So wird im Perlachturm Musik gemacht
Sehenswürdigkeit Das Glockenspiel gibt es seit 34 Jahren. Jeden Tag um 11 Uhr ertönen je nach Jahreszeit fünf verschiedene Lieder. Für Türmerin Gerda Krug fehlt aber ein Stück im Repertoire
Es ist kurz nach 11 Uhr. Die volle Stunde hat gerade geschlagen. Eine Taube hat sich am Sicherungsgitter des Perlachturms in knapp 60 Metern Höhe gesetzt, schaut sich um und fliegt wieder weiter – als wüsste sie, was nun kommt. Ein heller Glockenschlag, schnell folgen weitere. In Mehrstimmigkeit spielen insgesamt 35 Glocken wie von Geisterhand gesteuert ein Lied. Es ist das „Glöckchenspiel“aus Mozarts Zauberflöte. Leise ist es nicht gerade, etwa einen Meter oberhalb der Ohren findet das Glockenkonzert statt. Nur ein Gitter trennen die Metallinstrumente vom Betrachter. Bei den tieferen Tönen vibriert sogar der Boden der Aussichtsplattform.
Diese Plattform knapp unter der Turmspitze ist seit Ende 2017 für die Öffentlichkeit unzugänglich, so wie der gesamte Perlachturm. Eines der beliebtesten Augsburger Wahrzeichen ist marode, das Gemäuer bröckelt. Das Metallgerüst, mit dem die Säulen der Besucherplattform im Inneren stabilisiert werden, rostet. Eine aufwendige Sanierung steht an. Das Glockenspiel leistet trotzdem seinen Dienst – und das seit der 2000-Jahr-Feier der Stadt, also seit 34 Jahren.
Die Altaugsburg-Gesellschaft, ein Verein zur Erhaltung Augsburger Kulturdenkmale, hat das Glockenspiel im Jahr 1985 gestiftet, erzählt Gerda Krug. Die 78-jährige Augsburgerin war 15 Jahre lang ehrenamtliche Türmerin am Perlachturm – bis zu seiner Schließung. 260 Stufen sind es bis nach oben zu ihrem alten Arbeitsplatz. Dort verkaufte sie Tickets und betreute Turmbesucher.
Das Glockenspiel selbst habe sie selbst aus Gewohnheit nicht mehr wahrgenommen. „Erst als Leute angerufen haben, um sich zu beschweren, wussten wir, dass das Glockenspiel mal wieder ausgefallen ist“, erzählt Krug und lacht. Die Technik
hinter der Musikinstallation sei bis heute anfällig. Sie werde deswegen häufig von Elektrikern der Stadtwerke gewartet. „Im Turm ist eine hohe Luftfeuchtigkeit, das tut den Glocken und der Elektrik nicht gut.“Dass die Glocken nicht immer perfekt intonieren, macht der
nichts. „Das macht doch ihren Charme aus.“
Elektronisch gesteuerte Hammer schlagen auf die Glocken in luftiger Höhe, die Schaltzentrale ist dagegen in einem Vorraum des Turms, etwa in zehn Metern Höhe. Dort ist das Abspielgerät installiert, welches wie
eine Hammondorgel aussieht. Gerda Krug öffnet die Türen auf der Rückseite des Geräts. Zu sehen ist eine Bandspule mit gestanzten Löchern. Auf ihr sind die Lieder abgespeichert. Die Spule wird je nach Jahreszeit ausgetauscht, erklärt
Krug. In den Monaten Juni und Juli spielt das Glockenspiel fünf Lieder: drei Volkslieder, darunter „Am Brunnen vor dem Tore“, und zwei Stücke von Mozart. „Alle Vöglein sind schon da“wird etwa im Frühjahr gespielt, im Dezember ertönen „Kling Glöckchen, klingelingeling“und andere Weihnachtslieder.
Die Löcher der Spulen seien manchmal ausgefranst, sagt Krug. „Vielleicht klingt das Glockenspiel deswegen ab und zu falsch.“Ein78-Jährigen
programmiert wurden die Lieder vom bereits verstorbenen Augsburger Komponisten und Kirchenmusiker Karl Erhard.
Wenn das Glockenspiel samt Abspielgerät einmal erneuert wird, wünscht Gerda Krug sich, dass Bertolt
Brechts „Mackie Messer“ins Repertoire aufgenommen wird. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Die Altaugsburg-Gesellschaft hatte zuletzt immer wieder für ein neues Glockenspiel Spenden gesammelt und hält diese für die Zeit der Generalsanierung des Turms bereit. Früher ertönte das Glockenspiel sogar zwei Mal am Tag. Der Termin um 17 Uhr sei nach Beschwerden aus der Bevölkerung gestrichen worden, weiß Krug.