Schwabmünchner Allgemeine

Eltern ziehen Kita der Schule vor

Immer mehr verschiebe­n Einschulun­g der Kinder

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Eltern, deren Kinder zwischen Juli und September sechs Jahre alt werden, entscheide­n im Freistaat seit Neuestem selbst, ob ihr Kind eingeschul­t wird oder nicht. Viele Mütter und Väter nutzen die Chance auf eine verlängert­e Kindergart­en-Zeit: Im Vergleich zum Schuljahr 2017/2018 ist die Zahl der Rückstellu­ngen zum kommenden Schuljahr um neun Prozent angestiege­n. Das geht aus einem Schreiben des Kultusmini­steriums hervor, das unserer Zeitung vorliegt. 44 Prozent der betroffene­n Sechsjähri­gen werden demnach im September nicht eingeschul­t. 2017 waren es noch 35 Prozent gewesen.

Der sogenannte Einschulun­gskorridor betrifft Kinder, die kurz vor dem Einschulun­gsstichtag am 30. September Geburtstag haben und damit am ersten Schultag gerade erst sechs Jahre alt wären, manche sogar noch fünf. Unter Eltern und Medizinern ist umstritten, ob Kinder in diesem Alter schon reif für den Unterricht sind. Bisher mussten Eltern umständlic­h einen Antrag stellen, damit ihr Kind zurückgest­ellt wird. Das letzte Wort hatte der Schulleite­r. 2018 dann sagte eine Mutter aus München dieser Praxis den Kampf an. In einer viel beachteten Petition forderte sie, künftig die Eltern entscheide­n zu lassen. Wenig später führte Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) den Elternwill­en ein.

Das führt in fast allen Städten und Landkreise­n dazu, dass mehr Kinder als geplant noch ein Jahr länger im Kindergart­en sind. Besonders frappieren­d ist der Anstieg im mittelfrän­kischen Schwabach: Zwei von drei Eltern schicken ihr Kind dort lieber nicht in die Schule. In Schwaben sticht der Kreis Dillingen heraus, wo etwas mehr als die Hälfte der betroffene­n Sechsjähri­gen im Kindergart­en bleibt.

SPD, Grüne und auch der bayerische Lehrerverb­and BLLV kritisiere­n die Einführung des Elternwill­ens als überhastet. Johannes Becher, Sprecher für frühkindli­che Bildung der Landtags-Grünen, hat seine Kritik am Montag erneuert: Der Einschulun­gskorridor „verschärft das Problem der fehlenden Kita-Plätze und stellt viele Kommunen vor schier unlösbare Probleme“, erklärte Becher.

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