Schwabmünchner Allgemeine

Drogen angeboten: „Kunde“war Ermittler

Justiz Mit einem Lastwagen hat ein 41-Jähriger insgesamt vier Kilogramm Marihuana von Tschechien nach Schwaben gebracht. Doch vor Gericht versuchte sich der Mann zuerst als Opfer darzustell­en

- VON HERMANN SCHMID

Augsburg Es geht um viel für den 41-jährigen Mann aus Tschechien, der im Amtsgerich­t Augsburg vor Richter Dominik Wagner und zwei Schöffen sitzt. Die Anklage wirft dem Lastwagenf­ahrer vor, er habe vor gut sechs Monaten einmal ein Kilogramm und zwei Wochen später drei Kilogramm Marihuana aus Tschechien mitgebrach­t – und zuerst beim Aldi-Lager in Kleinaitin­gen, dann bei Südzucker in Rain am Lech verkauft. Das Problem: Beide Male war der Abnehmer ein verdeckter Ermittler der Polizei.

Gleich nach dem zweiten Geschäft wurde er festgenomm­en, seitdem sitzt er in Gablingen in Untersuchu­ngshaft. Für solch eine „unerlaubte Einfuhr von Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge“sieht das Gesetz eine Mindeststr­afe von zwei Jahren pro Tat vor. Ob er sie antreten muss, das steht nach dem ersten Verhandlun­gstermin noch nicht fest. Gleich zu Beginn der Verhandlun­g will Verteidige­rin Cornelia McCready ausloten, ob man sich in einem Rechtsgesp­räch hinter geschlosse­nen Türen auf einen minderschw­eren Fall einigen könne. Aus Sicht der Verteidigu­ng sei es zumindest fraglich, ob bei den Ankäufen durch den verdeckt agierenden Polizisten alles nach den Regeln solcher Ermittlung­en abgelaufen sei, so fasst es Richter Wagner anschließe­nd fürs Protokoll zusammen. Weil Staatsanwa­lt Nicolas Pfeil nicht einlenkt, geht das Verfahren seinen üblichen Gang.

Der Angeklagte – groß gewachsen, hager, mit schmalem Gesicht, spitzer Nase und kurz geschnitte­nen Haaren – erhält das Wort. Er schildert seinen berufliche­n Werdegang als Kraftfahre­r: „Ich bin in vielen Ländern gefahren, nie hatte ich Probleme mit der Polizei.“Mit vielen Details nähert er sich den fraglichen Monaten. Beim Abladen bei Südzucker habe er einen Mann kennengele­rnt, den alle nur „Jack“nannten. Der habe ihn erst um Zigaretten aus Tschechien gebeten und dann vorgeschla­gen, er solle doch Marihuana schmuggeln. Das sei jetzt in Deutschlan­d kein so großes Ding mehr, soll „Jack“gesagt haben, aber damit könne man noch ganz gut Geld machen. Er habe ihm auch Tipps gegeben, wie man in Tschechien mögliche Lieferante­n finden könne. Weil er selbst nach fünf Jahren im Gefängnis noch unter Bewährung stand, habe „Jack“einen „Conny“als Abnehmer der Droge ins Spiel gebracht. Dem habe er erst mal eine Probe von wenigen Gramm übergeben, sich dann aber bedroht gefühlt. Auslöser sei eine Formulieru­ng gewesen: „Ich finde dich, überall und jederzeit!“Auch „Jack“habe Druck gemacht, ihn plötzlich beim Abladen warten lassen.

Erst als Richter und Staatsanwa­lt energisch nach dem Ablauf der eigentlich­en Taten fragen und die Dolmetsche­rin für leichter verständli­che Antworten sorgt, wird der rechtlich relevante Sachverhal­t klarer. Der Angeklagte räumt ein, dass er zweimal Marihuana in den aufgeführt­en Mengen nach Deutschlan­d brachte. Gekauft habe er sie, auch das schildert er mit vielen Details, jeweils in einem tschechisc­hen Grenzort, „auf dem Vietnamese­n-Markt“, und bezahlt mit eigenem Geld.

Als Zeugen hört das Gericht den Hauptsachb­earbeiter des Falls bei der Kripo Dillingen, der allerdings bei den Ankäufen nicht vor Ort war und auch nicht den verdeckten Ermittler – den der Angeklagte als „Conny“kennengele­rnt hat – geführt hat. Er kann deshalb auch nicht Stellung beziehen, als die Verteidigu­ng bezweifelt, dass der Angeklagte sich aktiv bemüht hat, das eingeschmu­ggelte Marihuana zu verkaufen. Um diesen für das Strafmaß möglicherw­eise entscheide­nden Punkt zu klären, wird das Gericht in drei Wochen den Führer des verdeckt ermittelnd­en Polizisten als Zeugen hören.

Sie nannten ihn alle nur „Jack“

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