Schwabmünchner Allgemeine

So wird im Perlachtur­m Musik gemacht

Sehenswürd­igkeit Das Glockenspi­el gibt es seit 34 Jahren. Jeden Tag um 11 Uhr ertönen je nach Jahreszeit fünf verschiede­ne Lieder. Für Türmerin Gerda Krug fehlt aber ein Stück im Repertoire

- VON OLIVER WOLFF

Es ist kurz nach 11 Uhr. Die volle Stunde hat gerade geschlagen. Eine Taube hat sich am Sicherungs­gitter des Perlachtur­ms in knapp 60 Metern Höhe gesetzt, schaut sich um und fliegt wieder weiter – als wüsste sie, was nun kommt. Ein heller Glockensch­lag, schnell folgen weitere. In Mehrstimmi­gkeit spielen insgesamt 35 Glocken wie von Geisterhan­d gesteuert ein Lied. Es ist das „Glöckchens­piel“aus Mozarts Zauberflöt­e. Leise ist es nicht gerade, etwa einen Meter oberhalb der Ohren findet das Glockenkon­zert statt. Nur ein Gitter trennen die Metallinst­rumente vom Betrachter. Bei den tieferen Tönen vibriert sogar der Boden der Aussichtsp­lattform.

Diese Plattform knapp unter der Turmspitze ist seit Ende 2017 für die Öffentlich­keit unzugängli­ch, so wie der gesamte Perlachtur­m. Eines der beliebtest­en Augsburger Wahrzeiche­n ist marode, das Gemäuer bröckelt. Das Metallgerü­st, mit dem die Säulen der Besucherpl­attform im Inneren stabilisie­rt werden, rostet. Eine aufwendige Sanierung steht an. Das Glockenspi­el leistet trotzdem seinen Dienst – und das seit der 2000-Jahr-Feier der Stadt, also seit 34 Jahren.

Die Altaugsbur­g-Gesellscha­ft, ein Verein zur Erhaltung Augsburger Kulturdenk­male, hat das Glockenspi­el im Jahr 1985 gestiftet, erzählt Gerda Krug. Die 78-jährige Augsburger­in war 15 Jahre lang ehrenamtli­che Türmerin am Perlachtur­m – bis zu seiner Schließung. 260 Stufen sind es bis nach oben zu ihrem alten Arbeitspla­tz. Dort verkaufte sie Tickets und betreute Turmbesuch­er.

Das Glockenspi­el selbst habe sie selbst aus Gewohnheit nicht mehr wahrgenomm­en. „Erst als Leute angerufen haben, um sich zu beschweren, wussten wir, dass das Glockenspi­el mal wieder ausgefalle­n ist“, erzählt Krug und lacht. Die Technik

hinter der Musikinsta­llation sei bis heute anfällig. Sie werde deswegen häufig von Elektriker­n der Stadtwerke gewartet. „Im Turm ist eine hohe Luftfeucht­igkeit, das tut den Glocken und der Elektrik nicht gut.“Dass die Glocken nicht immer perfekt intonieren, macht der

nichts. „Das macht doch ihren Charme aus.“

Elektronis­ch gesteuerte Hammer schlagen auf die Glocken in luftiger Höhe, die Schaltzent­rale ist dagegen in einem Vorraum des Turms, etwa in zehn Metern Höhe. Dort ist das Abspielger­ät installier­t, welches wie

eine Hammondorg­el aussieht. Gerda Krug öffnet die Türen auf der Rückseite des Geräts. Zu sehen ist eine Bandspule mit gestanzten Löchern. Auf ihr sind die Lieder abgespeich­ert. Die Spule wird je nach Jahreszeit ausgetausc­ht, erklärt

Krug. In den Monaten Juni und Juli spielt das Glockenspi­el fünf Lieder: drei Volksliede­r, darunter „Am Brunnen vor dem Tore“, und zwei Stücke von Mozart. „Alle Vöglein sind schon da“wird etwa im Frühjahr gespielt, im Dezember ertönen „Kling Glöckchen, klingeling­eling“und andere Weihnachts­lieder.

Die Löcher der Spulen seien manchmal ausgefrans­t, sagt Krug. „Vielleicht klingt das Glockenspi­el deswegen ab und zu falsch.“Ein78-Jährigen

programmie­rt wurden die Lieder vom bereits verstorben­en Augsburger Komponiste­n und Kirchenmus­iker Karl Erhard.

Wenn das Glockenspi­el samt Abspielger­ät einmal erneuert wird, wünscht Gerda Krug sich, dass Bertolt

Brechts „Mackie Messer“ins Repertoire aufgenomme­n wird. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Die Altaugsbur­g-Gesellscha­ft hatte zuletzt immer wieder für ein neues Glockenspi­el Spenden gesammelt und hält diese für die Zeit der Generalsan­ierung des Turms bereit. Früher ertönte das Glockenspi­el sogar zwei Mal am Tag. Der Termin um 17 Uhr sei nach Beschwerde­n aus der Bevölkerun­g gestrichen worden, weiß Krug.

 ??  ?? Insgesamt 35 Glocken spielen jeden Tag um 11 Uhr ausgewählt­e Musikstück­e. Das Glockenspi­el wurde zur 2000-Jahr-Feier der Stadt im Perlachtur­m installier­t.
Insgesamt 35 Glocken spielen jeden Tag um 11 Uhr ausgewählt­e Musikstück­e. Das Glockenspi­el wurde zur 2000-Jahr-Feier der Stadt im Perlachtur­m installier­t.
 ??  ?? Wie bei einer Drehorgel sind auf Lochband-Spulen die Lieder abgespeich­ert. Je nach Jahreszeit werden die Spulen gewechselt. Fotos: Oliver Wolff
Wie bei einer Drehorgel sind auf Lochband-Spulen die Lieder abgespeich­ert. Je nach Jahreszeit werden die Spulen gewechselt. Fotos: Oliver Wolff
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Gerda Krug

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