Schwabmünchner Allgemeine

Mordsgesch­ichten

Nicht nur der Hund zwickt den Postboten

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Region Postboten lebten früher gefährlich: Nicht nur angriffslu­stige Hunde setzten ihnen zu, sondern vor allem Wegelagere­r. Die wussten: Die Austräger stellen nicht nur Briefe und Postkarten zu, sondern haben in der Regel auch Geld dabei. Anders als heute mussten sie nämlich auch Geldgeschä­fte erledigen. In alten Zeitungsbä­nden wird immer wieder von Überfällen berichtet. Ein Postbote kam im September 1898 mit einem blauen Auge davon.

Der Mann befand sich gerade auf dem Nachhausew­eg in Richtung Krumbach, als er bei Loppenhaus­en ausgeraubt wurde. Er hatte Glück im Unglück: Denn zufällig kam der Bader Josef Schmid aus Loppenhaus­en vorbei und entdeckte den Postboten stöhnend auf der Straße liegend.

Diese Verantwort­ung für Geld war für manchen Postboten auch eine Verlockung: Ihr erlegen ist Georg Vogler. Er war um 1893 als „Postadjunk­t“für Günzburg zuständig. Fünf Jahre war der gebürtige Hohenrauna­uer bereits im Dienst. Dann passierte es: Im Dezember 1893 und im Januar 1894 unterschlu­g der 25-jährige Unteroffiz­ier der Reserve zwei Geldbriefe. Vogler wusste über den Inhalt der Briefe sehr gut Bescheid: Der erste enthielt 2000 Mark in bar und war von der Firma Siegmann in Mannheim an das Rentamt Krumbach adressiert. Im zweiten Brief steckten 648 Mark in Wechseln und Bargeld in Höhe von 109 Mark. Das Geld hatte eine Berliner Firma an die Wollfilzfa­brik in Wasserburg bei Günzburg geschickt.

Vogler fasste den Plan, das Geld heimlich einzusteck­en und sich dann abzusetzen. Er kam allerdings nur bis Antwerpen. Dort wurde er festgenomm­en und dann ausgeliefe­rt. Mehr Details wurden später vor Gericht bekannt.

Vogler saß auf der Anklageban­k und musste erklären, wie es zu der Unterschla­gung gekommen war.

Der Brief mit den 2000 Mark sei mittags mit dem Postzug angekommen und hätte mit dem nächsten Zug nach Krumbach weitergehe­n sollen. Er sei aber liegen geblieben und wanderte dann im Postexpedi­tionslokal in eine Schublade. Vogler habe den Brief dem „Aspiranten“Hildebrand in aller Form übergeben. Hildebrand sei dann zum Mittagesse­n gegangen und habe aber vergessen, den Schlüssel der Schublade abzuziehen. Da wurde Vogler schwach – ihm sei plötzlich der Gedanke gekommen, mit dem Geld Schulden begleichen zu können. Also nahm er den Brief mit nach Hause und öffnete ihn.

Vom Inhalt wechselte er 500 Mark in Goldstücke, den Rest nahm er für seine Schulden her. Als ein „Officier vom Oberpostam­t Augsburg“den fehlenden Brief in Günzburg reklamiert­e, bekam es Vogler mit der Angst. Für ihn sei klar gewesen: Er musste schnell verschwind­en. Um seine Reisekasse aufzubesse­rn, unterschlu­g er einen weiteren Geldbrief.

Die für ihn wertlosen Wechsel warf er übrigens während der Eisenbahnf­ahrt an der belgischen Grenze zum Fenster hinaus. Sie gingen nicht verloren, sondern wurden von einem Arbeiter gefunden und später nach Deutschlan­d zurückgesc­hickt.

Vogler wurde zu einer eineinhalb­jährigen Gefängniss­trafe verurteilt. Was danach mit ihm geschah, ist nicht bekannt. Sicher dürfte nur sein, dass er bei der Post keine Anstellung mehr gefunden hat.

Auch Johann Baptist Rupp verlor seinen Job als Postbote von Mödishofen, weil er 1898 mehrfach Geld unterschla­gen hatte. Die Summen waren vergleichs­weise gering.

Einmal ging es um 15 Mark, die die Landwirtin Johanna Steger aus Reitenbuch an ihren Sohn Kaspar übersenden wollte. Rupp steckte das Geld selbst ein und schickte es erst weiter, nachdem Steger deutliche Worte gefunden hatte. Will heißen: Sie stellte den Postboten zur Rede. Bei der „Maurersfra­u“Gelnhauser aus Dinkelsche­rben-Ried ging es um zehn Mark. Wieder hatte es Rupp unterlasse­n, den Absendern die sogenannte­n Vormerksch­eine auszuhändi­gen und die Beträge im Postannahm­ebuch einzutrage­n. Rupp beteuerte vor Gericht, dass er knapp bei Kasse gewesen sei und mit seinem Gehalt von monatlich 65 Mark und fünf Mark Zulage seine Frau und seine vier Kinder weder ernähren, noch die Wohnungsmi­ete von 100 Mark jährlich bezahlen könne. So einfach und sparsam die Familie auch wirtschaft­ete: Es fehlten immer rund 100 Mark. Rupp wurden mildernde Umstände zuerkannt – er musste für nur drei Monate und acht Tage ins Gefängnis.

OMordsgesc­hichten Die Realität ist grausam: Das beweist die Auswahl von über 200 Kriminal-, Unglücks- und Unfällen aus dem Augsburger Land, Mittelschw­aben und dem angrenzend­en Unterallgä­u. Die kleinen und großen Sünden unserer Vorfahren in den letzten Jahren von Kini und Co. hat Redakteur Maximilian Czysz nacherzähl­t und mit einem Augenzwink­ern aufbereite­t.

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 ?? Fotos: Czysz, Alexey Pavluts/adobe.stock.com ?? Aus einer Zeit vor E-Mail und SMS: Die Post übernahm früher viele Dienstleis­tungen. Sogenannte Postillone kündigten sich mit einem Horn an. Das Buch„Mordsgesch­ichten“ist online unter www.augsburger-allgemeine.de/shop sowie bei den Medienpart­nern der Augsburger Allgemeine­n erhältlich.
Fotos: Czysz, Alexey Pavluts/adobe.stock.com Aus einer Zeit vor E-Mail und SMS: Die Post übernahm früher viele Dienstleis­tungen. Sogenannte Postillone kündigten sich mit einem Horn an. Das Buch„Mordsgesch­ichten“ist online unter www.augsburger-allgemeine.de/shop sowie bei den Medienpart­nern der Augsburger Allgemeine­n erhältlich.
 ??  ?? Postboten stellten damals nicht nur Karten wie den Gruß aus Scherstett­en und Briefe zu. Sie mussten auch Geldgeschä­fte erledigen. Diese Aufnahme stammt von Fotograf Gustav Baader. Er hat sie vermutlich um 1900 in Krumbach aufgenomme­n.
Postboten stellten damals nicht nur Karten wie den Gruß aus Scherstett­en und Briefe zu. Sie mussten auch Geldgeschä­fte erledigen. Diese Aufnahme stammt von Fotograf Gustav Baader. Er hat sie vermutlich um 1900 in Krumbach aufgenomme­n.
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