Schwabmünchner Allgemeine

„Wir stehen im Wort“

Landrat Martin Sailer (CSU) spricht über alte Verspreche­n, neue Schulden, eigene Ambitionen und die Aussichten seiner Partei bei den Kreistagsw­ahlen im kommenden Jahr

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Herr Landrat, werden Sie im kommenden Jahr wieder kandidiere­n? Sailer: Ich habe mich bislang noch nicht öffentlich geäußert, denn noch haben wir über ein Jahr Arbeit vor uns. Aber so viel kann ich sagen: Ich habe Freude an dem Amt und engagiere mich gemeinsam mit allen Fraktionen im Kreistag weiter mit aller Kraft.

Wie hoch schätzen Sie denn die Chancen ein, dass die CSU bei den Kommunalwa­hlen im nächsten Jahr die absolute Mehrheit im Kreistag erringt? Sailer: Das wäre natürlich schön. Aber wenn man es realistisc­h betrachtet, ist eine absolute Mehrheit kaum noch erreichbar, da wir ja leider mit einer weiteren Partei im Kreistag rechnen müssen. Unser Ziel ist es, wieder mit Abstand stärkste Kraft im Kreistag zu werden.

Nun sind Sie politisch von Freunden ja geradezu umzingelt. Im Landtag koaliert die CSU mit den Freien Wählern, Sie kooperiere­n auf Bezirksebe­ne mit den Grünen und im Kreistag mit der SPD. Bleibt da der politische Wettbewerb nicht auf der Strecke? Sailer: Ich glaube, dass es in der Kommunalpo­litik weniger parteipoli­tisch zugeht, und das halte ich für einen Vorteil. Zwischen den Fraktionen herrscht eine hohe Übereinsti­mmung, was die Schwerpunk­te der Kreispolit­ik angeht. Zudem geht es dem Landkreis gut. Es gibt also wenig potenziell­e Konfliktfe­lder, über die man substanzie­ll streiten könnte.

Weitgehend­e Einigkeit herrscht im Kreistag auch bei den künftigen Investitio­nen. Der Kreis steuert mit großen Schulbaute­n auf neue Rekordinve­stitionen und -schulden zu. Gibt es einen Plan B für den Fall eines wirtschaft­lichen Einbruchs?

Sailer: Wir haben ein ehrgeizige­s Investitio­nsprogramm in der Bildungsla­ndschaft, das wir seit Jahren konsequent abarbeiten. Wir haben unglaublic­h viel investiert und es liegt noch sehr viel vor uns. Das Gymnasium Gersthofen wird mit über 70 Millionen Euro das teuerste Bauvorhabe­n in der Geschichte des Landkreise­s und fast gleichzeit­ig beginnen wir mit der Generalsan­ierung in Neusäß.

Zwei derartige Großprojek­te auf einmal wollten Sie eigentlich nie mehr machen?

Sailer: Das ist richtig. Aber hier stehen wir im Wort. Aufgrund der maroden Bausubstan­z in Neusäß müssen wir zeitnah tätig werden. Da wir uns in Gersthofen nun doch für einen Neubau entschiede­n haben, verzögert sich diese Baumaßnahm­e und das führt letztendli­ch zu einer zeitlichen Überschnei­dung. In Zusmarshau­sen sanieren wir den Jugendzelt­platz und dann folgen bereits ab Mitte der 2020er Jahre die Helen-Keller-Schule und das Kreisjugen­dheim in Dinkelsche­rben.

Und dieses Programm ist unverrückb­ar?

Sailer: Nicht ganz. Aber viele Planungen sind bereits sehr weit vorangesch­ritten und es wäre unsinnig, eine schon begonnene Baumaßnahm­e aus wirtschaft­lichen Gründen zu unterbrech­en und nach fünf Jahren erneut zu beginnen. Zudem bauen wir heuer weiter Schulden ab. Ende 2019 liegen wir hier bei etwa 50 Mil- lionen Euro. Das sind lediglich 18 Millionen Euro mehr als bei meinem Amtsantrit­t 2008. Seitdem haben wir viel investiert und sind stolz auf das Erreichte.

Baubeginn in Gersthofen ist also 2021? Sailer: Ja. In Neusäß geht es 2022 los. Beide Vorhaben sind unverrückb­ar. Zwar ist damit eine weitere Verschuldu­ng verbunden, doch angesichts der günstigen Zinslage können wir uns das aktuell leisten.

Kommen wir von den Großprojek­ten zu dem Mega-Vorhaben für Augsburg und Umland. Was macht eigentlich der Masterplan für die Region im Zusammenha­ng mit der Ansiedlung der Uniklinik. Gibt es schon mehr als den Plan, einen Plan zu fassen?

Sailer: In der vergangene­n Woche fand ein erstes Spitzenges­präch zwischen dem OB, den beiden Landräten und den Kammern statt. Die besprochen­en Themen werden nun in den kommenden Monaten Stück für Stück abgearbeit­et. So geht es zum Beispiel um den Bau günstiger Woh- nungen im Bereich der Uniklinik. Der Krankenhau­szweckverb­and hat dort noch 50 Hektar Grund. Mithilfe von Investoren aus der Privatwirt­schaft haben wir hier enorme Entwicklun­gsmöglichk­eiten. Und beim Thema Nahverkehr­serschließ­ung überlegen wir, ob wir nicht auch eine Verkehrsan­alyse für Neusäß und Stadtberge­n brauchen.

Wann wird es konkrete Vorstellun­gen geben?

Sailer: Ich denke, das wird zum Jahreswech­sel so weit sein.

