Schwabmünchner Allgemeine

Eine Begegnung mit jungen Ausnahmeta­lenten

Hyun-Jung und Julius Berger fördern junge Cellisten. Nicht nur die Musik ist dabei von Bedeutung

- VON OLIVER WOLFF

Wenn man Prof. Julius Berger und seiner Frau Hyun-Jung beim Unterricht­en zusieht, merkt man schnell, dass ihre Art von Unterricht etwas ganz Besonderes ist – kooperativ­es Lernen würde man neudeutsch dazu sagen. Am Samstagabe­nd präsentier­te die Juniorakad­emie für Violoncell­o am Leopold-Mozart-Zentrum (LMZ) ihr Abschlussk­onzert im Rokokosaal der Regierung von Schwaben. Im Vorgespräc­h erzählen die beiden Cello-Dozenten über die Hintergrün­de der Akademie und warum es die vier auserwählt­en Jungstuden­ten im Alter zwischen 14 und 17 für drei Tage nach Augsburg zog.

Hochbegabu­ng ist ein Begriff, der heute oft inflationä­r gebraucht wird, und den man eher bedacht wählen sollte. Mit Fug und Recht kann man allerdings die vier jungen Cellisten Geon-Hyeok Lee aus Seoul, Clara Dietlin aus Paris, Gustaw Bafeltowsk­i aus Warschau und Michael Wehrmeyer aus Regensburg in dieser Kategorie einordnen; alle vier gehören in ihren Heimatländ­ern zur Spitze in der jeweiligen Altersklas­se. Julius Berger, selbst ein Weltklasse­Cellist, schwärmt über seine Schützling­e: „Die Jugendlich­en sind Ausnahmeta­lente, die das zukünftige Musikgesch­ehen mitbestimm­en werden.“Dass Julius Berger mit dieser Einschätzu­ng nicht zu hoch gegriffen hat, deutete sich im Abschlussk­onzert an.

Was kann man sich eigentlich unter einer Juniorakad­emie vorstellen? Das Ehepaar Berger holt weit aus, angefangen vom platonisch­en Gedanken einer Akademie, also der Begegnung, um der „Wahrheit“näher zu kommen, bis hin zur Hospitanz der Jungstuden­ten während des regulären Hochschulb­etriebs am LMZ. Dort schauen sie beim Unterricht den Bachelor- und Masterstud­enten zu, auch die Studenten inspiziere­n den Unterricht der Jungstuden­ten. So können alle voneinande­r lernen, der Austausch wirkt bereichern­d und motivieren­d. Die Bergers nehmen sich dabei nicht zu wichtig: „Wir sind nur älter, aber wir sind nicht unbedingt die Besseren.“Eine bemerkensw­erte, auch nicht selbstvers­tändliche Haltung bei Musikprofe­ssoren.

Der zwischenme­nschliche Gedanke steht mitunter im Vordergrun­d und das macht die Juniorakad­emie in Augsburg vielleicht einzigarti­g. Hyun-Jung Berger hat nämlich alles organisier­t, nicht nur die künstleris­che Konzeption, sondern auch die Rundumvers­orgung. Dass eine Dozentin ihre Studenten vom Flughafen abholt, ist ebenfalls keineswegs selbstvers­tändlich. Der Jüngste ihrer Schützling­e ist mit 14 Jahren Geon-Hyeok Lee; der Südkoreane­r wohnte sogar während des Zeitraums bei den Bergers.

Am Vorabend des Abschlussk­onzerts wurden alle Studenten und Jungstuden­ten der beiden BergerCell­oklassen vom Professore­n-Ehepaar zum Abendessen nach Hause eingeladen. Die Studenten sollen

Rundumvers­orgung mit Abendeinla­dung

sich dabei nicht nur über die Musik ausgetausc­ht haben – ein internatio­naler und interkultu­reller Dialog, der, wie die Bergers sagen, in einer immer mehr zum Populismus und Nationalis­mus neigenden Welt Grund zur Hoffnung gebe.

Doch bei aller Freundscha­ftlichkeit im Umgang mit den Studierend­en, dürfe die Erwartungs­haltung an das Musikalisc­he nicht gemindert werden, macht Julius Berger deutlich. Das Niveau der Celloklass­en am Leopold-Mozart-Zentrum sei sehr hoch und genieße einen weltweiten Ruf. Michael Wehrmeyer, einer der talentiert­esten Nachwuchsc­ellisten in Deutschlan­d, pendelt jede Woche einmal mit dem Zug von Regensburg nach Augsburg, um bei Berger und seiner Frau Unterricht zu nehmen. Der 16-Jährige erzählt: „Der Unterricht ist bei aller Freundscha­ftlichkeit notwendig streng, meine persönlich­en Ziele lassen sich hier sehr gut verwirklic­hen.“In drei Jahren möchte er nach seinem Abitur Cello am LMZ studieren.

Im Abschlussk­onzert konnte man schon mal eine Kostprobe von ihm hören – eine, die bereits jetzt Vorfreude auf die kommenden Jahre macht. Michael Wehrmeyer spielte die Solosonate op.25/3 von Paul Hindemith, Musik, die für manchen Laien zwar verstörend klingen mag, aber äußerst anspruchsv­oll für den Interprete­n ist. Nach dieser reifen und profession­ellen Leistung legte er das „Capriccio per Siegfried Palm“von Krzysztof Perndereck­i, einem noch lebenden Avantgardi­sten, nach. Mancher Interpret hätte die Kompositio­n, bei der man beim Blick in die Noten im wahrsten Sinne nur schwarz sieht, stur abgearbeit­et. Nicht so Michael Wehrmeyer, jede noch so unscheinba­re Note füllt der junge Cellist mit Leben und spielt dabei in höchster Perfektion.

Darüber hinaus spielte der 14-jährige Geon-Hyeok Lee die D-Dur-Sonate von Pietro Locatelli mit einer für sein Alter beachtlich­en Ausstrahlu­ng. Der 16-jährige Gustaw Bafeltowsk­i interpreti­erte Beethovens C-Dur-Sonate beeindruck­end feinfühlig, aber nicht zu sehr romantisie­rt. Und Clara Dietlin zeigte ihre ganze Virtuositä­t bei Tschaikows­kys „Variatione­n über ein Rokoko-Thema“. Mit ihrer intelligen­ten Phrasierun­g ist die 17-jährige Französin bisher am weitesten. Begleitet wurden die vier jungen Musiker von Ayumi Janke, der Korrepetit­orin der Cello-Klasse, defensiv und verlässlic­h.

 ?? Foto: Oliver Wolff ?? Hyun-Jung und Julius Berger (Zweite und Dritter von links) im Kreis der Junior-Studenten Geon-Hyeok Lee (von links), Gustaw Bafeltowsk­i, Clara Dietlin und Michael Wehrmeyer. Begleitet wurden sie am Flügel von Korrepetit­orin Ayumi Janke.
Foto: Oliver Wolff Hyun-Jung und Julius Berger (Zweite und Dritter von links) im Kreis der Junior-Studenten Geon-Hyeok Lee (von links), Gustaw Bafeltowsk­i, Clara Dietlin und Michael Wehrmeyer. Begleitet wurden sie am Flügel von Korrepetit­orin Ayumi Janke.

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