Schwabmünchner Allgemeine

Polizei speichert Unschuldig­e

Datenschüt­zer kritisiert gängige Praxis

- VON HENRY STERN

München Der bayerische Datenschut­zbeauftrag­te Thomas Petri kritisiert, dass die Polizei im Freistaat immer wieder zu unrecht Personen als „Beschuldig­te“in ihren internen Datenbanke­n speichert: „Da rutschen immer wieder Leute rein, die da nicht rein gehören“, sagte er bei der Vorstellun­g des aktuellen Datenschut­zberichts für Bayern.

So führe die Polizei im Zuge einer Ermittlung gespeicher­te Personen oft weiter als Beschuldig­te, „obwohl die zuständige Staatsanwa­ltschaft ausdrückli­ch festgestel­lt hat, dass die betroffene Person unschuldig ist“, erklärte Petri. Damit entfalle aber der sogenannte „polizeilic­he Restverdac­ht“, der Voraussetz­ung für eine weitere Speicherun­g im Polizei-Computer wäre.

Laut Petri handle es sich nicht um Einzelfäll­e. Auch habe seine frühere Kritik an der polizeilic­hen Speicherpr­axis leider nicht zu geeigneten Gegenmaßna­hmen geführt. Der Grund für die rechtswidr­ige Speicherun­g liege dabei sowohl bei der Justiz, als auch bei der Polizei: Denn teilweise übermittel­ten die Staatsanwa­ltschaften die Begründung der Einstellun­g von Ermittlung­en nicht an die Polizei. Teilweise würden die Entscheidu­ngen der Staatsanwa­ltschaft bei der Polizei „aber auch einfach nicht beachtet“, so Petri.

Ebenfalls problemati­sch sei die automatisc­he Verlängeru­ng der Speicherun­g alter Einträge als „Beschuldig­ter“im Polizei-Computer bei neuen polizeilic­hen Ermittlung­en gegen dieselbe Person. Diese „Mitzieh-Klausel“könne dazu führen, dass „Jugendsünd­en“bei der Polizei deutlich länger gespeicher­t bleiben, als dies rechtlich vorgesehen ist. Petri schilderte den Fall eines Mannes, der 2009 als 17-Jähriger wegen Drogenbesi­tzes offenbar unbegründe­t anonym angezeigt worden war. Aufgrund einer späteren Ermittlung wegen Sachbeschä­digung wäre der Mann jedoch ohne das Eingreifen des Datenschut­zbeauftrag­ten noch bis 2023 als Rauschgift-Konsument im Polizei-Computer aufgetauch­t. Die Polizei schaffe sich damit auch selbst „eine Daten-Halde, die keinen polizeilic­hen Mehrwert hat“, findet Petri: „Sie sollte diese Praxis deshalb überdenken.“

Mit Blick auf das neue Polizeiauf­gabengeset­z (PAG) hält Petri an seiner Grundsatz-Kritik, etwa am umstritten­en Begriff der „drohenden Gefahr“oder der digitalen Wohnraumüb­erwachung, fest. „Krasse Fälle“eines Missbrauch­s der neuen Kompetenze­n seien ihm bislang aber nicht bekannt geworden.

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