Problemzone Parkhaus
Verkehr Autos werden immer größer und es gibt immer mehr davon. Das bedeutet auch: Beim Parken geht es immer enger zu. Die Folgen sind allzu oft Kratzer und Schrammen. Ist eine Gesetzesänderung die Lösung? Oder hilft nur noch die Revolution des Parkhauses
Donauwörth Einschlagen. Vorfahren. Stoppen. Zurückfahren. Wieder stoppen. Wieder vor. Und immer die anderen Autos im Blick behalten. Das dauert. Gefühlt: Minuten. Der dunkelblaue Opel Zafira kämpft sich in die enge Lücke. Endlich knackt die Handbremse. Der Fahrer zwängt sich aus der Tür und zwischen den beiden Autos hindurch. Was er von der Parksituation hält? „Was soll man da noch sagen?“Dann dampft er ab.
Es ist später Vormittag. Im Parkhaus im Ried nahe der Donauwörther Innenstadt herrscht reger Verkehr. Der guten Lage wegen ist es beliebt. Doch die engen Verhältnisse machen es Autofahrern schwer. Und nicht immer liegt das an deren Fahrfähigkeiten oder an zu großen Familienkutschen. Schon mit einem VW Golf geraten selbst geübte Fahrer trotz Abstandssensoren vorne und hinten an ihre Grenzen.
Viele deutsche Parkhäuser sind für die heutigen Bedingungen zu eng. Sie wurden in den Jahren des automobilen Aufschwungs gebaut, als sich in den 1960er und 1970er Jahren immer mehr Menschen einen eigenen Pkw leisten konnten. Das Parkhaus im Ried ist da vergleichsweise jung. Erst 1996 wurde es errichtet – auf damals schon engem Raum. Innenstadtnahe Parkgelegenheiten waren gefragt. 104 Stellplätze konnte man hier auf der kleinen Insel in der Wörnitz einrichten.
Das Problem ist nun allerdings: Heutzutage drängen immer mehr Autos in die Städte, für die Parkplätze benötigt werden. Zugleich geht der Trend zum Großfahrzeug wie dem SUV.
Und: Autos wachsen.
Allein der VW Golf misst heute je nach Ausführung zwischen 50 und 90 Zentimeter mehr in der Länge und 20 Zentimeter mehr in der Breite als 1974. Und ein Audi A4 maß 1970, als er noch Audi 80 hieß, ebenfalls 20 Zentimeter weniger in der Breite und 50 weniger in der Länge als heute. Viele Parkhäuser indes haben sich nicht verändert. Und die gesetzlichen Rahmenbedingungen seit 1993 ebenso wenig.
In Bayern schreibt die Garagenund Stellplatzverordnung haargenau Mindestanforderungen vor. Zum Beispiel, dass eine Parkbucht mindestens 2,30 Meter breit sein muss. Oder, dass eine Fahrgasse, wenn die Parkbuchten im 90-GradWinkel zu ihr liegen und 2,40 Meter in der Breite messen, mindestens 6,25 Meter breit sein muss. 26 Jahre gelten diese Regeln schon. Nach Angaben des Auto Clubs Europa (ACE) haben die Pkw jedoch allein zwischen 2000 und 2010 im Schnitt 13 Prozent an Fläche zugelegt.
Die Parkhäuser indes wachsen nicht mit. Auch nicht in Donauwörth. Umbauten am bestehenden Gebäude seien nur schwer möglich, teilt eine Sprecherin der Stadt schriftlich mit. Und: Größere Parkbuchten hätten insgesamt weniger Stellplätze zur Folge. Im Parkhaus sind die Spuren dieser engen Verhältnisse überall zu sehen: Verschrammte Säulen und abgeschlagene Kanten an den Bordsteinen der Fußwege prägen das Bild.
Irgendwo quietschen Autoreifen. Unten an der Auffahrt ist wieder einer am Bordstein hängen geblieben. Ein silberner VW Bus schleicht nach oben. Der Fahrer rangiert von Auffahrt zu Auffahrt, hoch auf die oberste Ebene, und stellt dort seinen Wagen ab. Jochen Richter steigt aus, 50 Jahre alt, graues Poloshirt, Jeans. Er sagt: „Das kannst du hier echt vergessen.“Aber was tun? – er sei halt auf das Parkhaus angewiesen. Denn der VW Bus, mit dem er für seinen Arbeitgeber unterwegs ist, sei für die Parkplätze in der Innenstadt zu groß, sagt er.
