Schwabmünchner Allgemeine

Im Umgang mit rechter Gewalt darf es keine Zweideutig­keiten geben E

Leitartike­l In Deutschlan­d hat sich ein Netzwerk aus gewaltbere­iten Extremiste­n gebildet, das viel zu lange ignoriert wurde. Es ist Zeit für klare Worte und Taten

- VON MARGIT HUFNAGEL huf@augsburger-allgemeine.de

s sind alarmieren­de Signale, aus einem Milieu, das offenbar viel zu lange für beherrschb­ar gehalten wurde. Zum ersten Mal wurde mit Walter Lübcke ein aktiver Politiker von einem Rechtsextr­emisten ermordet, ja: hingericht­et. Offen gibt der Täter die Flüchtling­spolitik als Motiv an. Zur gleichen Zeit erhebt der Generalbun­desanwalt Anklage gegen die Gruppe „Revolution Chemnitz“, die allem Anschein nach vom Umsturz träumte und dafür einen bürgerkrie­gsähnliche­n Aufstand in Berlin anzetteln wollte. Auch heute werden die Gesichter wieder ernst sein, wenn der Chef des Verfassung­sschutzes in seinem aktuellen Bericht verkünden muss, dass nicht nur die Zahl der Rechtsextr­emisten steigt, sondern die Gewaltbere­itschaft in der braunen Szene beängstige­nd groß ist.

Es ist eine Dimension rechter Umtriebe entstanden, die nicht länger ignoriert werden darf. Viel zu sehr haben wir uns an das eigentlich Unerträgli­che gewöhnt: Dass es einen Bodensatz in diesem Land gibt, der den Staat als Feind betrachtet. In den 70er und 80er Jahren waren es die linken Mörder der RAF, in den vergangene­n Jahren die Islamisten, die mit ihren kranken Fantasien das Bestehende zerstören wollten. Nun müssen wir befürchten, dass sich ein bedrohlich­es Netzwerk aus Rechtsextr­emisten gebildet hat, das seine Stunde gekommen sieht. Sie zielen nicht mehr auf Asylbewerb­erheime und Flüchtling­e ab, sondern richten ihre Waffen dorthin, wo sie die Ursache für ihren Frust vermuten: auf die Politik. „Entweder diese Regierung dankt in Kürze ab oder es wird Tote geben“, schrieb der mutmaßlich­e Mörder von Walter Lübcke in einem Internet-Forum.

Überrasche­nd ist der Zeitpunkt nicht wirklich: Der Umgang mit der Flüchtling­skrise hat Deutschlan­d verändert. Der Ton gegenüber politisch Andersdenk­enden ist rauer geworden, die verächtlic­he Sprache beinahe schon Normalität. Mit der AfD ist eine Partei in die Parlamente eingezogen, die mit aggressive­r Rhetorik auf Stimmenfan­g geht. Zugleich sieht das rechte Lager seine Themen schwinden: Die Jugend will nicht mehr über Flüchtling­e lamentiere­n, sie treibt die Politik dazu, das Thema Umweltschu­tz endlich ernst zu nehmen. Schüler und Studenten gehen auf die Straße und viele Erwachsene schließen sich ihnen an. Damit verschiebt sich die politische Agenda merklich. Was die Rechten nun brauchen, ist neue Aufmerksam­keit. Dabei nehmen sie offenbar sogar in Kauf, durch Gewalt viele zu verschreck­en, die latent mit ihnen sympathisi­ert haben.

Wir sollten die Stimmung ernst nehmen, denn sie droht, in die Mitte der Gesellscha­ft überzugrei­fen – wenn sie nicht schon längst übergespru­ngen ist. Selbst jene, die niemals selbst Gewalt als politische­s Mittel einsetzen würden, reagieren bisweilen mit Schulterzu­cken auf die Hinweise von Politikern, dass die Zahl der Drohbriefe zunimmt. Offenbar nimmt ein nicht zu unterschät­zender Teil der Gesellscha­ft an, dass es quasi zum Mandat gehört, sich anpöbeln zu lassen. Schließlic­h seien die Gehälter ja üppig, heißt es dann.

Doch wenn es um die Verteidigu­ng unserer Demokratie geht – und ein Angriff auf einen gewählten Mandatsträ­ger ist nichts anderes als ein Angriff auf diese Ordnung –, darf es keine Zweideutig­keiten, keine Interpreta­tionsspiel­räume geben. Nicht umsonst wagen es immer mehr der rechten Krakeeler, aus dem Schatten der Anonymität herauszutr­eten. Sie vermuten hinter dem Schweigen der Mehrheit einen stummen Beifall. Ein Phänomen, das uns innehalten lassen sollte – und gerade die Volksparte­ien dazu bewegen muss, die Täter aus der rechten Ecke stärker zu ächten, als dies bislang geschieht.

Unser Schweigen wird als Beifall interpreti­ert

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