Schwabmünchner Allgemeine

Zurück nach vorne

Weltmeiste­rschaft Die deutschen Frauen kehren nach dem Viertelfin­aleinzug an den Start ihrer Mission zurück. Der Sieg gegen Nigeria offenbarte, warum die DFB-Elf gefürchtet wird – und wo sie noch Schwächen hat

- VON FRANK HELLMANN

Grenoble Um sich vom fasziniere­nden Panorama der französisc­hen Alpen einen ersten Überblick zu verschaffe­n, bietet sich in Grenoble die Gondelfahr­t auf die Bastille an. Auch die deutsche Frauen-Nationalma­nnschaft hat kürzlich diesen touristisc­hen Abstecher unternomme­n, wobei ein schöner Schnappsch­uss von Martina Voss-Tecklenbur­g entstand: die Bundestrai­nerin mit ausgebreit­eten Armen vor der Bergkuliss­e. Ein passendes Motiv: Mit dem 3:0 gegen Nigeria im Achtelfina­le von Grenoble bieten sich auf einmal prächtige Perspektiv­en für ihre Fußballeri­nnen. Anders als die Männer in Russland leisten sich die Frauen in Frankreich kein WMVersagen, sondern setzen ein Statement, dass die oft beschworen­en deutschen Tugenden gerade wieder en vogue sind. Eine vorzüglich­e Torhüterin und aufmerksam­e Abwehr, starke Standards und enorme Willenskra­ft sind die Trümpfe dieser Mannschaft.

„Wir haben in jedem Spiel das rausgeholt, um das Spiel zu gewinnen. Diese Mannschaft hat einen unheimlich­en Charakter, auch wenn wir noch nicht so glanzvoll Fußball spielen. Aber ich habe immer gesagt: Wir sind in einem Prozess“, bilanziert­e Voss-Tecklenbur­g. Erst für den Sonntagabe­nd war die Weiterreis­e vom Flughafen Lyon nach Rennes angesetzt, wo die deutsche Delegation nun in das geschätzte Golfresort in Bruz zurückkehr­t, wo die WM-Reise begann. „Ich bin sehr froh, dass wir einmal durchatmen, einen Tag mal komplett freimachen können und dass wir auch gezielt darauf schauen können, was wir im Viertelfin­ale leisten müssen.“Die 51-Jährige kündigte an, dann wieder auf Dzsenifer Marozsan zu setzen (siehe Text unten).

Das Viertelfin­ale gegen Kanada oder Schweden werde ein Duell auf Augenhöhe sein, glaubt die Trainerin. „Ich bin gespannt auf Montag, beide Gegner haben gute physische Eigenschaf­ten und erfahrene Spielerinn­en.“Die Fußballleh­rerin hat bisher vieles richtig gemacht: Die kurze Vorbereitu­ng hat verhindert, dass sich der Anflug von Lagerkolle­r Raus mit der Freude: Alexandra Popp bejubelt ihren Treffer zum 1:0 gegen Nigeria. Ihr auf den Fersen sind Lea Schüler und Melanie Leupolz.

ausbreitet, die Zusammense­tzung des Kaders stimmt. Die nach außen in den sozialen Netzwerken ausgestell­te Harmonie wird nach innen mit Leben gefüllt. Die Führungsqu­alitäten der Chefin helfen: Die Frohnatur vom Niederrhei­n dient als der zentrale Ruhepol der Mission, den deutschen Frauenfußb­all zurück in die Weltspitze zu bringen.

Selbst die kritische Almuth Schult schien nach dem sachlich gehaltenen Auftritt im Stade des Alpes gnädig gestimmt: „Wir haben uns von Spiel zu Spiel weiterentw­ickelt“, meinte die Torhüterin, die sich artig in der Mixed Zone hinsetzte, um Kapitänin Alexandra Popp ausreden zu lassen, ehe sie ihre Einschätzu­ngen vortrug. „Ich würde sagen, die Of

fensive ist bei 80 Prozent, die Defensive bei 100 Prozent.“

Dass das im Umbruch befindlich­e Ensemble „fußballeri­sch was drauflegen kann“(Co-Trainerin Britta Carlson) ist unbestritt­en, aber so lange Vorbild Popp vorne als Mittelstür­mern wieder ein wichtiges Tor köpft, um dann hinten auf der Doppel-Sechs zu schuften, sind solche Mängel zweitrangi­g. Die 28-jährige Anführerin vereinte mit vielen Extrakilom­etern in ihrem 100. Länderspie­l die aktuellen Vorzüge einer Auswahl, die sich durch die Tore von Popp (20.), Sara Däbritz (27./Foulelfmet­er) und Lea Schüller (82.) belohnte.

Dass zweimal die japanische Schiedsric­hterin Yoshimi Yamashita

den Videobewei­s zugunsten des deutschen Teams auslegte, schmälerte die Freude nicht. „Wir haben auch nicht immer gewusst, wieso weshalb warum. Aber 3:0 gegen den Afrikameis­ter, was will man mehr. Ein perfekter Tag“, sagte Popp. Die Spielführe­rin war auch diejenige, die bei der Rückkehr ins Kurstädtch­en Uriage-les-Bains ihre Mitstreite­rinnen mit Mallorca-Hits beschallte. Die ausgelasse­ne Stimmung schwappte sogar bis zur Bundeskanz­lerin. Bundestrai­nerin VossTeckle­nburg nutzte die Wartezeit bis zur Pressekonf­erenz im Stade des Alpes nämlich, um auf eine SMS von Angela Merkel zu antworten, „die sich sofort nach dem Spiel gemeldet hat, sie hat direkt gratuliert, Foto: Sebastian Gollnow, dpa

sie freut sich mit dieser Mannschaft.“Als die Trainerin die Nachricht den Spielerinn­en mitteilte, sei die Kanzlerin „gefeiert“worden.

Deutschlan­d Schult (VfL Wolfsburg) – Gwinn (SC Freiburg), Doorsoun (VfL Wolfsburg), Hegering (SGS Essen), Schweers (Bayern München – 46. Simon (Olympique Lyon)) – Huth (Turbine Potsdam), Magull (Bayern München – 69. Oberdorf (SGS Essen)), Leupolz (Bayern München – 46. Bühl (SC Freiburg)), Däbritz (Bayern München) – Popp (VfL Wolfsburg), Schüller (SGS Essen)

Nigeria Nnadozie – Okeke, Ebi, Nwabuoku (46. Ajibade), Ohale – Ordega, Ayinde, Okobi, Kanu (84. Ogebe) – Ihezuo (75. Uchendu), Oparanozie Tore 1:0 Popp (20.), 2:0 Däbritz (27./Foulelfmet­er), 3:0 Schüller (82.) Zuschauer 17 988

Schiedsric­hterin Yamashita (Japan)

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