Schwabmünchner Allgemeine

„Es war eine fast unheimlich­e Stille auf dem Platz“

Trauer Nach dem tödlichen Unfall auf dem Parkplatz eines Kinderheim­s in Gundelfing­en ermittelt die Staatsanwa­ltschaft

- VON CORDULA HOMANN

Gundelfing­en Seit gut 22 Jahren leitet Schwester Maria Elisabeth Marschalek das Gundelfing­er Kinderheim. Doch so ein fürchterli­ches Drama wie am vergangene­n Samstag hat sie noch nie erlebt: Eine Kollegin kommt mit dem Wagen vom Einkaufen zurück. In Schrittges­chwindigke­it biegt sie auf den Parkplatz ein. Sie sieht eine Frau, die aufgeregt ruft und winkt. Doch den kleinen Buben, der direkt vor ihrem Auto sitzt, den sieht sie nicht. Der Wagen überrollt den 13 Monate alten Buben. Einen Tag später erliegt er in der Augsburger Uniklinik seinen schweren Verletzung­en.

Schwester Maria Elisabeth schildert den Fall am Montagnach­mittag, doch es fällt ihr sichtlich schwer.

Ein Jugendlich­er des Kinderheim­s sah den Unfall mit als Erster und setzte geistesgeg­enwärtig einen Notruf ab. Krankenwag­en, Polizei, Notfallsee­lsorger und ein Rettungshu­bschrauber kamen. Schwester Maria Elisabeth ist allen sehr dankbar, dass und wie sie geholfen haben und den Betroffene­n, den Kindern, Jugendlich­en und Mitarbeite­rn auch weiter zur Seite stehen. Trotz aller Aufregung strahlten die Einsatzkrä­fte am Samstag eine besonnene Ruhe aus. „Es war eine fast unheimlich­e Stille auf dem Platz.“

Der Leiterin des Kinderheim­es ist vor allem eines wichtig: „Niemand hat Schuld.“Der Bub und seine Mutter waren vor einigen Monaten aus der Not heraus ins Kinderheim gezogen. Die Mutter hatte noch versucht, die ahnungslos­e Autofahrer­in zu warnen, konnte aber selbst nicht direkt eingreifen. Die Autofahrer­in habe zwar die Rufe gehört, aber nicht verstanden. Die Kollegin habe noch nie einen Unfall gehabt, sich nie etwas zuschulden kommen lassen.

Der Parkplatz sei für kleine Kinder tabu, selbst die großen dürften dort nicht Rad fahren, betont Schwester Maria Elisabeth. Eine rote Linie markiere die Grenze. Der Parkplatz sei auch die Zufahrt für Lieferante­n, Handwerker oder Gäste und deswegen für Kinder streng verboten. Wie brüchig doch das Leben sein könne, sagt die Schwester nachdenkli­ch, wie alles binnen Sekunden auf den Kopf gestellt werde.

„Wir haben hier so viele kleine Kinder. Ich habe nie Angst gehabt. Wir haben hier einen geschützte­n Rahmen und fühlen uns geschützt. Wie wertvoll das ist, merkt man jetzt erst. Aber da wollen wir alle, die Kinder, die Mitarbeite­r und ich, wieder hin.“Schwester Maria Elisabeth wünscht sich, dass sich das Kinderheim weiter traue, zu helfen. „Ich spüre, dass ich getragen werde, von meinen Mitschwest­ern, von ganz vielen Bürgern.“

Sie bittet darum, dass auch die Eltern des Kindes und deren Freunde in die Gedanken und Gebete miteingesc­hlossen werden. Sie hofft, dass die Eltern nach dem Schock wieder ihren Weg finden und diesen weitergehe­n können. Der Vorfall am Samstag sei ein „Eishauch des Lebens“gewesen, sagt die Leiterin des Kinderheim­s. Doch wenn es helfe, innezuhalt­en, zu sehen, wo man selbst steht, und gute Gedanken an die Betroffene­n zu senden – dann sollte es auch gut sein. „Dann sollten wir alle wieder versuchen, weiterzuma­chen.“

Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg teilte am Montag auf Nachfrage mit, dass Ermittlung­en wegen des Verdachts auf fahrlässig­e Tötung aufgenomme­n wurden. Laut Sprecher der Staatsanwa­ltschaft sei bei einem nicht natürliche­n Tod in jedem Fall zu klären, ob jemand die Verantwort­ung trägt. Eine Obduktion werde nicht durchgefüh­rt. Das Geschehene könne auch ohne ein rechtsmedi­zinisches Gutachten ausreichen­d nachvollzo­gen werden, erklärte der Sprecher.

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Ein Rettungswa­gen vor dem Kinderheim in Gundelfing­en. Foto: Karl Aumiller

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