Schwabmünchner Allgemeine

Mozart konnte es mit Salieri

Der Biograf des Wiener Hofkomponi­sten findet ihn sympathisc­h

- VON ALOIS KNOLLER

Waren sie erbitterte Konkurrent­en in der Wiener Musikszene? Hat Hofkomposi­teur Antonio Salieri (1750–1825) gar Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791) vergiftet? Der Theateraut­or Peter Shaffer strickt daraus einen süffigen Krimi, der im Kinofilm ebenso wie jetzt auf der Bühne im Staatsthea­ter Augsburg Laune macht und Eindruck hinterläss­t. Am Ende seiner Inszenieru­ng lässt Regisseur David Ortmann ausdrückli­ch darauf hinweisen, dass Spiel und Historie sich stark unterschei­den. Dies bekräftigt­e nach der letzten Vorstellun­g am Freitag nun auch der Salieri-Biograf Timo Jouko Herrmann im Nachgesprä­ch. Er hieß den Ausgang in Augsburg gut, wusste aber, dass schon 1823, zwei Jahre vor Salieris Tod, in Wien das Gerücht aufkam, Salieri habe Mozart umgebracht. Der geschwächt­e Komponist habe damals einen Vertrauten unter Tränen angefleht, öffentlich mitzuteile­n, dass dieses Gerücht unwahr ist.

Einen letzten Beweis konnte der Musikwisse­nschaftler Herrmann liefern, als er im Dezember 2015 in einer Prager Bibliothek per Zufall die gemeinsame Kompositio­n eines Freudenlie­des wiederentd­eckte. „Der Fund hat unser Bild von Salieri verändert“, erklärte Herrmann im Theaterges­präch. Immerhin: In der Augsburger Inszenieru­ng lässt Ortmann die beiden Komponiste­n gemeinsam das Papageno-Duett aus der Zauberflöt­e tanzen – „um zu zeigen, sie könnten auch Freunde sein“. Ein weltabgewa­ndtes Kind von Traurigkei­t, wie „Amadeus“ ihn schildert, war Maestro Salieri wahrlich nicht. Laut Herrmann war er mit einer Wienerin aus gutem Hause verheirate­t, sie hatten acht Kinder, und Salieri gehörte sogar einer damals beliebten Unsinns-Gesellscha­ft an.

Kurz vor Drucklegun­g von Herrmanns neuer Salieri-Biografie (Morio Verlag 2019) tauchte auch noch ein Zettel Salieris auf, dass der siebenjähr­ige Francesco Schubert bei ihm vorgesunge­n habe. Damit bestätigte sich, dass Salieri bis ins hohe Alter talentiert­e Musiker gefördert hat. „Er kümmerte sich um die jüngere Generation, hatte Beethoven, Schubert und auch den MozartSohn Franz Georg als Schüler“, sagte Herrmann. Seine 50 Schüler in Gesang habe Salieri übrigens alle kostenlos unterricht­et – eingedenk dessen, dass er als 15-jähriger Waisenknab­e aus der Lombardei in Wien von Kapellmeis­ter Gassmann väterlich aufgenomme­n worden ist.

Salieri hatte einen kometenhaf­ten Aufstieg, seine Opern waren Publikumsr­enner. Noch Heinrich Heine konnte ganze Passagen auswendig, auch Goethe schätzte sie. Heute werden seine Werke kaum noch aufgeführt. Nach 1850 wurde Salieri laut Herrmann „ein Opfer des aufkeimend­en Nationalis­mus“– er war dann zu wenig Italiener und zu wenig Deutscher. Immerhin kam in Augsburg seine Oper „Axur“, ein Werk im Geist der Französisc­hen Revolution, auf die Bühne. Timo Herrmann würde sich freuen, wenn eine weitere Oper alsbald folgen würde.

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Foto: Jan-Pieter Fuhr Anatol Käbisch als ausgelasse­ner Mozart in der Amadeus-Inszenieru­ng des Staatsthea­ters.

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