Schwabmünchner Allgemeine

Ein ganz alter Hut

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Als die Filme noch schwarz-weiß waren, trugen die Männer, ob Held, ob Bösewicht, allesamt Hut. Das alles war einmal. Der Hut des Mannes scheint mit dem Schwarz-Weiß-Film wie von der Bildfläche verschwund­en zu sein. Es war der Niedergang eines uralten Kulturgute­s.

Im alten Rom wurde die selten getragene Kopfbedeck­ung zum Symbol der Freiheit: Frei gelassene Sklaven erhielten zum freudigen Anlass einen Hut. Sie setzten ihn mit dem gleichen Stolz auf wie frisch Promoviert­e von heute den Doktorhut, der vor rund tausend Jahren in der alten Universitä­tsstadt Bologna erfundenen wurde.

Zu den frühen Hüten gehört der Strohhut, der bis heute in sonnigen Zeiten und Regionen getragen wird. Auch der Cowboyhut und der breitrandi­ge Sombrero schützen den Träger schon seit langem vor der brennenden Sonne Amerikas. Mehr Schmuck als Schutz sind der 150 Jahre alte, federleich­te Borsalino und der Fedora, der als Damenhut begann, ehe er die Häupter der Herren erklomm.

Der Damenhut hat eine eigene Geschichte. Er hat in größerer Zahl überlebt und entwickelt bei besonderen Gelegenhei­ten eine üppige Fantasie.

Vor allem in England wird der Damenhut bei Adelshochz­eiten oder bei edlen Pferderenn­en wie

Ascot zum filmreif krönenden Modeereign­is. Bei solchen Anlässen kommt auch der Herrenhut in Zylinderfo­rm mal wieder zum Vorschein.

Das alles ist einem alten, aber seltener gewordenen Handwerk zu verdanken. Die Modistin, auch Putzmacher­in genannt, spielte früher in der feinen Welt eine besondere Rolle. Sie hatte als Handwerker­in einen schönen Beruf und verführeri­sche Kontakte zu den modebewuss­ten besseren Kreisen. Das konnte gefährlich sein, bot aber auch Aufstiegsc­hancen. Nicht nur Film und Theater erzählen dazu romantisch­e Geschichte­n. Auch das wahre Leben schrieb sie manchmal. Eine der schönsten: Die Putzmacher­in Christiane Vulpius bekam im Jahr 1789 vom dichtenden Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe ein Kind. Und die Hochzeit? Sie folgte, wenn auch mit 17 Jahren Verspätung. Der Beruf der Modistin oder des Hutmachers hat bis heute seinen besonderen Charme behalten, obwohl die Männerköpf­e kahler geworden sind oder oft nur maschinell produziert­e Baseball-Kappen tragen. Doch wer weiß, was die Mode-Zukunft bringt. Es ist schon mancher alte Hut zu unerwartet neuem Leben erweckt worden.

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Christiane gezeichnet von Goethe
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HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

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