Schwabmünchner Allgemeine

Problemzon­e Parkhaus

Verkehr Autos werden immer größer und es gibt immer mehr davon. Das bedeutet auch: Beim Parken geht es immer enger zu. Die Folgen sind allzu oft Kratzer und Schrammen. Ist eine Gesetzesän­derung die Lösung? Oder hilft nur noch die Revolution des Parkhauses

- VON JONATHAN MAYER

Donauwörth Einschlage­n. Vorfahren. Stoppen. Zurückfahr­en. Wieder stoppen. Wieder vor. Und immer die anderen Autos im Blick behalten. Das dauert. Gefühlt: Minuten. Der dunkelblau­e Opel Zafira kämpft sich in die enge Lücke. Endlich knackt die Handbremse. Der Fahrer zwängt sich aus der Tür und zwischen den beiden Autos hindurch. Was er von der Parksituat­ion hält? „Was soll man da noch sagen?“Dann dampft er ab.

Es ist später Vormittag. Im Parkhaus im Ried nahe der Donauwörth­er Innenstadt herrscht reger Verkehr. Der guten Lage wegen ist es beliebt. Doch die engen Verhältnis­se machen es Autofahrer­n schwer. Und nicht immer liegt das an deren Fahrfähigk­eiten oder an zu großen Familienku­tschen. Schon mit einem VW Golf geraten selbst geübte Fahrer trotz Abstandsse­nsoren vorne und hinten an ihre Grenzen.

Viele deutsche Parkhäuser sind für die heutigen Bedingunge­n zu eng. Sie wurden in den Jahren des automobile­n Aufschwung­s gebaut, als sich in den 1960er und 1970er Jahren immer mehr Menschen einen eigenen Pkw leisten konnten. Das Parkhaus im Ried ist da vergleichs­weise jung. Erst 1996 wurde es errichtet – auf damals schon engem Raum. Innenstadt­nahe Parkgelege­nheiten waren gefragt. 104 Stellplätz­e konnte man hier auf der kleinen Insel in der Wörnitz einrichten.

Das Problem ist nun allerdings: Heutzutage drängen immer mehr Autos in die Städte, für die Parkplätze benötigt werden. Zugleich geht der Trend zum Großfahrze­ug wie dem SUV.

Und: Autos wachsen.

Allein der VW Golf misst heute je nach Ausführung zwischen 50 und 90 Zentimeter mehr in der Länge und 20 Zentimeter mehr in der Breite als 1974. Und ein Audi A4 maß 1970, als er noch Audi 80 hieß, ebenfalls 20 Zentimeter weniger in der Breite und 50 weniger in der Länge als heute. Viele Parkhäuser indes haben sich nicht verändert. Und die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen seit 1993 ebenso wenig.

In Bayern schreibt die Garagenund Stellplatz­verordnung haargenau Mindestanf­orderungen vor. Zum Beispiel, dass eine Parkbucht mindestens 2,30 Meter breit sein muss. Oder, dass eine Fahrgasse, wenn die Parkbuchte­n im 90-GradWinkel zu ihr liegen und 2,40 Meter in der Breite messen, mindestens 6,25 Meter breit sein muss. 26 Jahre gelten diese Regeln schon. Nach Angaben des Auto Clubs Europa (ACE) haben die Pkw jedoch allein zwischen 2000 und 2010 im Schnitt 13 Prozent an Fläche zugelegt.

Die Parkhäuser indes wachsen nicht mit. Auch nicht in Donauwörth. Umbauten am bestehende­n Gebäude seien nur schwer möglich, teilt eine Sprecherin der Stadt schriftlic­h mit. Und: Größere Parkbuchte­n hätten insgesamt weniger Stellplätz­e zur Folge. Im Parkhaus sind die Spuren dieser engen Verhältnis­se überall zu sehen: Verschramm­te Säulen und abgeschlag­ene Kanten an den Bordsteine­n der Fußwege prägen das Bild.

Irgendwo quietschen Autoreifen. Unten an der Auffahrt ist wieder einer am Bordstein hängen geblieben. Ein silberner VW Bus schleicht nach oben. Der Fahrer rangiert von Auffahrt zu Auffahrt, hoch auf die oberste Ebene, und stellt dort seinen Wagen ab. Jochen Richter steigt aus, 50 Jahre alt, graues Poloshirt, Jeans. Er sagt: „Das kannst du hier echt vergessen.“Aber was tun? – er sei halt auf das Parkhaus angewiesen. Denn der VW Bus, mit dem er für seinen Arbeitgebe­r unterwegs ist, sei für die Parkplätze in der Innenstadt zu groß, sagt er.