Der ACE testet regelmäßig Parkhäuser. Harald Eckart aus Augsburg, Sozialpädagoge und ehrenamtlich für den Autoklub in der Region tätig, hilft dabei. Anhand eines Punktekatalogs, der neben der Bauausführung auch die Sicherheit, Servicequalität und Freundlichkeit der Gebäude überprüft, werden diese wie Kinder in der Schule benotet. Eckart sagt: „Besonders die alten Parkhäuser schneiden schlecht ab.“Die Donauwörther Einrichtung haben sie bislang nicht begutachtet. Eckart sagt: „Viele Autofahrer meiden Parkhäuser, besonders in den Städten. Man muss das so sehen: Jeder Lackfleck an der Wand ist auch ein Schaden an einem Auto.“
Deshalb fordert eben der ACE oder interessanterweise auch der Bundesverband Parken, also der Verband der Parkhaus-Betreiber, seit Jahren die Anpassung der Garagenverordnung. Letzterer will die Mindestbreite auf 2,50 Meter erhöhen, der ACE verlangt sogar, dass jeder dritte Parkplatz aufgelöst und die gewonnene Fläche auf zwei bestehende Parkbuchten aufgeteilt wird. Vor zwei Jahren veröffentlichte der Autoklub einen Katalog mit Forderungen, auch zum Thema Parkplätze. Reaktionen aus der Politik, sagt Eckart, gab es kaum.
Bayerns Verkehrsministerium sieht aktuell wenig Handlungsbedarf. Dort verweist man auf die Betreiber der Parkhäuser und Tiefgaragen. Ihnen sei freigestellt, die Parkbuchten beliebig zu vergrößern. Wegen des Bestandsschutzes der Gebäude wolle man jedenfalls vonseiten der Staatsregierung die Mindestgrößen nicht anpassen.
Dießen am Ammersee. Die Tiefgarage in der Mühlstraße, die der Marktgemeinde gehört, liegt eigentlich ideal. Zehn Minuten braucht man von ihr zur Seepromenade. Trotzdem: Wer kann, meidet sie. Über eine steile und enge Kurve, die gleichzeitig Ab- und Auffahrt ist, rollt man ins schummrige Licht. Unten folgt die nächste, noch engere Kurve. Auf beiden Seiten lauert der Bordstein gefährlich nah am Wagen. Die vielen Säulen machen es auch nicht leichter. Sie tragen die Spuren der vergangenen Jahrzehnte. Hüfthoch sind sie bunt gestrichen vom Lack der vielen Autos.
Das Ehepaar Sattler hat sich hier unten einen Stellplatz gemietet. Ehemann Heinz parkt den silbernen Renault Scenic in der Parkbucht. Auch nach Jahren der Übung ist das
nicht zu schaffen, ohne mindestens einmal zu korrigieren – und das, obwohl der Stellplatz deutlich breiter ist als andere. Der Renault ist gezeichnet. Schon mehrfach blieb der 76-Jährige an den Säulen hängen, jedes Mal mit optischem und damit auch finanziellem Schaden.
Die Gemeinde weiß um die Situation. Bürgermeister Herbert Kirsch, graue Haare, Schnauzbart, Poloshirt, sagt: „Das Problem ist in Dießen bekannt. Die meisten parken lieber am Straßenrand oder auf den Parkplätzen außerhalb.“Die 10000-Einwohner-Gemeinde will die Tiefgarage generalsanieren. Dazu gehört die Erneuerung der beschädigten Tore und einiger tropfender Rohre. An den Stellplätzen und Säulen könne man aber wahrscheinlich nichts ändern.
Es ist ja so, dass nicht nur die Autos immer größer werden. Der Trend geht überhaupt zum Großfahrzeug. Die einen sind auf große Vans angewiesen, beruflich etwa, andere kaufen Geländewagen, Pickups und SUVs, weil sie einfach Lust
haben. Allein bei den SUVs verdoppelte sich die Zahl der Zulassungen zwischen 2015 und 2018 nahezu. Exakt 630005 Exemplare wurden im vergangenen Jahr neu zugelassen, ein Anteil von 18 Prozent an allen Neuzulassungen. Nur die Kompaktklasse ist beliebter.
Damit geht ein Problem einher, das nicht nur Parkhäuser betrifft. Wenn Autos immer größer werden und SUVs irgendwann wie in den USA die Straßen beherrschen, hat das Folgen für den gesamten Stadtverkehr. Schließlich teilen sich Autos die Infrastruktur mit Straßenbahnen, Bussen, Rollern, Fahrradfahrern, Fußgängern und neuerdings E-Scootern. Und alle fordern ihren Platz. Parkgelegenheiten am Straßenrand dürfen in dem Chaos selbstverständlich auch nicht fehlen.
