Langeweile im Job macht dick
Arbeitsalltag Wer sich im Beruf nicht entfalten kann, nimmt einer Studie zufolge häufiger zu
Stockholm Noch vor 80 Jahren hätte das vermutlich niemand für möglich gehalten. Ausgerechnet Übergewicht ist heute eines der größten Gesundheitsprobleme der Menschheit. Knapp ein Drittel der Weltbevölkerung ist laut einer 2017 im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie zu dick. In den leistungsorientierten USA ist es demnach am schlimmsten. Erklärungsansätze gibt es viele.
Eine Ursache könnten schlechte Arbeitsbedingungen sein, legt nun zumindest eine sehr umfangreiche Studie der Universität Göteborg in Schweden nahe. Innerhalb von 20 Jahren wurden darin 3800 Schweden dreimal gewogen. Einige Studienteilnehmer zwischen dem 30. und dem 50., andere zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Gleichzeitig wurden Informationen zum Arbeitsalltag erfragt. Die Ergebnisse der kürzlich im Fachmagazin International Archives of Occupational and Environmental Health erschienenen Studie waren überdeutlich: Männer und Frauen, die in niedrigen Positionen mit geringen eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und starker Fremdkontrolle arbeiteten, nahmen viel häufiger mindestens zehn Prozent zu als Arbeitnehmer mit eigenverantwortlicheren Jobs.
Als zweite wichtige Ursache für deutliche Gewichtszunahmen ermittelten die Forscher lang anhaltenden Stress bei der Arbeit. Hier spielte die Arbeitsplatzhierarchie keine Rolle, erstaunlicherweise aber das Geschlecht. Männer, die in stressigen Jobs arbeiten, nahmen infolge der hohen Anforderungen nicht viel mehr zu als Männer in gemächlicheren Jobs. Frauen, die jahrelang anhaltenden Stress bei der Arbeit hatten, waren hingegen viel anfälliger für Übergewicht. Sie nahmen durchschnittlich 20 Prozent mehr zu als Frauen ohne Stress.
Die schwedischen Forscher schlossen als Ursache eine Reihe von Faktoren aus. So liegt der große Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht daran, dass gestresste Frauen sich eher mit Schokolade und fettigem Essen trösten als Männer. Auch unterschiedliche Bewegungsgewohnheiten seien keine mögliche Erklärung, sagte Studienleiterin Sofia Klingberg. Warum Frauen durch Stress eher dick werden, bleibt also unklar. Ein Faktor, der in früheren Studien genannt wurde, ist, dass Frauen neben der Arbeit eine größere Verantwortung in ihrem Privathaushalt tragen als ihre Männer. „Die Doppelbelastung könnte eine Ursache für das Mehr an Stress sein, aber das ist nur eine Vermutung“, erläuterte Klingberg.
Stress und Übergewicht
Bereits frühere Studien haben ergeben, dass ständiger Stress Menschen in den heutigen westlichen Gesellschaften eher dicker als dünner machen kann. Heute entsteht Stress vor allem im Kopf. Der menschliche Körper ist aber evolutionär seit Jahrtausenden auf konkreten Stress eingerichtet, etwa in Form einer längeren Hungerperiode. Er speichert möglichst viel Nahrung, um überleben zu können, auch heute noch. (anan)