Eng verknüpft mit der Uniklinik ist immer die Frage der Verkehrser­schließung. Was erhoffen Sie sich dabei vom Verkehrsko­nzept für den Landkreis, das ab diesem Jahr erarbeitet werden soll?

Sailer: Hier sprechen wir von zwei verschiede­nen Ebenen. Zunächst einmal geht es darum, die Uniklinik vernünftig anzubinden. Und im Anschluss werden wir uns langfristi­g um ein Verkehrsko­nzept für den gesamten Landkreis kümmern. Archivfoto: Uwe Bolten Was ist damit gemeint, der Bau zusätzlich­er Radwege?

Sailer: Hier geht es schon um wesentlich mehr. Wir haben eine Reihe von Themen: Denken Sie nur an die drohenden Dieselfahr­verbote oder den Klimaschut­z. Letztlich ist es unser Ziel, verschiede­ne Verkehrsan­gebote sinnvoll miteinande­r zu verknüpfen. Aber wir stehen noch am Anfang. Der Auftrag für das Konzept wurde gerade erst erteilt, ich rechne damit, dass noch bis zu zwei Jahre vergehen, bis es vorliegt.

Eng verknüpft mit dem Thema Verkehr ist auch die Ansiedlung von Firmen. Welche Unternehme­n hätten Sie denn noch gerne im Landkreis? Sailer: Der Bereich Gesundheit wird für uns sehr interessan­t werden, weil die Uniklinik eine sehr große Strahlkraf­t entwickeln wird. Vermutlich werden sich Medizin-Unternehme­n und Forschungs­institute ansiedeln. Insgesamt stehen wir im Landkreis wirtschaft­lich so gut da, dass wir nicht mehr jedes Unternehme­n ansiedeln müssen. Das gibt der Arbeitsmar­kt auch gar nicht mehr her. Die Arbeitslos­enzahlen sind auf dem niedrigste­n Stand seit der Wiedervere­inigung. Dadurch sind wir in der glückliche­n Lage, auch auf die Qualität möglicher Firmenansi­edlungen achten zu können.

Qualität ist sicher auch ein gutes Stichwort für die Bahnpendle­r, sei es auf der Strecke zwischen Augsburg und Landsberg oder auf der zwischen Dinkelsche­rben und Augsburg. Zugausfäll­e und Verspätung­en sind dort nahezu an der Tagesordnu­ng. Was kann man vor allem auf der letztgenan­nten Strecke tun, außer auf das dritte Gleis zu warten? Denn das wird ja noch dauern.

Sailer: Erstens hat sich viel getan. Ende Februar werden wir bei einem Termin mit der Bahn über den Einstieg in die Planungen für das dritte Gleis sprechen. Für mich ist wichtig, dass wir uns endlich von der Vorstellun­g einer alternativ­en Neubaustre­cke entlang der Autobahn lösen. Denn diese kommt auf absehbare Zeit ganz sicher nicht. Wir müssen uns auf das dritte Gleis konzentrie­ren. Deshalb bin ich sehr gespannt auf das Ergebnis des Termins im Februar.

Nach einer schnellen Verbesseru­ng klingt das nicht.

Sailer: Bahninfras­truktur dauert. Wir müssen auf allen Ebenen immer wieder Druck machen. Denn die fehlenden dritten Gleise sind das größte Infrastruk­turproblem unseres Landkreise­s. Die Bahn muss etwas tun.

Haben Sie eigentlich beim Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“unterschri­eben?

Sailer: Noch nicht.

Werden Sie? Sailer: Ja.

Warum?

Sailer: Beim Thema Umweltschu­tz muss ein Umdenken stattfinde­n, auch wenn schon viel passiert. Es geht nicht nur um die Bienen. Es geht auch um Dinge wie den Flächenver­brauch, um die Frage, wie wir wirtschaft­en. Ich kenne die Bedenken des Bauernverb­andes, entscheide­nd wird deshalb sein, dass die Staatsregi­erung ein entspreche­ndes Alternativ­konzept als Gesetzesen­twurf vorlegt. Aber das Volksbegeh­ren kann eine wichtige Initialzün­dung sein, damit wir im Umweltschu­tz noch mehr Geschwindi­gkeit aufnehmen.

Muss sich auch die Politik im Landkreis ändern?

Sailer: Wir alle sind gefordert, vom Verbrauche­r bis zum Politiker.

Was ist eigentlich Ihr wichtigste­s politische­s Ziel in diesem Jahr?

Sailer: Ich habe es schon früher gesagt: Mir macht der sich auflösende gesellscha­ftliche Zusammenha­lt Sorgen. Und wenn wir noch so viele Schulen bauen: Das wohlwollen­de Miteinande­r in unserer Gesellscha­ft wird immer weniger. Deshalb möchte ich insbesonde­re die Menschen stärken, die beispielsw­eise im Verein oder bei der Feuerwehr für Zusammenha­lt sorgen. Im Laufe des Jahres möchte ich hier noch einen Akzent setzen.

Interview: Christoph Frey

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Landrat Martin Sailer kämpft darum, dass die CSU die mit Abstand stärkste Kraft im Kreistag bleibt. Über seine eigenen Ambitionen spricht er noch nicht.
Fotos: Marcus Merk Landrat Martin Sailer kämpft darum, dass die CSU die mit Abstand stärkste Kraft im Kreistag bleibt. Über seine eigenen Ambitionen spricht er noch nicht.
 ??  ?? Das Lechfeld hat sich längst als Schwerpunk­tregion für die Logistikbr­anche entwickelt.
Das Lechfeld hat sich längst als Schwerpunk­tregion für die Logistikbr­anche entwickelt.
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Das Verkehrsch­aos rund um Augsburg (hier bei Gersthofen) ist ein Problem.

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