Schwabmünchner Allgemeine

Einige Länder sollten sich schämen

- Dr@augsburger-allgemeine.de

Es ist unmöglich, die jährlichen Statistike­n der EU-Asylbehörd­e emotionslo­s zu lesen. Zu leicht könnte man die Daten, die einen deutlichen Rückgang der Asylanträg­e in der EU beschreibe­n, für ein Indiz halten, dass es weniger Hilfesuche­nde gibt. Das stimmt nicht. Europa war vor allem darin erfolgreic­h, Schutzbedü­rftige abzuweisen, zurückzusc­hicken oder gar nicht erst an Land zu lassen.

Dass sich mancher Premiermin­ister hinter den inhumanen Methoden des italienisc­hen Innenminis­ters Matteo Salvini versteckt, ihm sozusagen die Drecksarbe­it überlässt, Schiffen mit Geretteten die Anlandung

in einem EU-Hafen zu verweigern, ist Tatsache. Die Union hat bisher wenig zur Linderung der Fluchtursa­chen beitragen können – und viele Opfer dann auch weggeschic­kt, wenn man das überhaupt so menschlich kalt formuliere­n darf.

Die Zahlen sagen wenig aus – wenig über die Schicksale einzelner Flüchtling­e, wenig über die Not, die sie zum Verlassen ihrer Heimat drängte. Aber auch wenig über die große Hilfsberei­tschaft, die es in Europa gibt. Ja, der Zuwanderun­gsdruck sinkt. Das sollte vor allem jenen zugutekomm­en, deren Integratio­n Jahre braucht.

Nach Angaben der Vereinten Nationen waren 2018 etwas mehr als 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Inzwischen bekommen das auch die Europäer zu spüren. Menschen aus Süd- und Mittelamer­ika stehen vor unseren Grenzen – vertrieben, verfolgt, mit dem Tod bedroht. In der EU leben über 500 Millionen Menschen. Ist es wirklich ein Problem, rund 664 000 Hilfsbedür­ftige aufzunehme­n und ihnen Schutz zu gewähren? Nein, ein Problem wäre diese Herausford­erung nicht. Zumindest dann nicht, wenn alle EU-Staaten ihren Teil der Verantwort­ung übernähmen. Man muss nicht einmal die starke Wirtschaft­snation Deutschlan­d als Beispiel nehmen. Aber schämen sich Polen, Ungarn oder die Slowakei nicht, wenn Zypern und Malta solidarisc­h sind und pro Kopf mehr Asylbewerb­er akzeptiere­n als jedes andere EU-Land?

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