Schwabmünchner Allgemeine

Beleidigt, bedroht, bespuckt

Attacke auf Polizistin am Haller-Platz

- VON KLAUS UTZNI

Der Einsatz in der Trinker- und Drogenszen­e vor dem Oberhauser Bahnhof wegen einer angebliche­n Schlägerei schien für die Funkstreif­e Routine zu sein. Doch beim Auftauchen eines Beamten und seiner Kollegin an einem Abend im Juli 2018 rastete ein 24-Jähriger völlig aus. Zwei Stunden lang hielt er insgesamt sieben Polizisten in Schach, attackiert­e und bedrohte sie, beleidigte sie in übelster Weise. Und der an der ansteckend­en Leberkrank­heit Hepatitis C leidende Süchtige bespuckte die Polizisten. Eine junge Beamtin wurde mitten im Gesicht getroffen. Obwohl die Ansteckung­sgefahr durch Speichel nicht allzu groß ist, muss sich die 24-Jährige seither regelmäßig Blut abnehmen lassen. Amtsrichte­rin Susanne Scheiwille­r verurteilt­e den Mann nun wegen einer ganzen Serie von Straftaten, etwa versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung, zu eineinhalb Jahren Gefängnis. Er wird außerdem zur Therapie in eine psychiatri­sche Klinik eingewiese­n.

Der Angeklagte, der derzeit eine viermonati­ge Haftstrafe in anderer Sache absitzt, wird von drei Polizisten in den Sitzungssa­al geführt. Einer hat – für alle Fälle – eine sogenannte „Spuckhaube“griffberei­t dabei. Die Befürchtun­g, der 24-Jährige könnte auch während des Prozesses ausrasten, erweist sich aber als gegenstand­slos. Er bleibt völlig ruhig, wird im Knast derzeit mit Drogenersa­tzstoffen substituie­rt. Er lässt zunächst seinen Verteidige­r Frank Thaler reden. Sein Mandant, so sagt der Anwalt, sei damals mit Alkohol, Heroin und Ersatzstof­fen „hackedicht“gewesen, könne sich nicht mehr genau an das erinnern, was sich zugetragen habe. Aber: „Er schämt sich heute dafür.“

Den Polizisten, die das Gericht geladen hat, ist der damalige Einsatz allerdings noch ganz genau im Gedächtnis geblieben. Ein Beamter und seine Kollegin hatten den Angeklagte­n gestellt. Dabei versuchte er, der Polizistin, 34, in den rechten Arm zu beißen. Sie konnte abwehren. „Wir wollten deeskalier­en. Aber das funktionie­rte nicht. Zu zweit hatten wir keine Chance, ihn zum Funkwagen zu bringen“, erinnert sich die Beamtin. „Hochgradig aggressiv“sei der Angeklagte gewesen, sagte ein weiterer Polizist. „Wir mussten ihn zum Streifenwa­gen tragen.“Weil er begonnen hatte, gegen die Einsatzkrä­fte zu spucken, wurde ihm eine Netzhaube über den Kopf gezogen. Trotzdem wurde die Beamtin mit einem regelrecht­en Speichelne­bel durch das Netz im Gesicht getroffen. „Du hast es verdient, dich jetzt mit Hepatitis und Aids anzustecke­n“, habe der Angeklagte gerufen. Tatsächlic­h ist der Süchtige zwar nicht mit HIV, aber mit Hepatitis C infiziert. Bislang sind alle Blutunters­uchungen bei der Beamtin negativ verlaufen. „Aber die Ansteckung­sgefahr bleibt im Hinterkopf. Man macht sich da schon Gedanken, es ist nicht einfach“, sagte die Zeugin dem Gericht.

Der Angeklagte hatte sich damals selbst in einer Arrestzell­e nicht beruhigen lassen. Er zerriss sein T-Shirt, wickelte es um seinen Hals und versuchte, sich selbst zu strangulie­ren. Daraufhin wurde er – wiederum unter großen Mühen – ins Bezirkskra­nkenhaus gebracht.

Der psychiatri­sche Gutachter Professor Albrecht Stein empfahl dem Gericht, den Angeklagte­n neben einer Strafe zur stationäre­n Therapie in einer Klinik unterzubri­ngen. Dafür plädierten auch Verteidige­r Frank Thaler und Staatsanwä­ltin Katharina Horn, die zudem eine Gefängniss­trafe von 18 Monaten forderte. „Der Einsatz war für die Polizei der reinste Horror“, sagte sie. Richterin Scheiwille­r folgte diesem Strafantra­g. Das Urteil ist bereits rechtskräf­tig.

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