Einige Länder sollten sich schämen
Es ist unmöglich, die jährlichen Statistiken der EU-Asylbehörde emotionslos zu lesen. Zu leicht könnte man die Daten, die einen deutlichen Rückgang der Asylanträge in der EU beschreiben, für ein Indiz halten, dass es weniger Hilfesuchende gibt. Das stimmt nicht. Europa war vor allem darin erfolgreich, Schutzbedürftige abzuweisen, zurückzuschicken oder gar nicht erst an Land zu lassen.
Dass sich mancher Premierminister hinter den inhumanen Methoden des italienischen Innenministers Matteo Salvini versteckt, ihm sozusagen die Drecksarbeit überlässt, Schiffen mit Geretteten die Anlandung
in einem EU-Hafen zu verweigern, ist Tatsache. Die Union hat bisher wenig zur Linderung der Fluchtursachen beitragen können – und viele Opfer dann auch weggeschickt, wenn man das überhaupt so menschlich kalt formulieren darf.
Die Zahlen sagen wenig aus – wenig über die Schicksale einzelner Flüchtlinge, wenig über die Not, die sie zum Verlassen ihrer Heimat drängte. Aber auch wenig über die große Hilfsbereitschaft, die es in Europa gibt. Ja, der Zuwanderungsdruck sinkt. Das sollte vor allem jenen zugutekommen, deren Integration Jahre braucht.
Nach Angaben der Vereinten Nationen waren 2018 etwas mehr als 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Inzwischen bekommen das auch die Europäer zu spüren. Menschen aus Süd- und Mittelamerika stehen vor unseren Grenzen – vertrieben, verfolgt, mit dem Tod bedroht. In der EU leben über 500 Millionen Menschen. Ist es wirklich ein Problem, rund 664 000 Hilfsbedürftige aufzunehmen und ihnen Schutz zu gewähren? Nein, ein Problem wäre diese Herausforderung nicht. Zumindest dann nicht, wenn alle EU-Staaten ihren Teil der Verantwortung übernähmen. Man muss nicht einmal die starke Wirtschaftsnation Deutschland als Beispiel nehmen. Aber schämen sich Polen, Ungarn oder die Slowakei nicht, wenn Zypern und Malta solidarisch sind und pro Kopf mehr Asylbewerber akzeptieren als jedes andere EU-Land?