Abschied nach zehn Jahren Ehrenamt
Engagement Waltraud Trinker hat den Bobinger Tisch ein Jahrzehnt lang geführt. Jetzt hat sie die Führung des Vereins abgegeben, weil ihr die Kraft ausging. Worauf sie besonders stolz ist und welche Erkenntnis sie überrascht hat
Bobingen Wenn Waltraud Trinker jetzt am Domizil des Bobinger Tischs am Mayerweg vorbeigeht, ist sie nur noch eine Besucherin. Was viele nicht wissen: Zum Jahresende 2018 hat sie die Verantwortung für die Wohltätigkeitsorganisation abgegeben.
„Im Mai wären es elf Jahre gewesen“, erzählt Trinker. „Aber es wurde für mich immer schwieriger, die ganzen Aufgaben rund um den Tisch zu bewältigen. Deshalb habe ich mich entschieden aufzuhören, bevor dieses Ehrenamt eine zu große Belastung für mich wird.“Es sei ja nicht nur die Arbeit rund um das Einsammeln von Lebensmitteln und deren Verteilung gewesen. „Wir haben uns ja auch um das Haus am Mayerweg und den Garten dort gekümmert“, sagt Trinker und meint damit überwiegend ihren Mann und sich: „Irgendwann habe ich gemerkt, dass die Kraft weniger wird, und deshalb war nach dem zehnjährigen Jubiläum Schluss.“Ihre Nachfolge trat unter anderem Dagmar Schön an, ebenfalls ein bekanntes Gesicht beim Tisch.
Waltraud Trinker, die schon bei der Gründung des Bobinger Tischs mitgewirkt hat, erinnert sich an ihre Anfänge dort: „Ich bin kurz vorher in Rente gegangen, und weil ich immer schon gerne unter Leuten bin, habe ich mir bei einer Sitzung angehört, worum es bei dem Projekt ging.“Sie habe eigentlich nur als Helferin aktiv sein wollen, wurde dann aber durch ihre berufliche Erfahrung als Marktleiterin schnell zur Hauptorganisatorin. „Ich habe einfach bei der Arbeit gesehen, dass man noch viel mehr machen kann“, erinnert sich die heute 74-Jährige. „Und wenn ich was mache, dann mache ich es richtig.“
Also habe sie versucht, Sponsoren zu finden, eine Unterstützungskultur zu etablieren. Und die Bobinger Geschäftsleute unterstützten gerne so viel gezeigtes Engagement. „Da auch unsere Kunden beim Tisch immer mehr wurden, waren wir bald froh, dass wir so viele Lebensmittel bekommen haben“, sagt Trinker und erinnert an die verschiedenen Unterkünfte des Tischs: erst in der Garage des ehemaligen LohrkeHauses, dann im Haus selbst, und am Ende jetzt im Mayerweg. Dort wirkt das Team seit einigen Jahren und hat hier fast ein gut eingeführtes Unternehmen aufgebaut.
„Wir haben den Aufbau mit einem tollen Team aus eigener Kraft geschafft“, sagt Waltraud Trinker stolz. Unzählige ehrenamtliche Stunden seien es gewesen, zum Teil seien sie und andere Helfer jeden Tag dort gewesen. „Es geht ja nicht nur darum, am Dienstag die Ausgabe zu organisieren, sondern auch um das viele Drumherum“, betont sie und zählt auf, dass es in „harten“Wochen für sie etwa 40 Arbeitsstunden gewesen seien. In ruhigen „nur“30. Oft hat sich Waltraud Trinker auch danach noch für die Bedürftigen eingesetzt, wenn Einzelschicksale ihr zu Herzen gingen.
Doch die Belastung wurde mit der Zeit zu groß. „Mein Mann und ich haben seit zehn Jahren keinen Urlaub mehr gemacht – wegen dem Bobinger Tisch“, sagt sie. Deshalb werde sie sich nun wieder Zeit für ihr Privatleben und für Reisen nehmen. Noch fühlt es sich für sie ein wenig an wie Urlaub. „Ich genieße es, mehr Zeit zu haben“, sagt die rührige Rentnerin. „Aber ich bin schon ein wenig wehmütig gegangen.“
In jedem Fall möchte Waltraud Trinker ihre Zeit beim Bobinger Tisch nicht missen. „Ich habe viel gelernt dort, Erfahrungen gemacht, die ich sonst nicht gemacht hätte“, meint sie. „Vorher war vieles für mich selbstverständlich. Ich wusste gar nicht, dass es so viel Not in Bobingen gibt.“Jetzt wisse sie manche Dinge wieder mehr zu schätzen, sagt die 74-Jährige und gibt zu bedenken: „Insgesamt müsste es für Menschen in Not noch mehr Unterstützung geben. Persönlich, direkt und auch ohne bürokratische Hindernisse.“
Am letzten Arbeitstag beim Bobinger Tisch bedankten sich Kunden und Mitarbeiter mit Blumen und einem selbst geschriebenen Gedicht für ihr Engagement. „Bleiben sie doch noch“, wurde sie oft gebeten. Trinker lehnte ab.
„Ich war immer mit dem Herzen dabei, aber ich schaffe es jetzt einfach nicht mehr, und deshalb war es die richtige Zeit, um aufzuhören“, sagt sie und zieht ein Fazit: „Ich gehe mit erhobenem Kopf. Ich habe viel bewältigen und bewirken können und viel angeschoben.“Jetzt sind andere dran.