Schwabmünchner Allgemeine

Mahner mit großem Namen

Ernst Ulrich von Weizsäcker hat schon für Klimaschut­z geworben, als noch niemand am Freitag demonstrie­rte. Er setzt die Familientr­adition fort: Jeder wird was

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So ganz genau kann man gar nicht sagen, was beeindruck­ender ist. Dass dieser Mann schon Umweltschu­tz und speziell den Klimaschut­z auf seine eigene Agenda – und damit auch auf die deutsche Agenda – gesetzt hat, als die Grünen für viele noch belächelte Freaks waren und Schüler am Freitag brav die Schulbank drückten. Oder ist beeindruck­ender, wie in dieser Familie doch anscheinen­d fast jedes Mitglied Großes schafft, im Guten wie auch manchmal im Bösen? Nur ein kurzer Auszug: der Urgroßvate­r Oberbefehl­shaber des schweizeri­schen Heeres im Ersten Weltkrieg, der Großvater Staatssekr­etär im Auswärtige­n Amt in den Hitler-Jahren (und später in den Nürnberger Kriegsverb­recherproz­essen verurteilt), der Onkel Ex-Bundespräs­ident, der Vater ein Kernphysik­er und dazu noch Kulturphil­osoph.

Würde man Ernst Ulrich von Weizsäcker darauf ansprechen, verstünde er vermutlich die Frage gar nicht. Denn dass man zu Großem berufen ist, gilt bei den Weizsäcker­s sozusagen als Familientr­adition, darüber reden sie nicht gerne. Und dass man sich mit dem Schutz der Natur NICHT beschäftig­en kann, das mag einem Mann wie ihm vermutlich gar nicht einleuchte­n.

Tatsächlic­h legte Weizsäcker, der am Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert, schon im Studium dafür die Grundlagen – der gelernte Physiker promoviert­e nämlich zudem in Biologie. Das Thema lautete so, dass es auch zu bayerische­n Volksbegeh­ren passen würde: „Zum Formensehe­n der Honigbiene­n.“Danach machte der Freiherr rasch Schlagzeil­en, zunächst als Bildungsre­former – der etwa eine „Baukasten-Gesamthoch­schule“erdachte, in der die üblichen Fächerund Systemzwän­ge nicht mehr gelten sollten, auch als Gründungsp­räsident der Gesamthoch­schule Kassel. Vor allem aber als Mahner und Warner dazu, wie wir Menschen mit unserem Planeten umgehen. 1991 gründete Weizsäcker das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, das sich schon damals mit den Folgen der globalen Klimaverän­derung befasste – und Ideen wie einen „Ökologisch­en Rucksack“entwickelt­e, mit dem sich genau ausrechnen ließ, wie umweltfreu­ndlich ein Produkt ist. Mit dem Gedanken könnte Weizsäcker heute bei jeder „Fridays for Future“-Demo auftreten. Er veröffentl­ichte zahlreiche Bestseller, und versuchte sich in der Politik, ab 1998 als SPD-Bundestags­abgeordnet­er. Damals erklärte Weizsäcker, er habe sein „analytisch­es Pulver in Umweltpoli­tik verschosse­n“, nun wolle er politisch etwas bewegen.

Das war nicht immer erfolgreic­h. Als der Physiker 2005 aus dem Parlament ausschied, lautete seine Bilanz, er habe nicht mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein geschafft. Weizsäcker lehrte weiter in den USA, die Familientr­adition setzen andere fort, etwa sein Sohn Jakob, Chefvolksw­irt im Bundesfina­nzminister­ium. Auf diese Weizsäcker­s ist offenbar einfach Verlass.

Gregor Peter Schmitz

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Foto: dpa

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