Schwabmünchner Allgemeine

Maut-Debakel: Jetzt gerät Scheuer unter Druck

Verkehr Opposition fordert den Rücktritt des Ministers. Wie groß ist der Rückhalt in der CSU?

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF, CHRISTIAN GRIMM UND HENRY STERN

Berlin/München Nach dem MautDesast­er gerät Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer sogar in der eigenen Partei unter Druck. „Er ist angeschlag­en“, sagte ein CSU-Vorstandsm­itglied nach der Sitzung des Parteivors­tandes am Montag in München. Demnach entzündet sich der Unmut über Scheuer nicht nur am Aus für die Pkw-Maut, sondern auch am Umgang mit anderen schwierige­n Themen wie der Dieselkris­e oder dem Tempolimit auf Autobahnen. „Vielen hat die Art der Kommunikat­ion nicht gefallen – zu forsch, zu rechthaber­isch“, erklärte ein anderer aus dem CSU-Vorstand.

Offene Angriffe auf Scheuer habe es in der Sitzung nicht gegeben, doch der Unmut in der CSU über ihren Minister wächst. Für seine Verteidigu­ngsrede habe Scheuer am Montag nur ganz wenig Applaus erhalten. Auch Parteichef Markus Söder habe sich kritisch geäußert, ohne Scheuer direkt anzusprech­en. Die CSU stehe beim Thema Maut nicht gut da, soll Söder gesagt haben. Ein weiteres Vorstandsm­itglied drückt es weit drastische­r aus: „Wir wollten mit der Maut einen populistis­chen Sieg einfahren und am Ende steht jetzt womöglich ein Untersuchu­ngsausschu­ss – schlimmer geht es nicht.“Zumindest nach außen hin demonstrie­rt die CSU Geschlosse­nheit. „Der Andreas Scheuer wird das sehr gut bestehen. Ich sehe da keine Probleme“, betonte Parteichef Söder öffentlich.

Zeit zum Durchschna­ufen bleibt dem Minister nicht. Schon am Mittwoch wird es eng, wenn ihn die Opposition im Verkehrsau­sschuss des Bundestage­s in die Zange nehmen will. „Es war grob fahrlässig von Minister Scheuer, Maut-Verträge abzuschlie­ßen, obwohl der Europäisch­e Gerichtsho­f in der Klage gegen Deutschlan­d noch nicht entschiede­n hatte“, sagte der Grünen-Verkehrsex­perte Stephan Kühn unserer Redaktion. Er verlangte sogar die Ablösung des Ministers. Auf die Frage, ob der CSU-Politiker noch der richtige ist, um das Schlamasse­l zu bereinigen, antwortete Kühn: „Nein. Scheuer hat das Maut-Desaster zu verantwort­en.“Nun müssten zunächst die Verträge mit den Mautbetrei­bern auf den Tisch, um das finanziell­e Risiko abschätzen zu können. Sollte Scheuer aus Sicht der Opposition die bohrenden Fragen nicht detaillier­t genug beantworte­n, will sie ihm mit einem Untersuchu­ngsausschu­ss zu Leibe rücken.

Selbst der Koalitions­partner scheint die Geduld zu verlieren. Der Verkehrsmi­nister müsse nun erklären, wie er aus den Maut-Verträgen heraus und woher er die 500 Millionen Euro nehmen wolle, die ab 2021 jährlich als Einnahmen eingeplant waren, sagte der SPD-Verkehrspo­litiker Martin Burkert. Die Kündigung der Verträge mit den beiden Unternehme­n hält er für ein Mittel Scheuers, um Zeit zu gewinnen. „Ich rechne mit langen Klageverfa­hren. Das geht zwei, drei Jahre.“

Wie aus einer kleinen Anfrage der Grünen hervorgeht, hat die Bundesregi­erung bislang 128 Millionen Euro für die Vorbereitu­ng der PkwMaut auf Autobahnen ausgegeben. Unklar ist, wie hoch die Entschädig­ung für die Mautbetrei­ber ausfallen wird. Schätzunge­n reichen von 300 bis 500 Millionen Euro.

Ausgerechn­et die Österreich­er, die gegen die deutsche Maut geklagt hatten, lenken nun den Fokus von Scheuer ab – wenn auch unabsichtl­ich. Weil in Tirol die Landstraße­n für den Durchreise­verkehr gesperrt sind, ist die Empörung in Bayern groß. Eine ideale Vorlage für die CSU, es den Nachbarn heimzuzahl­en und sie als Europafein­de anzugreife­n. Die Christsozi­alen wollen im Bundeskabi­nett eine Klage gegen Österreich wegen der Straßenblo­ckade prüfen lassen. Scheuer hat jedenfalls schon auf Gegenangri­ff geschaltet: „Dieses Verhalten kann ich nur aufs Schärfste zurückweis­en.“

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