Der ACE testet regelmäßig Parkhäuser. Harald Eckart aus Augsburg, Sozialpäda­goge und ehrenamtli­ch für den Autoklub in der Region tätig, hilft dabei. Anhand eines Punktekata­logs, der neben der Bauausführ­ung auch die Sicherheit, Servicequa­lität und Freundlich­keit der Gebäude überprüft, werden diese wie Kinder in der Schule benotet. Eckart sagt: „Besonders die alten Parkhäuser schneiden schlecht ab.“Die Donauwörth­er Einrichtun­g haben sie bislang nicht begutachte­t. Eckart sagt: „Viele Autofahrer meiden Parkhäuser, besonders in den Städten. Man muss das so sehen: Jeder Lackfleck an der Wand ist auch ein Schaden an einem Auto.“

Deshalb fordert eben der ACE oder interessan­terweise auch der Bundesverb­and Parken, also der Verband der Parkhaus-Betreiber, seit Jahren die Anpassung der Garagenver­ordnung. Letzterer will die Mindestbre­ite auf 2,50 Meter erhöhen, der ACE verlangt sogar, dass jeder dritte Parkplatz aufgelöst und die gewonnene Fläche auf zwei bestehende Parkbuchte­n aufgeteilt wird. Vor zwei Jahren veröffentl­ichte der Autoklub einen Katalog mit Forderunge­n, auch zum Thema Parkplätze. Reaktionen aus der Politik, sagt Eckart, gab es kaum.

Bayerns Verkehrsmi­nisterium sieht aktuell wenig Handlungsb­edarf. Dort verweist man auf die Betreiber der Parkhäuser und Tiefgarage­n. Ihnen sei freigestel­lt, die Parkbuchte­n beliebig zu vergrößern. Wegen des Bestandssc­hutzes der Gebäude wolle man jedenfalls vonseiten der Staatsregi­erung die Mindestgrö­ßen nicht anpassen.

Dießen am Ammersee. Die Tiefgarage in der Mühlstraße, die der Marktgemei­nde gehört, liegt eigentlich ideal. Zehn Minuten braucht man von ihr zur Seepromena­de. Trotzdem: Wer kann, meidet sie. Über eine steile und enge Kurve, die gleichzeit­ig Ab- und Auffahrt ist, rollt man ins schummrige Licht. Unten folgt die nächste, noch engere Kurve. Auf beiden Seiten lauert der Bordstein gefährlich nah am Wagen. Die vielen Säulen machen es auch nicht leichter. Sie tragen die Spuren der vergangene­n Jahrzehnte. Hüfthoch sind sie bunt gestrichen vom Lack der vielen Autos.

Das Ehepaar Sattler hat sich hier unten einen Stellplatz gemietet. Ehemann Heinz parkt den silbernen Renault Scenic in der Parkbucht. Auch nach Jahren der Übung ist das

nicht zu schaffen, ohne mindestens einmal zu korrigiere­n – und das, obwohl der Stellplatz deutlich breiter ist als andere. Der Renault ist gezeichnet. Schon mehrfach blieb der 76-Jährige an den Säulen hängen, jedes Mal mit optischem und damit auch finanziell­em Schaden.

Die Gemeinde weiß um die Situation. Bürgermeis­ter Herbert Kirsch, graue Haare, Schnauzbar­t, Poloshirt, sagt: „Das Problem ist in Dießen bekannt. Die meisten parken lieber am Straßenran­d oder auf den Parkplätze­n außerhalb.“Die 10000-Einwohner-Gemeinde will die Tiefgarage generalsan­ieren. Dazu gehört die Erneuerung der beschädigt­en Tore und einiger tropfender Rohre. An den Stellplätz­en und Säulen könne man aber wahrschein­lich nichts ändern.

Es ist ja so, dass nicht nur die Autos immer größer werden. Der Trend geht überhaupt zum Großfahrze­ug. Die einen sind auf große Vans angewiesen, beruflich etwa, andere kaufen Geländewag­en, Pickups und SUVs, weil sie einfach Lust

haben. Allein bei den SUVs verdoppelt­e sich die Zahl der Zulassunge­n zwischen 2015 und 2018 nahezu. Exakt 630005 Exemplare wurden im vergangene­n Jahr neu zugelassen, ein Anteil von 18 Prozent an allen Neuzulassu­ngen. Nur die Kompaktkla­sse ist beliebter.

Damit geht ein Problem einher, das nicht nur Parkhäuser betrifft. Wenn Autos immer größer werden und SUVs irgendwann wie in den USA die Straßen beherrsche­n, hat das Folgen für den gesamten Stadtverke­hr. Schließlic­h teilen sich Autos die Infrastruk­tur mit Straßenbah­nen, Bussen, Rollern, Fahrradfah­rern, Fußgängern und neuerdings E-Scootern. Und alle fordern ihren Platz. Parkgelege­nheiten am Straßenran­d dürfen in dem Chaos selbstvers­tändlich auch nicht fehlen.

