da, um gebrochen zu werden“, antwortete der 60-jährige Luftwaffenoffizier Thomas Reiter auf die Frage, was er dabei empfinde. Der eigentlich geplante Aufenthalt von Gerst verlängerte sich durch den Fehlstart einer russischen SojusTrägerrakete im Oktober 2018.
Mit diesem hochkarätigen Referenten bot die hiesige Sektion der GSP Einblicke in die europäische Raumfahrt durch einen Insider. So erfuhren die Zuhörer, dass im Orbit nahezu handelsübliche Laptops verwendet werden. Manche Modelle hätten ohne bemerkenswerte Modifikation übernommen werden können, andere hätten zur Anpassung an die Umweltbedingungen angepasst werden müssen. Auch die erst allgemein populär werdenden 3-D-Drucker kämen zum Einsatz.
Wie der vollkommen geerdet wirkende Astronaut Thomas Reiter mit strahlenden Augen hinter seinen Brillengläsern erzählt, hätten Alexander Gerst und seine Kollegen auf der Raumstation ISS alle Hände voll zu tun, um Lieferungen von der Erde zu empfangen. 70 Prozent der Arbeitszeit im All bestehe aus wissenschaftlicher Arbeit.
Ein anderer Schwerpunkt sei die Sicherheit im und aus dem Weltraum. Bereits kleinste Partikel mit wenigen Millimetern Durchmesser stellen allein aufgrund der enormen Geschwindigkeiten eine Gefährdung der Satelliten dar. Weltraumschrott ist mittlerweile eine echte Herausforderung. Wartung und Instandhaltung fordern die restlichen 30 Prozent der Zeit.
Der Blick auf Europa von der ISS, „das geht durch Mark und Bein“, sagt Reiter. Zuletzt war er 2006 auf der ISS im All. Zwei Ziele stehen zur Zeit im Fokus der Raumfahrt, nämlich die Erkundung des Mondes und weitere Erforschung des Mars. Reiter schätzt, dass nach 2025 wieder Menschen den Mond betreten werden, um unter anderem seltene Erden auf dem Rohstoffspeicher des Erdbegleiters zu suchen.
Anhand von Fotos und Animationen lässt der deutsche Astronaut die Zuhörer über tiefste Krater oder bis zu 26 Kilometer hohe Berge des Mars fliegen. Seit 1960 waren 18 der insgesamt 45 Mars-Missionen erfolgreich. Dass die Raumfahrt boomt, zeigt ein Blick in die nahe Zukunft. Allein der südkoreanische Mischkonzern Samsung will 4600 Satelliten bis 2025 in eine Höhe von 1400 Kilometern bringen. Boeing plant mit 2960 Satelliten. (Foto: Michael