„Wurstwelten“und Co.: Angeklagte sehen sich auch als Opfer
Justiz Im Prozess vor dem Augsburger Landgericht wegen mutmaßlichen Millionen-Betrugs geht es nun in die heiße Phase
Es gab etwas juristisches Vorgeplänkel, jetzt stieg der Prozess um den mutmaßlichen Millionen-Betrug an zahlreichen Anlegern in die Sache ein. In der jüngsten Sitzung des Landgerichts sagten drei der vier Angeklagten aus, mittels Verteidigererklärung und persönlich.
Dabei wurde der Eindruck vermittelt, alle vier Angeklagten seien mehr oder weniger stark vom Firmengründer und Initiator, dem Vater von dreien der vier jetzt Angeklagten, in Konflikt mit der Justiz gebracht worden. Wie berichtet, stehen vier Menschen vor Gericht, die für das mutmaßliche Betrugsgeflecht der „Firmenwelten“-Gruppe aus Bielefeld in unterschiedlichen Graden verantwortlich gewesen sein oder Beihilfe geleistet haben sollen. Während zwei seiner Kinder in Haft sitzen, ist ihr Vater offenbar in den USA für die deutsche Justiz derzeit nicht zu fassen zu bekommen.
Seine heute 39-jährige Tochter teilte mit: Nach ihrem Pädagogikstudium sei sie allmählich in das Firmengeflecht des Vaters hineingezogen worden. Sie habe das, was sie seit etwa 2006, 2007 dort getan habe, für völlig legale Geschäftsmethoden gehalten. Auch wenn sie als Geschäftsführerin rechtlich verantwortlich gewesen sei, habe sie selbst doch nie, sondern immer ihr Vater die Entscheidungen getroffen. Sie selbst fühle sich hintergangen. „Es scheint meinen Vater nicht zu interessieren, dass ich in Untersuchungshaft sitze“, so ihr tränenreiches Fazit zwischen „Wut und Bitterkeit“. Sie habe blindes Vertrauen in das Tun des Vaters gehabt, sie hätte sich wohl viel früher selbst einen Einblick verschaffen und „die Reißleine ziehen müssen“.
In gewisser Form empfinde sie den Strafprozess als Befreiung, er helfe ihr, einen Schlussstrich zu ziehen. Ähnlich wie ihr 35-jähriger Bruder und ihre Halbschwester wollte die 39-Jährige aber momentan noch keine Nachfragen der 9. Strafkammer (Vorsitz Christian Engelsberger) beantworten. Der 35-jährige Bruder berichtete, wie er nach seinem Studium in die Firma „Wurstwelten“integriert worden sei. Seinen Vater beschrieb er im Hinblick auf die Geschäftsentwicklung der Handelskette mit Wurstwaren in Westdeutschland als „beratungsresistent“.
Dennoch schienen die Geschäfte ordentlich zu laufen. Um das Jahr 2014 habe er sich aus dem Geschäft zurückgezogen, danach zeitweise Arbeitslosengeld II bezogen. Umso mehr sei er erstaunt gewesen, als die Staatsanwaltschaft 2017 seine Wohnung durchsucht und Unterlagen bei ihm beschlagnahmt habe. Auch er sei wütend und enttäuscht und wolle alles in seiner Möglichkeit stehende tun, um die Angelegenheit aufzuklären.
Der ehemalige Vertriebsleiter einer Firma, die in Augsburg ihren Sitz hatte, schilderte, er habe sich quasi mit seiner gesamten Existenz an den Lenker des Geflechts ausgeliefert. Der 35-Jährige (Verteidiger: Moritz Bode und Martina Sulzberger) schilderte, er sei aus Coburg nach Augsburg umgezogen, um hier zu arbeiten. Auch wenn er immer wieder andere Erfahrungen gemacht habe, sei alles, was der Firmenchef getan habe, zumindest anfangs noch „sehr schlüssig“gewesen. Immer wieder habe er sich mit dem Vater der Mitangeklagten ausgetauscht, seine Existenz habe an der Firma gehangen. Der 35-Jährige bedauerte ebenso wie die Mitangeklagten, dass Anleger Geld verloren hätten. Sie selbst seien dafür nicht verantwortlich zu machen, hätten selbst eher bescheidene Gehälter erhalten. Der Prozess wird fortgesetzt.