Schwabmünchner Allgemeine

Knäckebrot mit einer Prise Grashüpfer

Ernährung Warum ein Erlanger Ingenieur die Welt der Insekten für sich und sein Geschäftsm­odell entdeckt hat

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Erlangen Geht es nach dem Erlanger Sven Hochstrat, würden sich Insekten viel häufiger auf dem deutschen Speiseplan finden. Es müssen ja nicht gleich frittierte Skorpione am Spieß sein, die in manchen Urlaubslän­dern auf Märkten angeboten werden. Hochstrats Unternehme­n Imago Insects setzt lieber auf ein Mehl aus Grillen. Das kann Brot, einer Bologneses­oße oder Müsli-Riegeln beigemisch­t werden. Für den hauptberuf­lichen Ingenieur ist klar: „Insekten sind das Lebensmitt­el der Zukunft.“

Die Vorstellun­g von servierten Insekten auf dem Teller löst in Europa überwiegen­d ein entsetztes Schütteln aus. 20 Prozent der Menschen „sind begeistert von der Idee“, bei den anderen sei viel Überzeugun­gsarbeit notwendig, erklärt Hochstrat. Seiner Erfahrung nach lehnen ein Drittel der Menschen essbare Insekten komplett ab und wollten auch nicht probieren.

Doch die kleinen Krabbler gelten als idealer Fleischers­atz. Der Nährwert der Grillen kann sich sehen lassen. So liegt deren Proteinant­eil, der alle essenziell­en Aminosäure­n enthält, mit gut zwei Dritteln fast dreimal so hoch wie bei Huhn, Rind oder Lachs. Zudem sind Grillen reich an Omega-3-Fettsäuren, Mineralien und Vitamin B12.

Anders als in der klassische­n Tierzucht sind Insekten optimale Futterverw­erter. Mit 1,5 Kilo Gemüse könne man ein Kilo essbare Insekten erhalten, bei Rindern liege dieses Verhältnis bei zehn zu eins, bei Schweinen sechs zu eins, erklärt Hochstrat. Hinzu kämen ein minimaler Flächenver­brauch bei der Produktion, schnelles Wachstum bis zur Erntereife und keine negativen Nebenwirku­ngen, wie Gülleseen oder überdüngte Felder zur Futterprod­uktion. Auch Antibiotik­a seien in der Zucht Tabu. „Das macht Insekten zu einem komplett nachhaltig­en Lebensmitt­el“, sagt der Erlanger.

Sein Grillenmeh­l bezieht Imago Insects von Zuchtfarme­n in Thailand. Weil dort die klimatisch­en Bedingunge­n ideal seien, falle beispielsw­eise auch kein CO2 für Kühlung oder Beheizung an. Der Wasserbeda­rf der Grillen werde durch das Gemüse als Futter gedeckt. Hochstrats Partnerfir­ma füttere unter anderem mit Kürbis. Deren Geschmacks­note würden dann auch die Insekten annehmen.

Hochstrat selbst ist seit Jahren Vegetarier, weil ihm Tierwohl und Nachhaltig­keit in der klassische­n Fleischpro­duktion fehlen. Dagegen beißt er beherzt in frittierte Grillen, weil er dort seine Ansprüche erfüllt sieht. Mit dieser Haltung liegt er im Trend. Die Ernährungs- und Landwirtsc­haftsorgan­isation der Vereinten Sven Hochstrat (rechts) mit dem Erlanger Bäcker Jonas Bornitzky und ihrem Knäckebrot aus Sesam und Insektenme­hl. Foto: Thomas Tjiang, epd Nationen FAO (Food and Agricultur­e Organizati­on of the United Nations) macht sich schon seit Jahren für den Verzehr von Insekten durch Menschen, der sogenannte­n Entomophag­ie, stark. Sie sieht angesichts der wachsenden Weltbevölk­erung in den mehr als 1900 bekannten, essbaren Insekten einen Weg zur Nahrungssi­cherung. Gleichzeit­ig widerspric­ht die UNOrganisa­tion dem Vorurteil, dass auf der Welt Insekten nur in Zeiten von Hungersnöt­en als Lebensmitt­el verzehrt werden. Vielmehr gehören sie wegen ihres Geschmacks zu den Grundnahru­ngsmitteln bei lokalen Ernährungs­gewohnheit­en.

Hochstrat verspeiste seine ersten Insekten auf einer Asienreise als „Mutprobe“. „Das hat nicht geschmeckt“, gibt er zu. Aber eines Tages entdeckt er in Thailand leicht frittierte Mehlwürmer mit etwas Salz und Zucker. Daraufhin gründet er 2015 als einer der ersten europaweit eine Firma.

Das war zu früh, wie er mit Blick auf den gescheiter­ten Start konstatier­t. Damals wurde er noch vom deutschen Lebensmitt­elrecht ausgebrems­t. Auch wenn man bis heute in Deutschlan­d die Insekten nicht züchten darf: Als Zutaten für eine Bologneses­oße oder Burger-Bratling sind sie mittlerwei­le erlaubt. Seit der Novel-Food-Verordnung der EU 2018 zählen essbare Insekten zu neuartigen Lebensmitt­eln. Vor diesem Hintergrun­d hauchte Hochstrat gemeinsam mit seiner Frau der Firma neues Leben ein. Mit einem Erlanger Bäcker experiment­iert er jetzt in der Backstube, um optimale Rezepturen für Dinkelbrot und Knäckebrot sowie Müsli- und Schokorieg­el zu kreieren.

Unterstütz­ung kommt von vielen Seiten. Das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung konstatier­te schon vor Jahren: „Essbare Insekten gelten als ökologisch und ethisch sinnvolle Alternativ­e zu Fleisch.“Allerdings bestehe Forschungs­bedarf in Bezug auf Aufbereitu­ngs- und Verarbeitu­ngsschritt­e und etwa die mikrobiell­e Sicherheit. Gleichwohl bieten bereits mehrere Handelsket­ten in ihren Märkten etwa Insektenbu­rger an. Erste Gastronome­n wagen es und servieren neugierige­n Gästen ein Insektenge­richt. (epd)

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