Professor Markus Friedrich, Leiter des Lehrstuhls für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik an der Universität Stuttgart, warnt schon jetzt: Werden Autos breiter, sagt er, müssen auch die Straßen breiter werden. Einfach sei das
nicht. In der Stadt grenzen Gehwege und Parkbuchten die Entfaltungsmöglichkeiten ein. Die zwangsläufige Konsequenz aus Sicht des Experten: der Wegfall der Stellplätze, zumindest auf einer Seite. „In der Praxis wird es wohl einen schleichenden Prozess geben, der je nach lokaler Situation zur unerlaubten Mitnutzung des Gehweges oder zur Behinderung des Verkehrsflusses führen wird.“Das hätte Folgen für alle: „Der Vorteil der Nutzung eines breiteren Pkw für den einzelnen Autofahrer wird ein Nachteil für die Aufenthaltsqualität in der Stadt.“
Szenenwechsel. Das Parkhaus des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart. Ein schwarzer Mercedes hält auf einem Parkstreifen, die Fahrerin steigt aus, zückt ihr Handy, klickt einmal drauf und geht weg. Das Auto indes fährt weiter – allein. In Schrittgeschwindigkeit bahnt es sich den Weg durchs Parkhaus, vorbei an anderen Fahrzeugen, Säulen und durch enge Auffahrten bis zur nächsten Parklücke. Dort parkt es zielgenau rückwärts ein, vollkomdarauf men selbstständig. Was bisher nur in einem Imagefilm zu sehen ist, soll irgendwann Schule machen. Ein entsprechendes Projekt haben die deutschen Unternehmen Daimler und Bosch im Jahr 2015 ins Leben gerufen. Es heißt „Automated Valet Parking“, zu Deutsch: automatisierter Parkservice.
Dieses System könnte dem Fahrer viel Zeit und Ärger ersparen. Gesteuert wird das Auto über einen Computer im Parkhaus, der per Internet-Cloud mit dem Wagen und Sensoren im Gebäude verbunden ist. Steht das Fahrzeug an der dafür vorgesehenen Stelle und erhält der Computer den Befehl über die App, steuert er das Auto zur nächsten freien Parklücke. Hindernisse wie andere Fahrzeuge oder etwa ein Kind, das auf den Weg rennt, sollen dabei erkannt werden. Will der Besitzer seinen Wagen wieder abholen, gibt er wieder ein Kommando auf seinem Handy, und das Auto kehrt zum Parkhaus-Eingang zurück.
Es wird dauern, bis das Verfahren im Alltag ankommt. Derzeit warten die Verantwortlichen auf die Genehmigung, es auch außerhalb des Versuchsparkhauses testen zu dürfen, sagt Annett Fischer, Sprecherin von Bosch Mobility Solutions. Für das automatisierte Parkhaus sind einige technische Voraussetzungen erforderlich. So braucht es darin unter anderem Sensoren in Form von Kameras, über die alles gesteuert werden kann. Und die Fahrzeuge? Fischer sagt: „Vieles, was wir technologisch brauchen, ist bereits heute in Autos vorhanden.“Dazu gehörten ein Automatikgetriebe, elektrische Lenkung und ein schlüsselloses Start- und Schließprinzip.
Im besten Fall funktioniert das System unfallfrei – also nie wieder Schrammen im Lack oder angekratzte Felgen, weil das Auto nicht in einem Zug durch die Engstelle passt. Und: Fischer zufolge kann in einem automatisierten Parkhaus 20 Prozent der Parkfläche eingespart werden. Schließlich müsse nach dem Parken niemand mehr aussteigen.
Die Idee ist nicht neu. In Augsburg gab es ein ähnliches Konstrukt schon einmal. Das Spiralparkhaus wurde 1996 fertiggestellt und als Weltneuheit gefeiert. Man musste das Auto auf eine Plattform fahren, ein System brachte es dann automatisch zu einem freien Stellplatz. Vier Jahre nach Fertigstellung wurde das Gebäude jedoch geschlossen. Es fehlten die Kunden – unter anderem wegen langer Wartezeiten, vor allem aber, weil es immer wieder technische Probleme gab. Teilweise blieben die Autos einfach stecken.
Daran erinnert auch ACE-Mann Eckart mit Blick auf das Projekt von Bosch und Daimler. Trotzdem hält er es für sinnvoll. „Eine intelligente Vernetzung könnte die Lösung sein“, sagt er. Bis dahin wird das Einparken für die meisten Autofahrer nach altem Muster funktionieren: Einschlagen. Vorfahren. Stoppen. Zurückfahren. Wieder stoppen. Wieder vor. Und immer die anderen Autos im Blick behalten.
Als in Augsburg mal wieder das Spiralparkhaus streikte Der heutige Golf ist viel länger als der von 1974