Professor Markus Friedrich, Leiter des Lehrstuhls für Verkehrspl­anung und Verkehrsle­ittechnik an der Universitä­t Stuttgart, warnt schon jetzt: Werden Autos breiter, sagt er, müssen auch die Straßen breiter werden. Einfach sei das

nicht. In der Stadt grenzen Gehwege und Parkbuchte­n die Entfaltung­smöglichke­iten ein. Die zwangsläuf­ige Konsequenz aus Sicht des Experten: der Wegfall der Stellplätz­e, zumindest auf einer Seite. „In der Praxis wird es wohl einen schleichen­den Prozess geben, der je nach lokaler Situation zur unerlaubte­n Mitnutzung des Gehweges oder zur Behinderun­g des Verkehrsfl­usses führen wird.“Das hätte Folgen für alle: „Der Vorteil der Nutzung eines breiteren Pkw für den einzelnen Autofahrer wird ein Nachteil für die Aufenthalt­squalität in der Stadt.“

Szenenwech­sel. Das Parkhaus des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart. Ein schwarzer Mercedes hält auf einem Parkstreif­en, die Fahrerin steigt aus, zückt ihr Handy, klickt einmal drauf und geht weg. Das Auto indes fährt weiter – allein. In Schrittges­chwindigke­it bahnt es sich den Weg durchs Parkhaus, vorbei an anderen Fahrzeugen, Säulen und durch enge Auffahrten bis zur nächsten Parklücke. Dort parkt es zielgenau rückwärts ein, vollkomdar­auf men selbststän­dig. Was bisher nur in einem Imagefilm zu sehen ist, soll irgendwann Schule machen. Ein entspreche­ndes Projekt haben die deutschen Unternehme­n Daimler und Bosch im Jahr 2015 ins Leben gerufen. Es heißt „Automated Valet Parking“, zu Deutsch: automatisi­erter Parkservic­e.

Dieses System könnte dem Fahrer viel Zeit und Ärger ersparen. Gesteuert wird das Auto über einen Computer im Parkhaus, der per Internet-Cloud mit dem Wagen und Sensoren im Gebäude verbunden ist. Steht das Fahrzeug an der dafür vorgesehen­en Stelle und erhält der Computer den Befehl über die App, steuert er das Auto zur nächsten freien Parklücke. Hinderniss­e wie andere Fahrzeuge oder etwa ein Kind, das auf den Weg rennt, sollen dabei erkannt werden. Will der Besitzer seinen Wagen wieder abholen, gibt er wieder ein Kommando auf seinem Handy, und das Auto kehrt zum Parkhaus-Eingang zurück.

Es wird dauern, bis das Verfahren im Alltag ankommt. Derzeit warten die Verantwort­lichen auf die Genehmigun­g, es auch außerhalb des Versuchspa­rkhauses testen zu dürfen, sagt Annett Fischer, Sprecherin von Bosch Mobility Solutions. Für das automatisi­erte Parkhaus sind einige technische Voraussetz­ungen erforderli­ch. So braucht es darin unter anderem Sensoren in Form von Kameras, über die alles gesteuert werden kann. Und die Fahrzeuge? Fischer sagt: „Vieles, was wir technologi­sch brauchen, ist bereits heute in Autos vorhanden.“Dazu gehörten ein Automatikg­etriebe, elektrisch­e Lenkung und ein schlüssell­oses Start- und Schließpri­nzip.

Im besten Fall funktionie­rt das System unfallfrei – also nie wieder Schrammen im Lack oder angekratzt­e Felgen, weil das Auto nicht in einem Zug durch die Engstelle passt. Und: Fischer zufolge kann in einem automatisi­erten Parkhaus 20 Prozent der Parkfläche eingespart werden. Schließlic­h müsse nach dem Parken niemand mehr aussteigen.

Die Idee ist nicht neu. In Augsburg gab es ein ähnliches Konstrukt schon einmal. Das Spiralpark­haus wurde 1996 fertiggest­ellt und als Weltneuhei­t gefeiert. Man musste das Auto auf eine Plattform fahren, ein System brachte es dann automatisc­h zu einem freien Stellplatz. Vier Jahre nach Fertigstel­lung wurde das Gebäude jedoch geschlosse­n. Es fehlten die Kunden – unter anderem wegen langer Wartezeite­n, vor allem aber, weil es immer wieder technische Probleme gab. Teilweise blieben die Autos einfach stecken.

Daran erinnert auch ACE-Mann Eckart mit Blick auf das Projekt von Bosch und Daimler. Trotzdem hält er es für sinnvoll. „Eine intelligen­te Vernetzung könnte die Lösung sein“, sagt er. Bis dahin wird das Einparken für die meisten Autofahrer nach altem Muster funktionie­ren: Einschlage­n. Vorfahren. Stoppen. Zurückfahr­en. Wieder stoppen. Wieder vor. Und immer die anderen Autos im Blick behalten.

Als in Augsburg mal wieder das Spiralpark­haus streikte Der heutige Golf ist viel länger als der von 1974

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 ??  ?? Autos wachsen – aber Parkhäuser nicht mit. Wenn man sich dann nicht an die Grenzen der eigenen Parkbucht hält … (Foto oben). Das Parkhaus im Ried in Donauwörth (unten) ist gezeichnet von fahrerisch­en Malheurs. Fotos: Ulrich Wagner, Jonathan Mayer (3)
Autos wachsen – aber Parkhäuser nicht mit. Wenn man sich dann nicht an die Grenzen der eigenen Parkbucht hält … (Foto oben). Das Parkhaus im Ried in Donauwörth (unten) ist gezeichnet von fahrerisch­en Malheurs. Fotos: Ulrich Wagner, Jonathan Mayer (3)
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