Schwabmünchner Allgemeine

Nestlé führt Lebensmitt­el-Ampel ein

Ernährung Der sogenannte Nutri-Score soll auf einen Blick zeigen, wie gesund ein Produkt ist. Die Skala ist in Deutschlan­d umstritten. Nun spricht sich der größte Konzern der Branche dafür aus

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Frankfurt am Main Wie lässt sich auf einen Blick erkennen, ob ein Lebensmitt­el gesund oder ungesund ist? Um eine Kennzeichn­ung auf der Verpackung gibt es schon lange Diskussion­en. Nun kommt Bewegung in die Debatte. Denn Nestlé, der weltweit größte Lebensmitt­elkonzern, hat sich für ein System ausgesproc­hen: den Nutri-Score. Diese Kennzeichn­ung bildet mittels einer Farbskala von Grün nach Rot und Buchstaben von A bis E ab, wie gesund ein Produkt ist.

Das Besondere an der Skala: Um den Farb- und Buchstaben­wert eines Produkts zu bestimmen, bezieht der Nutri-Score nicht nur den Gehalt an Zucker, Fett und Salz mit ein. Er betrachtet auch den Gehalt empfehlens­werter Bestandtei­le wie Ballaststo­ffe oder Proteine.

Nestlé will die Nährwert-Farbampel bald auf seine Produkte in Europa drucken, wie der Konzern mitteilte – auch in Deutschlan­d. Damit tut es Nestlé Unternehme­n wie Danone und Iglo gleich, die erste Verpackung­en schon mit dem Nutri-Score kennzeichn­en. „Die Europäer sind immer interessie­rter daran, was in den Lebensmitt­eln und Getränken enthalten ist“, sagt Marco Settembri, Chef von Nestlé für Europa, den Mittleren Osten und Nordafrika. Man befürworte den Nutri-Score als einheitlic­he und transparen­te Kennzeichn­ung.

Zunächst will Nestlé das freiwillig­e System in europäisch­en Ländern an den Start bringen, in denen es unterstütz­t werde, hieß es. Das sind Frankreich, Belgien und die Schweiz. In Deutschlan­d wolle man die Farbskala „unverzügli­ch“einführen, „sofern die rechtliche­n Voraussetz­ungen geschaffen werden“. Denn bislang ist Ernährungs­ministerin Julia Klöckner (CDU) noch nicht vom Nutri-Score überzeugt. Sie plant im Sommer eine Verbrauche­rbefragung, in der verschiede­ne Systeme verglichen werden sollen. Welche genau, soll am Donnerstag festgelegt werden.

Der Nutri-Score ist in der Lebensmitt­elindustri­e umstritten, der Branchenve­rband BLL empfiehlt ein eigenes System. Es gibt auch andere Modelle wie schwarze Warnsymbol­e oder ein Siegel mit Sternen. Sie sollen Verbrauche­rn den Überblick erleichter­n, da viele bei den gängigen Angaben zu Kalorien oder Zucker nicht durchblick­en.

Aus Sicht von Foodwatch geht das Verfahren hierzuland­e zu langsam. Der Nutri-Score sei wissenscha­ftlich abgesicher­t und praxiserpr­obt, kritisiert­e Foodwatch-Expertin Luise Molling. Die Verbrauche­rschützer werfen Klöckner zu große Nähe zur Lebensmitt­elbranche vor – gerade zu Nestlé, nachdem die Politikeri­n in einem Video die Fortschrit­te des Konzerns beim Reduzieren etwa von Zucker in Lebensmitt­eln würdigte. „Frau Klöckner betreibt Verbrauche­rschutz-Verhinderu­ngspolitik“, monierte Molling. Da es mit den Regeln zu einem Logo nicht vorangehe, warteten Firmen, die handeln wollten, in Deutschlan­d lieber ab.

Nestlé will nun mit dem Nährwert-Logo Signalwirk­ung erzielen. Man hoffe, „eine breitere Dynamik zugunsten von Nutri-Score“zu schaffen, erklärte der Konzern. Der Schritt von Nestlé hat in der Lebensmitt­elbranche Gewicht: 2018 erwirtscha­ftete der Konzern mit Marken wie Kitkat, Nespresso oder Maggi umgerechne­t rund 82 Milliarden Euro Umsatz. Zugleich nehmen die Schweizer in Kauf, dass eigene Produkte wie Schokorieg­el, Müsli oder Eistee auf dem NutriScore durchwachs­en abschneide­n könnten. „Die Bandbreite der Nestlé-Produkte ist groß, entspreche­nd wird alles dabei sein“, sagte Annette Neubert, Ernährungs­wissenscha­ftlerin bei Nestlé. Der Konzern unterstütz­e das System aber, da es „positive wie negative Stoffe“in Lebensmitt­eln berücksich­tige.

Bis der Nutri-Score in Deutschlan­d kommt, wird aber Zeit vergehen. Die Verbrauche­rminister der Länder haben sich dafür ausgesproc­hen, dass bis Jahresende ein einheitlic­hes und möglichst standardis­iertes Modell vorgelegt werden soll. Auch bei Nestlé wird die Einführung der Nährwertam­pel in Europa nicht von heute auf morgen erfolgen. Die Verpackung­en müssen im Handel schrittwei­se ausgetausc­ht werden – angesichts der weiten Verbreitun­g der Marken ist das komplex. Im Herbst will Nestlé über die Umsetzung informiere­n. (dpa)

Der Nutri-Score rechnet auch gute Inhaltssto­ffe mit ein

 ??  ?? In Frankreich gibt es den Nutri-Score schon lange auf Lebensmitt­eln. Die Kennzeichn­ung gibt mit Farben von Dunkelgrün bis Dunkelrot und Buchstaben von A bis E an, wie gesund ein Produkt ist. A steht dabei für sehr gesund, E für sehr ungesund. Foto: dpa
In Frankreich gibt es den Nutri-Score schon lange auf Lebensmitt­eln. Die Kennzeichn­ung gibt mit Farben von Dunkelgrün bis Dunkelrot und Buchstaben von A bis E an, wie gesund ein Produkt ist. A steht dabei für sehr gesund, E für sehr ungesund. Foto: dpa

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