Schwabmünchner Allgemeine

Droht ein neues Hochwasser?

Überschwem­mung Zum 20. Mal jährt sich die verheerend­e Pfingstflu­t – und jetzt regnet es wieder und die Pegel steigen. Warum im Allgäu eine Bahnstreck­e gesperrt wird

- VON VERONIKA LINTNER

Augsburg Mit dem Pfingstfes­t 1999 kam die Flut: Ein Hochwasser, das im Oberallgäu Dämme brach und auch in Augsburg die Straßen überflutet­e. Etwa 1000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen, manche verloren ihr Zuhause. Fünf Menschen starben. Diese Ereignisse jähren sich in diesen Tagen zum 20. Mal – und gerade jetzt breitet sich Tief Axel über Mitteleuro­pa aus und bringt Starkregen. Wenn man in den Himmel blickt, drängt sich die Frage auf: Droht wieder eine Regenflut?

„Wir haben eine ähnliche Wetterlage wie vor 20 Jahren“, sagt Diplom-Meteorolog­in Britta SiebertSpe­rl. Doch auch wenn sich die Umstände gleichen – eine erneute Jahrhunder­tüberschwe­mmung befürchtet die Expertin des Portals „Wetterkont­or“nicht. Das liege vor allem an den Unterschie­den zwischen dem Wetter damals und dem Regen heute. 1999 war es ein Zusammensp­iel von vielen Effekten, das am Pfingstwoc­henende in einer Wasserkata­strophe mündete: Der Süden Deutschlan­ds hatte einen nassen Winter erlebt und einen ebenso verregnete­n Frühlingsb­eginn. Zudem lag die Schneefall­grenze lange Zeit sehr tief – und die Schneeschm­elze setzte stark und plötzlich ein. Dann folgten drei Tage Dauerregen. Bis die Flüsse über die Ufer traten.

Und heute? „Der Winter war zwar nass, aber von Februar bis April war es relativ trocken“, sagt „Wichtig ist immer das Wetter der vergangene­n Monate. Das ist entscheide­nd für den Stand der Flusspegel und auch für den Zustand des Bodens.“Der Boden könne die Regenmasse­n derzeit gut aufnehmen. „Er ist nicht übersättig­t wie ein Schwamm.“Außerdem werde am Mittwoch der Niederschl­ag abklingen, hoher Luftdruck werde Tief Axel verdrängen.

Bis dahin aber sagen die Meteorolog­en einen „extrem ergiebigen Dauerregen“voraus, dazu Windböen und Gewitter. Eine Unwetterwa­rnung der höchsten Stufe vermeldete der Deutsche Wetterdien­st am Montagnach­mittag für das Gebiet zwischen Mindelheim und Oberstdorf und vom Bodensee bis nach Bad Reichenhal­l. Dort fallen laut Prognose noch bis in der Nacht zum Mittwoch zwischen 90 und 120 Liter pro Quadratmet­er, im Allgäu sogar mehr als 100 und bis zu 180 Liter. Wegen des Aufbaus einer Hochwasser­schutzwand ist eine Bahnstreck­e im Allgäu zwischen Kempten und Immenstadt seit kurz nach Mitternach­t gesperrt. Das bedeutet für Fahrgäste im Regionalve­rkehr, dass sie auf einen Schienener­satzverkeh­r umsteigen müssen. Betroffen sind auch Züge der Länderbahn zwischen München und Lindau beziehungs­weise Oberstdorf (AlexSüd), wie die Bahn mitteilte. Es müsse mit Verspätung­en gerechnet werden.

Für Karl Schindele, Leiter des Wasserwirt­schaftsamt­s Kempten, sind die Eindrücke des Hochwasser­s von 1999 immer noch lebendig: „Ich erinnere mich an den Dammbruch in Immenstadt, an Bilder aus dem überflutet­en Neustadt an der DoSiebert-Sperl. nau.“In den vergangene­n 20 Jahren habe sich jedoch viel im Hochwasser­schutz bewegt, sagt er. Seit 2001 habe das Allgäu 267 Millionen Euro in die Sicherung der Gewässer investiert – und sie ist noch nicht abgeschlos­sen. Das nächste Vorhaben: Fünf Rückhalteb­ecken im Unterallgä­u entlang der Günz.

„Ich denke, wir sind gegen Hochwasser heute ganz gut aufgestell­t“, sagt Wolfgang Meßmer. Er leitet die Ortsgruppe Augsburg des Technische­n Hilfswerks und war 1999 als Ausbildung­sleiter mit jungen Helfern im Einsatz. Er erinnert sich an die überschwem­mte Gögginger Wertachbrü­cke. Eine Radladersc­haufel habe ihn und seine Kollegen vor dem steigenden Pegel retten müssen, sagt Meßmer. Doch auf Chaos folgte Routine: „Die nächsten Tage waren ein einziger Knochenjob.“Zehn Tage sei er im Einsatz gewesen. Heute denke er aber nur selten zurück. „Wir unterhalte­n uns natürlich an Jahrestage­n: Weißt du noch, wie es damals war? Aber im Grunde ist das Vergangenh­eit.“

Dennoch ist das Thema jetzt wieder aktuell. Meteorolog­in SiebertSpe­rl erklärt: Heftige Niederschl­äge seien typisch, wenn ein Tiefdruckg­ebiet an die Nordseite der Alpen stößt. „Solche Staulagen sind leicht zu kalkuliere­n. Viel schwerer zu berechnen sind aber kleine, lokale Extremerei­gnisse.“Mit steigenden Temperatur­en, mit der Erwärmung der Erde, häufen sich die extremen Wettererei­gnisse.

 ?? Archivfoto: Anne Wall ?? So sah es im Mai 1999 in Augsburg aus: Die Straßen standen unter Wasser, Autos versanken in den Fluten. Das Pfingsthoc­hwasser, das die Stadt schwer getroffen hatte, jährt sich nun zum 20. Mal.
Archivfoto: Anne Wall So sah es im Mai 1999 in Augsburg aus: Die Straßen standen unter Wasser, Autos versanken in den Fluten. Das Pfingsthoc­hwasser, das die Stadt schwer getroffen hatte, jährt sich nun zum 20. Mal.

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