Schwabmünchner Allgemeine

Stau im Kindergart­en

Betreuung Eltern dürfen bei der Einschulun­g ihrer Kinder mehr mitreden als früher und stellen damit die Kitas vor Probleme

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München In mehreren bayerische­n Kommunen sorgt der neue Einschulun­gskorridor für Grundschul­kinder für Wirbel. Denn dort blockieren Kinder, die nun ein Jahr länger im Kindergart­en bleiben, Plätze für nachrücken­de Dreijährig­e – die somit zunächst leer ausgehen.

In diesem Jahr können erstmals die Eltern entscheide­n, ob ihre Kinder, die zwischen dem 1. Juli und dem 30. September sechs Jahre alt werden, nach dem Sommer oder erst ein Jahr später eingeschul­t werden. Dadurch ist die Zahl der zurückgest­ellten Kinder nahezu überall gestiegen, in einigen Landkreise­n sogar um ein Drittel. Von den 32 216 Kindern, die in den Korridor fallen, werden heuer 44 Prozent nicht eingeschul­t – neun Prozent mehr als im vergangene­n Jahr. Insgesamt sind es rund 2800 Kinder, die wegen der neuen Wahlfreihe­it der Eltern erst ein Jahr später eingeschul­t werden, bilanziert das Kultusmini­sterium.

Bei mehr als 3000 Grundschul­en und gut 7000 Kindergärt­en im Freistaat sei das kein großes Problem, findet Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler). „Es trifft statistisc­h nicht mal jede Grundschul­e und jeden Kindergart­en mit einem Kind. Aber natürlich gibt es die ein oder andere Gruppe vor Ort, die genau deshalb einen zuviel hat oder zwei.“

Die Situation ist je nach Kommune sehr unterschie­dlich, wie der Dachverban­d Bayerische­r Träger für Kindertage­seinrichtu­ngen oder der Evangelisc­he Kita-Verband Bayern berichten. Auch sie wissen von Regionen, in denen der Einschulun­gskorridor kein Problem darstellt. Doch es gibt eben auch andere. Rosenheim zum Beispiel. Mit einem Plus von neun Prozentpun­kten liegt der Schulamtsb­ezirk genau im bayerische­n Schnitt. „Wir haben errechnet, dass wir aufgrund des Korridors eine ganze Kindergart­engruppe mehr brauchen werden“, schildert die zuständige Sachgebiet­sleiterin der Stadt Rosenheim, Sabine Hilger. „Und das wird sich die nächsten Jahre durchziehe­n.“Nach der zentralen Anmeldewoc­he für die Kindergärt­en blieben in Rosenheim 95 Kinder übrig, denen die Stadtverwa­ltung zunächst keinen Platz anbieten konnte.

In Schwabach sind aktuell noch rund 90 Kinder ohne Platz – von anfangs 170. Mit einem Zuwachs von 32 Prozentpun­kten wurden in der mittelfrän­kischen Kleinstadt so viele zusätzlich­e Kinder zurückgest­ellt wie nirgendwo sonst in Bayern. In der Statistik folgen Bayreuth mit einem Plus von 29 Prozentpun­kten und Hof mit plus 28 Punkten den Schwabache­rn dicht auf den Fersen.

Die Kritik der Kommunen bezieht sich vor allem auf den kurzen Vorlauf – Piazolo hatte den Einschulun­gskorridor Ende Januar verkündet. Genug Zeit zur Vorbereitu­ng, findet der Minister. Zuwenig für qualitativ hochwertig­e Angebote, finden die Kita-Experten. Schließlic­h könne es nicht die Lösung sein, einfach die Gruppen zu vergrößern oder den Personalsc­hlüssel zu verringern.

Simone Fleischman­n vom Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverband stört zudem noch etwas anderes: „Das Signal, das von dieser Entscheidu­ng ausgeht, das ist schwierig, weil wir dadurch signalisie­ren: Die Kinder sollen lieber älter sein, lieber fitter sein, um diese schwierige Grundschul­zeit durchzuste­hen und den Übergang zu schaffen.“Dabei sollten die Kinder doch motiviert und voller Vorfreude zur Einschulun­g kommen – und nicht das Gefühl haben, vor der Schule beschützt werden zu müssen. (dpa)

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